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Der Casteller Ring
von Johannes Halkenhäuser

LeerInmitten des mainfränkischen Landes, auf einer vorgelagerten Höhe des Steigerwaldes erhebt sich das alte Schloß Schwanberg. Einst keltische Fliehburg, germanisches Svana-Heiligtum, dann fränkischer Königshof, beherbergt es heute nach wechselvoller Geschichte den „Pfadfinderinnen-Dienst”. Er hat dort neben einem Jugendzentrum, der Bundeszentrale der Christlichen Pfadfinderinnen, eine sehr besuchte Tagungs- und Ausbildungsstätte geschaffen. Die Glieder dieses Pfadfinderinnen-Dienstes, die fast alle aus den Reihen der Pfadfinderinnen-Bewegung kommen, führen seit 13 Jahren ein gemeinsames, monastisches Leben nach den alten „evangelischen Räten” in Gütergemeinschaft, Ehelosigkeit und Anerkennung einer frei gewählten Autorität. Aus der Erschütterung des Krieges hervorgegangen wählten sie diese ihnen gemäße Form gemeinsamen Lebens, um frei zu sein für den Anruf von Kirche und Welt der modernen Gesellschaft.

LeerDie Gemeinschaft, die nach ihrem Gründungsort „Casteller Ring” heißt, zählt heute 28 Glieder. Sie wohnen in einem dem alten Schloß geschickt angegliederten Neubau. Es gibt darin Kapelle, Kapitel, Refugium und Zellen. In der Kapelle, die - während die anderen Räume unter Klausur stehen - der Öffentlichkeit zugänglich ist, vollzieht sich täglich das altchristliche Stundengebet in Lob und Anbetung. Der Dienst der Fürbitte nimmt einen breiten Raum ein. Die Kommunität lebt stark von einem neu erwachten Verständnis der Kirche und ihrer Sakramente. In der Kapelle wird täglich das geordnete Stundengebet gehalten. Wort und Sakrament sind in Gottesdiensten und Gebetszeiten die Mitte des geistlichen Lebens auf dem Schwanberg. Zum Gottesdienst tragen die Glieder des „CRS.”, die sich sonst in ihrer Kleidung nicht von anderen Frauen unterscheiden, schwarze Chorgewänder. Der Casteller Ring gliedert sich in vier Stufen: eine kurze Zeit der Erprobung; ein darauffolgendes zweijähriges Noviziat mit Unterricht und Einübung im christlichen Leben nach den Ordnungen der Gemeinschaft, eine zweijährige Verpflichtung und die darauf folgende eigentliche (endgültige) Bindung. Diese Entwicklung umfaßt in der Regel sechs Jahre. Die Bindung wird zwar nicht im Sinne eines Gelübdes verstanden, stellt aber doch ein klar es Ja auf den durch Jahre geprüften Anruf Gottes dar. Die Frauen vom Schwanberg, die in dieser Bindung stehen, tragen an der linken Hand einen goldenen Ring, in den Kreuze eingraviert sind.

LeerDer Casteller Ring will dem totalen Anspruch Christi damit antworten, daß er sich frei und verfügbar hält für das in der jeweiligen Stunde Gebotene. Die Kommunität sieht ihr Tun nicht so sehr unter dem Aspekt des Zweckes als vielmehr im Blick auf ihren Beitrag zur Heimholung der Welt. Diese Tatsache gibt der Ordensgemeinschaft ihren eschatologischen Zug. Beides: die Erwartung einer neuen, geheilten Welt, wie sie Christus verheißen hat, und das bewußte Stehen im flutenden Leben, das jährlich Tausende von Menschen auf Schloß Schwanberg ein-und ausgehen läßt, gibt eine große Elastizität. Die heitere, lebensbejahende Atmosphäre des jungen Ordens, die - wie uns scheint - gültige Durchdringung evangelischen Lebens mit benediktinischer Spiritualität hat in der Bejahung dieser Spannung ihre Wurzel.

Leer„Ora et labora” haben die Frauen über ihr Leben geschrieben. Sie haben ein reiches Maß an beidem. Auf Schloß Schwanberg mit seinem Park und den angrenzenden Wäldern bewegt sich ein buntes Bild von Tagungen und Veranstaltungen. Zur Bewältigung dieses reichhaltigen Tagungsprogrammes gesellt sich ein Vorseminar, in dem etwa hundert Schülerinnen in einer drei- bis vierjährigen Ausbildung den Weg in soziale Frauenberufe finden. Auch ein kleines Turmcafé wird von den Frauen des CR betrieben und lockt viele Besucher auf den Berg, der für das Maintal und seine Menschen ein weithin sichtbares Ausflugsziel ist. „Der Liebe zu Christus nichts vorzuziehen” und darin für alle Anrufe der Welt verfügbar zu sein, nicht in Polemik zu leben oder ein Leben kirchlicher Zurückgezogenheit zu gestalten; nicht die Probleme des heutigen Lebens zu fliehen, sondern sie von der Wurzel her zu bewältigen - in diesem Auftrag weiß der Casteller Ring sich eins mit vielen anderen evangelischen Kommunitäten.

LeerDie Frauen des Casteller Ringes haben es in guter und nüchterner Weise, fern von jedem Vollkommenheitsanspruch, verstanden, Wärme und Strenge, Geschlossenheit der Lebensform und Offensein für das „Heute Gottes” in unserer Welt miteinander zu verbinden.

(Weiteres findet man in Lydia Prägers Buch der Bruder- und Schwesternschaften, das demnächst neu aufgelegt wird.)

Quatember 1963, S. 179-180

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-04-06
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