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Religiöse und christliche Aspekte der Kunst
von Hans Carl von Haebler

LeerProtestantismus und Kunst, so lautete das Thema der Tagung, zu der die Freunde Paul Tillichs Ende März in die Evangelische Akademie nach Hofgeismar eingeladen hatten. Es stellte sich bald heraus, daß die Gäste - Künstler, Lehrer, Theologen, Journalisten, Studenten, aber auch Ärzte und Angehörige anderer Berufe - mit sehr verschiedenen Erwartungen gekommen waren und eine sehr verschiedene Sprache führten. Wenn sie trotzdem auf ihre Kosten gekommen sind, so ist das nicht nur der Mannigfaltigkeit der Referate, sondern auch der Verschiedenartigkeit der Referenten zu verdanken.

LeerDr. Hans-Eckehard Bahr, Hamburg, und Pastor D. Hans Jürgen Baden, Hannover, bemühten sich um eine Deutung der modernen Kunst. Der Hamburger Dozent suchte die heutige Malerei als ein Heraustreten aus dem Raum in die Zeit, als eine Auseinandersetzung mit der technisch-wissenschaftlichen Umwelt, aber auch als Flucht und Rückkehr in das urtümlich Mythische verständlich zu machen. Auch auf den Spielcharakter dieser Kunst machte er aufmerksam. Doch blieb dieser Hinweis in der Aussprache leider unerörtert. Pastor Baden analysierte beispielhaft die Lyrik von Wilhelm Lehmann, Karl Krolow und lngeborg Bachmann und arbeitete jeweils ihren mythischen, ontologischen und panerotischen Aspekt heraus. Ein christlicher Aspekt ergab sich dabei nicht, es sei denn, man gestände dem Künstler ein unbewußtes Christentum, eine anima naturaliter christiana zu, wie sie der Priester herausgefühlt haben mag, der dem Atheisten Braque einmal bekannte: „In dem Fisch, den Sie malen, steckt mehr als in dem Fisch irgend eines frommen Künstlers.” Aber solche Aussagen entziehen sich der theologischen Kontrolle.

LeerDagegen stellte die Analyse der genannten drei Lyriker wohl unzweideutig klar, daß hier der griechische Mythos die christliche Botschaft überholt und seine Macht über den Menschen zurückgewonnen hat. In dem Aufschrei Ingeborg Bachmanns: „Erlöse mich! Ich kann nicht länger sterben” kommt allenfalls eine Sehnsucht nach dem „unbekannten Gott” zum Ausdruck.

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LeerNach dem theologischen Ort der Kunst gefragt, wird der Protestant dazu neigen, diese nur im ersten Glaubensartikel anzusiedeln. Er wird mit Paul Tillich, den Professor Dr. Hermann Noack, Hamburg, kritisch interpretierte, den unendlichen Abstand der Schöpfung vom Schöpfer, die Unzulänglichkeit alles Künstlertums, die Tatsache, daß es keinen christlichen Stil gibt, und anderes mehr dafür anführen, allerdings nicht, ohne die Transparenz des Kunstwerks und die durchbrechende Macht des Expressiven zu unterstreichen. Aber ist diese Transparenz, dieser Symbolcharakter des Kunstwerks als solcher schon ein Merkmal christlich-protestantischer Kunst? Können wir mit Tillich Picassos Guernica wirklich als eines der stärksten protestantischen Bilder bezeichnen?

LeerDiese Frage Hermann Noacks beantwortete Paul Schütz, indem er auf die Zwielichtigkeit des Symbols aufmerksam machte und vor ihr warnte. Van Goghs Auferweckung des Lazarus, in der die Gestalt Christi durch den Sonnenball ersetzt ist, könnte, so meinte er, auch im Zimmer eines BdJ-Mädchens hangen, die Dornenkrone von Manessier auf die leidende Menschheit bezogen werden. Um diese Zwielichtigkeit zu erkennen, sei Theologie nötig.

LeerPaul Schütz ist kein Bilderfeind. Zwar räumt er ein, daß es eine Magie des Bildes gibt. Aber es gibt auch eine Magie des Wortes, und, wo das Bild hinausgeworfen wird, kommt diese zum Zuge. Es besteht also kein Grund, die Theologie nur Wort-Theologie sein zu lassen. Im Gegenteil! Bilderfeindschaft bedeutet Abwertung der Schöpfung, des Fleisches und führt zur Abstraktion und zur Entmenschlichung des Menschen. Sie bedeutet, daß wir in der Spaltung zwischen Gott und Welt, die durch die Fleischwerdung Christi geheilt wurde, verharren. Freilich ist Gott nicht darstellbar. Aber das Bild ist Zeichen des Unabbildbaren: „Der Beter betet hinter dem Bild.” -Selten ist mir so klar geworden wie bei Paul Schütz, -daß es nicht die Worte und Gedanken sind, die überzeugen, sondern der Mensch, der sich in ihnen mitteilt.

Quatember 1962, S. 129

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-10-05
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