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Nach dem Fest
von Hans Carl von Haebler

LeerDie Evangelische Michaelsbruderschaft beginnt ein neues Menschenalter und Quatember einen neuen Jahrgang. Es will uns scheinen, als wenn das Michaelsfest in Marburg, das rund vierhundert Brüder vereinigte, eine Bedeutung erlangen könnte, die über die Verwirklichung brüderlicher Gemeinschaft im Gottesdienst und Gebet, in Vorträgen und Gesprächen hinausgeht. Hin- und hergerissen von den geistigen Strömungen unserer Zeit, haben die Brüder neue, lohnende Aufgaben in den Blick bekommen, Aufgaben, deren sich auch Quatember annehmen wird.

LeerEs geht darum, die Spaltungserscheinungen in uns selber und in der Menschheit zu überwinden. Diese Spaltungserscheinungen sind wohl letzten Endes auf die fortschreitende Spezialisierung der Menschen zurückzuführen, die das Blickfeld des einzelnen, sein Arbeitsgebiet und seine Interessen einengt - ein Vorgang, der in allen Bereichen der Wirtschaft und Wissenschaft, der auch in der Theologie zu beobachten ist und über dessen Notwendigkeit kein Zweifel bestehen kann. Aber er bedroht die Ganzheit und Einheit des Menschen. Soweit ich sehe, ist der Gottesdienst der einzige Ort, wo alt und jung, Mann und Frau, Gelehrte und Ungelehrte noch Gemeinschaft erfahren und ihrer Einheit innewerden. Er ist auch der einzige Ort, wo der einzelne sich der versachlichenden und aufspaltenden Wirkung der Spezialisierung entziehen und im Angesichte Gottes zu sich selber kommen kann. Wenn Dr. Dombois auf dem Michaelsfest die Bruderschaft eine sakramentale Erweckungsbewegung nannte, so hat er sie damit nicht in den Raum der Kirche einsperren wollen, sondern als eine Schar von Männern gekennzeichnet, die am Altar den Ausgangspunkt gefunden haben, von dem aus die Probleme dieser Welt anzugehen sind. Als Frucht dieser Einsicht ist eine Theologie der Messe zu erwarten.

LeerQuatember aber wird der Versuchung, aktuelle Spezialprobleme zu erörtern, widerstehen und sich auf den Dienst beschränken, den er allen Lesern schuldig zu sein glaubt. Er wird ihnen mit Bildbetrachtungen und Einführungen in das Gebet der Kirche Hilfen geben, sich im Glauben einzuüben, und er wird versuchen, ihnen zu einem Menschenbild zu verhelfen, das dem Evangelium entspricht und unserer Zeit standhält.

LeerWir beabsichtigen, die Hefte dieses Jahrgangs mit Ikonen zu bebildern und den Geist des Gebets, der seinen Niederschlag in ihnen gefunden hat, für das eigene Gebet fruchtbar zu machen. Je vier Aufsatzfolgen sollen den Leser in die altkirchlichen Cantica (Wilhelm Stählin) und in den evangelischen Choral (Rose Matz) einführen. Sie mögen uns helfen, den Kirchengesang als Gebet zu vollziehen, und daran erinnern, daß wir ihn nicht der Muse Polyhymnia verdanken, sondern daß er von dem Sanctus und dem Gloria der Engel ausgeht. Im Nachtrag zur letzten Weihnachtsnummer, die der Mutter Gottes gewidmet war, bringen wir in diesem Heft noch einen Aufsatz über die Marien-Ikone aus der Feder eines orthodoxen Christen, Wladimir Lindenberg.

LeerWas ist der Mensch? - Das ist das gemeinsame Thema der Beiträge von Siegfried Buddeberg und Joachim Scharfenberg, das in den nächsten Heften noch weiter entfaltet werden soll. Scharfenbergs Jung-Aufsatz geht weit über eine Würdigung des jüngst Verstorbenen hinaus. In der Auseinandersetzung mit der Theologie des Züricher Psychiaters kommt er auf die Frage zurück, ob das Christentum eine Religion sei oder ob die Verkündigung des Evangeliums nicht die Krisis aller Religionen darstelle. Sein Appell, diese im Gespräch mit den Nicht-Christen so bedeutsame Frage weiter zu behandeln, findet hoffentlich bei unseren Mitarbeitern Gehör.

LeerIch schließe, indem ich ein Versäumnis nachhole und mich bei allen Mitarbeitern, die dem letzten Jahrgang Gestalt und Gewicht gegeben haben, herzlich bedanke. So manche Zuschrift gibt mir wohl das Recht, diesen Dank auch im Namen der Leserschaft auszusprechen.

Quatember 1962, S. 48

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-10-05
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