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Ökumenische Gebetswoche
von Hans Carl von Haebler

LeerVom 18. bis 25. Januar haben Christen in aller Welt die Ökumenische Gebetswoche gehalten und um die Einheit der Kirche gebetet. Auf dem Trafalgar Square im Herzen Londons fand bei Schneesturm eine Andacht statt, an der Anglikaner, Katholiken und Angehörige der Freikirchen teilnahmen. Deutschland beging diese Woche der Einheit leider sehr uneinheitlich. Hier hat die Empfehlung der „Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen”, die Ökumenische Gebetswoche auf die Woche vor Pfingsten zu verlegen, dazu geführt, daß man nur noch hie und da das Gebet für die Ökumene auch zusammen mit der Ökumene verrichtet. Es drängt sich der Verdacht auf, daß Kirchen, die sich nicht einmal auf eine Gebetszeit einigen können, die Einheit der Kirche nicht ganz ernst nehmen und nur spiritualistisch verstehen.

LeerIch habe an der Vorbereitung der Gebetswoche in Imshausen und an zwei Gebetsandachten in Marburg teilgenommen. In Imshausen, wo sich evangelische Pfarrer und Laien mit Geistlichen der römisch-katholischen, anglikanischen und russisch-orthodoxen Kirche trafen, bereiteten Bibelbetrachtungen und Gespräche über die Nöte in aller Welt die Fürbitten vor, die man dort täglich 15 Uhr hält. Überall dieselben Fragen und Sorgen, eine Solidarität menschlicher Hilflosigkeit, die sich von Gott in die Lehre nehmen läßt. Gemeinsam feierten wir die evangelische und die anglikanische Messe und die orthodoxe Liturgie, die zu unserer Freude auf Deutsch gehalten wurde.

LeerDie ökumenischen Gebetsandachten in Marburg, getragen von dem großen Kreis der Teilnehmer an den evangelisch-katholischen Gesprächen, brachten mir die kirchengeschichtliche Stunde zum Bewußtsein, in der wir stehen. Der evangelische und der katholische Pfarrer taten, bei brennenden Altarkerzen, gemeinsam Dienst. Sie teilten sich in die biblischen Lesungen, gedachten in wechselseitiger Fürbitte ihrer Kirchen und legten vor dem gemeinsamen Herrn ein Schuldbekenntnis ab: Er möge uns all die Rechthaberei, Überheblichkeit und Lieblosigkeit vergeben, durch die wir an Ihm schuldig geworden sind. In den Akklamationen, Psalmgebeten und Chorälen und im Vaterunser fand sich die getrennte Gemeinde Jesu Christi zusammen. Die erste Andacht wurde in der katholischen Peter- und Paulkirche, die zweite einige Tage später in der Universitätskirche gehalten.

LeerDieser zweite Gottesdienst war durch einen Vortrag von Professor Sartory OSB eingeleitet worden. Im überfüllten Auditorium Maximum hatten sich Angehörige beider Konfessionen eingefunden, um den kühnen Mönch zu hören, der die Frage gestellt hatte, ob Gottes Geist an die Kirche gebunden wäre. Gott ist frei, so führte er aus, und hat sich doch gebunden; er hat mit Seinem Volk einen Bund geschlossen. Der Katholik sähe das Verhältnis zwischen Gott und den Menschen mehr im Bilde des Bundes, der evangelische Christ in dem des Testaments. In den konfessionell verschieden betonten Gegensätzen von Bindung und Freiheit, Amt und Charisma, Priestertum und Prophetie, Institution und Ereignis drücke sich eine Polarität aus, die die ganze Bibel durchziehe. Man müsse zu jenem katholischen „Und” kommen, das seine Kirche zwar bejahe, aber zu wenig verwirkliche. - Das war nicht mehr Kontroverstheologie, sondern Bekenntnis, Erkenntnis der gegenseitigen Ergänzungsbedürftigkeit.

LeerDie Marburger Andachten sind sicherlich nur ein Beispiel dafür, daß die Kirche allenthalben im Aufbruch begriffen ist. So hörte ich kürzlich, daß schon vor Jahr und Tag bei einer ökumenischen Veranstaltung im Nidelbad bei Zürich evangelische, römische, christkatholische und orthodoxe Christen ein konfessionelles Sündenbekenntnis abgelegt und ihre gemeinsame Schuld vor Gott bekannt haben und daß man dort die Einheit der Kirche nicht nur diskutiert, sondern vom gemeinsamen Sakrament der Taufe her ins Bewußtsein bringt. Pfarrer Walter Grimmer und Pater Eugen Mederlet OFM erzählen in einem Bericht über jenes Treffen (Die Bedeutung der Taufe für die Einheit der Kirche, Verlag Dr. R. F. Edel, Marburg 1962) sogar von einer gemeinsam vollzogenen Taufe.

Quatember 1953, S. 84

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-03-13
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