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Briefe [Konservativ sein]
von Wilhelm Stählin

LeerAn dem Badeplatz einer Bucht der Insel Mallorca waren zwei Rettungsringe angebracht mit der Aufschrift „Respectame, puedo salvarte”; gib acht auf mich, ich kann dir das Leben retten. Diesen Spruch benutzte ich als Motto, als ich vor kurzem vor einem Kreis junger Männer in München über den Begriff des Konservativen zu sprechen hatte. Denn wenn man sich einmal frei macht von dem verhängnisvollen Sprachgebrauch, der mit dem Wort „konservativ” einfach die Beharrung in einem vergangenen und vielleicht überlebten Zustand bezeichnet, und nach dem wahren Sinn des Konservativen fragt, dann entdeckt man genau das, was auf jenem Rettungsring steht: den Hinweis darauf, daß der Mensch in tödlicher Gefahr ist, nicht nur durch feindliche Gewalten, die seine äußere Existenz bedrohen, sondern durch die Verkehrtheiten und Einflüsse, unter denen sein Menschsein ins Verderben geraten kann, und den Hinweis darauf, daß wir dieser Gefährdung des Menschen nicht hilflos preisgegeben sind, sondern daß es Hilfen der Rettung und Bewahrung gibt. „Konservativ sein” heißt mit dem ganzen eigenen Sein auf das bedacht sein, was den Menschen als Menschen vor der Zerstörung bewahrt; das heißt aber dann zugleich nach allen Seiten wachsam sein und weder von der bloßen Konservierung früherer Zustände noch von dem sogenannten Fortschritt das Heil erwarten. Was in Wahrheit konservativ ist, hat weder mit Reaktion, noch mit Fortschrittsoptimismus das geringste zu tun, sondern es ist das, was dem Heil des Menschen dienlich ist.

Quatember 1962, S. 190-191

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-10-05
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