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Die größere Heimat
von Hans Carl von Haebler

LeerEs könnte sein, daß der Jahrgang, der mit diesem Heft zuende geht, die Erwartungen unserer Leser nur teilweise erfüllt hat. Die Probleme, die uns als Christen und Menschen bewegen, sind zu zahlreich geworden, um auf diesen wenigen Seiten behandelt zu werden. Allein die kirchlichen Ereignisse, die sich in den letzten Wochen jagten - der Papstwechsel, die Weltkonferenz für Faith and Order (Glaube und Kirchenverfassung) in Montreal, der Kirchentag in Dortmund, die Tagungen des Lutherischen Weltbundes in Helsinki und der anglikanischen Kirchen in Toronto - böten Stoff für eine ganze Reihe von Heften. Und schon steht die zweite Session des römischen Konzils vor der Tür. Wir müssen uns mit der Feststellung begnügen, daß das Schiff der Kirche die Anker gelichtet und Segel gesetzt hat, so daß der Heilige Geist nun hineinblasen kann, wenn es ihm gefällt. (Ich bitte die Avantgardisten unter uns um Nachsicht, wenn ich dieses, unser Schiff noch einmal mit Segeln ausgestattet habe und nicht mit Atomenergie.) Zugegeben, wird mir dieser oder jener entgegenhalten, du konntest nicht alles bringen, aber deine Auswahl war einseitig. Über Römern, Orthodoxen und Anglikanern scheint Quatember die eigene Kirche nicht gerade vergessen, aber doch vernachlässigt zu haben. Darauf kann ich nur antworten: Wer Seefahrt treiben will, kann sich nicht mit Küstenfischerei befassen. Wenn wir der Ökumene dienen wollen, dann besteht unsere Aufgabe eben nicht darin, interne Probleme zu erörtern, sondern darin, daß wir uns mit den anderen Kirchen bekannt machen, ja sogar die nichtchristlichen Religionen zu verstehen suchen. (Lehrreich für uns ist auch, was die anderen Kirchen von einander halten. Hierzu möchten wir wenigstens auf die Ausführungen von Professor Leo Zander über „Das zweite Vatikanische Konzil” hinweisen, die „Kerygma und Dogma” im 3. Heft dieses Jahres brachte, u. E. das Beste, was über das Konzil geschrieben worden ist.) Wir müssen ins Ausland fahren, um zu entdecken, was uns fehlt - und was wir haben. Mehr noch! Wir dürfen uns nicht länger der Aufgabe entziehen, das Ausland in den Bereich unseres Denkens einzuordnen und zu unserer größeren Heimat zu machen.

LeerJe stärker die Eindrücke sind, die auf uns einstürmen, um so wichtiger ist es, daß wir uns Zeit zur Besinnung nehmen. Hinter der Welt herlaufend, die ständig an Tempo zulegt, wird die Kirche bald den Atem verlieren. Sollte ihr dieser Wettlauf wirklich aufgetragen sein oder liegt hier nicht ein falsches Selbstverständnis vor? Wir zögern nicht, die zweite Frage zu bejahen. Deshalb verbiestern wir uns nicht in Problemen, die noch nicht ausgereift sind (Pastorinnenfrage!), sondern geben auch Betrachtungen und Gedichten Raum, die der eilige Leser hoffentlich nicht übersprungen hat. Wir meinen, dabei sollte es bleiben, wollen aber dem Leser das Wort nicht abschneiden. Er kann überzeugt sein, daß alle Anregungen und Wünsche sorgfältig geprüft werden.

LeerAllen, die zur Ausgestaltung dieses Jahrgangs beigetragen haben, danken wir herzlich für ihre Mitarbeit. Auch dem Leser schulden wir Dank. Quatember ist in der beneidenswerten Lage, nicht Herrn Jedermann zu dienen, sondern in seiner Leserschaft ein Gegenüber zu besitzen, das mitdenkt und Kritik übt. Viele Leser haben auch durch persönliche Werbung und Geschenkabonnements für die Verbreitung unserer Zeitschrift gesorgt und sich um sie verdient gemacht. Wir bitten fernerhin um diesen Dienst; denn es wird noch eine Weile dauern, bis weitere Kreise merken, daß die „Evangelischen Jahresbriefe” nicht nur an die Glieder des Berneuchener Dienstes und der Evangelischen Michaelsbruderschaft gerichtet sind, sondern an alle, die sich die Erneuerung und Einheit der Kirche wünschen - um der Welt willen.

Quatember 1964, S. 196

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-12-02
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