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Ordo Crucis
von Alex Johnsohn/Hans Carl von Haebler

LeerUngefähr gleichzeitig mit der Evangelischen Michaelsbruderschaft und mit der gleichen Zielsetzung wurde 1933 in Norwegen der Ordo Crucis gestiftet. Die elf Stifter waren Theologen, Studenten, Kandidaten und Pastoren. Heute zählt die Bruderschaft 125 Brüder, darunter 25 Laien. Nicht weniger als acht Prozent aller norwegischen Theologen sind in ihr zusammengeschlossen und üben einen beträchtlichen Einfluß auf das kirchliche Leben im ganzen Lande aus. Seit ihrer Stiftung hat die Leitung der Bruderschaft fünfmal gewechselt. Der jetzige Leiter ist Pastor Notto Thelle, Oslo.

LeerDie Regel des Ordo Crucis ist im Laufe der Zeit dreimal revidiert und 1962 in folgenden fünf Verpflichtungen zusammengefaßt worden: Die Brüder sollen

1.   jeden Tag beten und in der Bibel lesen;
2.   an den Gottesdiensten ihrer Gemeinden und an allen Veranstaltungen der Bruderschaft teilnehmen;
3.   die Privatbeichte praktizieren. Jeder Bruder macht der Leitung des Ordo Crucis (einem Collegium) seinen Beichtvater namhaft, damit sie die Durchführung des Beichtversprechens überwachen kann.
4.   Die Brüder handeln nicht, ohne sich gegenseitig beraten zu haben.
5.   Die Brüder entrichten einen Jahresbeitrag in Höhe von zwei Prozent ihrer Steuern.
LeerDarüber hinaus enthält die Regel Bestimmungen theologischer, kirchlicher und liturgischer Art, doch ist in diesen fünf Punkten das Entscheidende herausgestellt.

LeerIn Oslo und Bergen halten die Brüder jeden Samstag, 8 Uhr, Gottesdienste, denen ein gemeinsames Frühstück folgt. Bei dieser Gelegenheit wird der Text des folgenden Sonntags von den Theologen und Laien besprochen und die Problematik der Welt, des Landes und der Kirche erörtert. In Kristiansand finden die Gottesdienste der Bruderschaft nachmittags statt.

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LeerJedes Jahr kommen die Brüder für drei Tage zusammen. Sie sind zur Teilnahme an dieser Tagung verpflichtet, bekommen aber die Reise bezahlt. Die Tagung hat den Charakter einer Retreat mit Schweigezeit vom Completorium bis etwa 14 Uhr des nächsten Tages. Es finden auch Vorträge und Aussprachen statt, und jedes zweite Jahr wird das Leitungsorgan der Bruderschaft, das Collegium, neu gewählt.

LeerIn Dingen der Theologie sind sich die Brüder nicht immer einig. Man diskutiert zum Beispiel heftig über Fragen wie: Staatskirche oder nicht, Epiklese oder nicht (im Hinblick auf die bevorstehende Revision der norwegischen Liturgie, die keine Epiklese kennt). Auch in dem echt norwegischen Streit über den Charakter der Hölle (Strafe oder Vernichtung) gehen die Meinungen der Brüder auseinander. Ungelöst ist ferner die schwierige Frage der weiblichen Pastoren, bei der sich der verstorbene Leiter, Arne Fjelberg, für diese eingesetzt hat. Aber niemals haben diese theologischen Differenzen zu einer Krise in der Bruderschaft oder zu Schwierigkeiten für das Zusammenleben geführt.

LeerIm Zusammenhang mit Ordo Crucis sind noch zwei norwegische Kommunitäten zu nennen:

LeerDie Koinonia, die vor etwa sechs Jahren nach dem Vorbilde von Ordo Crucis gegründet wurde, aber ausgesprochen low church ist und der liturgischen Erneuerung, die so charakteristisch für Ordo Crucis ist, fernsteht. Die Koinonia zählt etwa 25 Brüder. Sie ist loser organisiert und hat ihre Angehörigen auch nicht auf die oben genannten fünf Punkte verpflichtet. Auf der anderen Seite haben sich einige junge Theologen und Männer der Kirche mit Ordo Crucis nicht zufriedengegeben und unter dem Namen Oremus einen Orden gebildet, der noch klarer die hochkirchliche Linie verfolgt. So hat er sich zum Beispiel, in Übereinstimmung mit Peter Brunner, geschlossen gegen die weiblichen Pastoren ausgesprochen. Der Orden hat rund 30 Mitglieder, auch Frauen. Einige Brüder, darunter der Leiter, Sekretär Eivind Saxlund, gehören gleichzeitig dem Ordo Crucis an.

LeerDas größte Problem von Ordo Crucis sind die vielen alleinstehenden Brüder in diesem „langen” Lande. Von Oslo nach Kirkenes ist es soweit wie von Oslo nach Sizilien! Dazu kommen die Seemannspastoren und die Missionare. Darum versteht sich der Orden als eine Art Übungsplatz, wo man sich im gemeinsamen Leben einüben soll, damit man es dann überall und mit anderen Menschen praktizieren kann. Denn er will nicht ein Sektendasein führen, sondern für die Norwegische Kirche dasein und würde sich an dem Tage auflösen, an dem diese so wäre, wie sie sein könnte und sollte. - Aber bis dahin wird, wie unser Berichterstatter meint, noch einige Zeit vergehen.

(Hans Carl von Haebler nach einem Bericht von Rektor Alex Johnson, Oslo.)

Quatember 1963, S. 130-131

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-03-29
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