Symbol   Quatember

Startseite
Inhalt
Inhalt 1951
Jahrgänge
Autoren
Suchen


Predigt im Feldwebelton?
von Walter Uhsadel

LeerDurch die Presse ging vor einiger Zeit eine viele sicherlich überraschende Nachricht: ein Pfarrer in Southery (England) „hat öffentlich versprochen, ziviler zu predigen, nachdem die Männer seiner Gemeinde erklärten, sie könnten seine Feldwebelstimme nicht mehr ertragen. Die Frauen hatten gegen den Ton nichts einzuwenden”. Für den, der mit tiefenpsychologischen Einsichten vertraut ist, hat diese Nachricht nichts Verwunderliches an sich. Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß das Fehlen der Männer in unseren Kirchen damit zusammenhängt, daß in der evangelischen Kirche die „männliche” Seite aus Kosten der „weiblichen” überbetont worden ist. Das Aktive, zur Tat Aufrufende, Fordernde, Urteilende, Richtende macht den wesentlichen Inhalt des Gottesdienstes aus- Das Besinnliche, Stille, Betrachtende, Meditative tritt zurück. Der Mann aber will im Gottesdienst nicht angedonnert werden. Er sucht sammelnde Besinnung und Stille, denn Gebrüll und Gepolter sind genug um ihn her. Die Frau dagegen wird von dem, was in ihrem Lebensraume und Wesen weniger zu finden ist, dem Kämpferischen und Vorwärtsdringenden angezogen; denn hinter ihm fühlt sie sich geborgen. Früheren Zeiten ist das selbstverständlich gewesen. So z. B. Hans Memling, als er seinen Weltgerichtsaltar schuf, der in St. Marien in Danzig stand. Auf den Außenflügeln dieses Altares sind die Stifter Angelo und Katharina Tani zu sehen. Über dem Manne hat der Maler Maria als steinerne, urbildhafte Figur dargestellt, über der Frau dagegen den Erzengel Michael im Kampf mit dem Drachen. Der Mann ist in strenger Sammlung wiedergegeben, die Frau dagegen in einer aufgelockerten Gebetshaltung. Wenn ein heutiger Maler oder Pfarrer solchen Altar zu bauen unternähme, würde er „natürlich” über den Mann den Michael stellen, über die Frau die Maria - und gerade dieses „Natürliche” wäre falsch. Es ist ein untrügliches Zeichen auch unserer seelsorgerlichen Auflösung und Hilflosigkeit. Darum sind jene „Männerpfarrer” aus dem Holzwege, die meinen, die Männer mit einem Donnerton und Faustschlägen auf die Kanzelbrüstung zu gewinnen. Damit erreichen sie nur ein paar - feminine Typen. Solche Männer berauschen sich gern an dem Gefühl, einem „gewaltigen Kanzelredner” nahezustehen. Sie sagen dann wohl von ihm, er stünde wie Luther auf der Kanzel. Aber es ist nur der verkitschte Luther, der die Faust auf die Bibel preßt, wie das 19. Jahrhundert ihn in idealistischer Verfälschung dargestellt hat. Der wirkliche Luther war - das bezeugen seine unpathetischen, nachdenklichen, beschaulichen Predigten - ein ganz nüchterner Denker. Und eben eine stille Klärung seines Denkens vor Gott sucht der heutige Mann.

LeerDie Frau hingegen sieht gern, wie der Auftrag der Kirche von Männern ausgerichtet wird, die ihre Kraft und echte Leidenschaft einsetzen; denn es liegt in ihrem Wesen, nach einem starken Schutz in dieser Welt Ausschau zu halten. Darum ist sie froh, einen gesunden und kraftvollen Mann im Zeugenamt zu sehen.

LeerDer Mann liebt die Mutter Kirche von jungfräulicher Reinheit, wie es die Ordensritter und auch Martin Luther taten, die Frau den mannhaften Zeugendienst. Wie schwer also ist es das priesterliche Amt in der Predigt recht auszurichten! Es ist nicht so schwer, wie es scheint; denn in jedem Manne lebt auch etwas Weibliches und umgekehrt. Der Prediger braucht also nicht einmal für diese und einmal für jene zu sprechen. Er darf nur nicht zu Männern „männlich” und zu Frauen „fraulich” reden wollen. Er soll als ein voller Mensch seines Amtes walten und nicht nach Mitteln suchen, bald die einen, bald die andern in ihrer Art zu fangen. Je „menschlicher” sein Wort ist, desto stärker wird es beide ansprechen. Viel aber würde es ihm helfen, wenn seine Predigt endlich wieder als Teil eines geordneten Gottesdienstes erscheinen würde, in dem Wort und Sakrament zu ihrem Rechte kommen. Der Gottesdienst würde alsdann für die stille Hingabe Raum bereiten, die Predigt hingegen ohne Übersteigerung den Weg zum tätigen Leben, zur Täterschaft des Wortes, weisen.

LeerIch muß schon sagen: die Männer und Frauen der Gemeinde Southery und ihren Pfarrer möchte ich kennenlernen.

Evangelische Jahresbriefe 1951, S. 118-119

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 15-11-30
Haftungsausschluss
TOP