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Für Erneuerung und Einheit der Kirche
von Heinz Beckmann

LeerEin erstes Wort sagt sich schwer. Deshalb bin ich dankbar, daß das erste Wort von den Herausgebern des „Quatember” gesprochen wurde, indem sie den Untertitel der Zeitschrift änderten. „Für Erneuerung und Einheit der Kirche” - das ist es, was uns heute aufliegt und leider eher bedrückt als fröhlich macht. Die Erneuerung und Einheit der Kirche ist in Wahrheit eine Aufgabe, die man nur fröhlichen Sinnes oder gar nicht auf sich nehmen kann. Der heute so weit verbreitete Krampf, um jeden Preis etwas Neues und danach alsbald wieder etwas Neues aus eigenem Verstand ersinnen und schaffen zu müssen, hat mit der Erneuerung der Kirche überhaupt nichts zu tun. Das Wort Erneuerung sagt es ja mit aller Klarheit, daß das Neue schon da ist, daß es nur neu ergriffen werden muß.

LeerMit der Einheit der Kirche verhält es sich nicht anders. Sie ist schon da. Sie muß nur entdeckt, ergriffen und gelebt werden. Das „nur” allerdings ist keine Kleinigkeit. Es sind je und je Jahrhunderte vergangen, bis die Christenheit wieder einmal dieses „nur” bewältigt hat. Es wird übrigens in dem Ökumenismus-Dekret des II. Vatikanischen Konzils sehr schlicht und sehr deutlich definiert: „Es gibt keinen Ökumenismus ohne innere Bekehrung.” In diesem einfachen Satz stoßen wir auch auf die unlösbare Verkettung, um nicht zu sagen: auf die Identität zwischen der Erneuerung und der Einheit der Kirche. Solange katholische und evangelische Christen nicht bereit, nicht fähig sind, sich zu dem Neuen, das schon da ist, zu bekehren, werden sie auch die Einheit, die schon da ist, nicht entdecken.

LeerEs wird höchste Zeit, auf die gelebte Kirche zu achten. In ihr wird vieles gegenstandslos, worüber man sich heute die Köpfe zerbricht. Freilich ist die Frage erlaubt, ob denn Kirche in unseren Tagen überhaupt noch gelebt wird. Falls sie nämlich gelebt würde, müßten die Zeitgenossen das sehen, das erfahren, ja geradezu mit Händen greifen können. In einer Zeit, in der sehr viele Menschen gar nicht mehr leben, sondern sich leben, modern gesprochen: sich manipulieren lassen, müßte gelebte Kirche wie ein Sturmwind wirken. Leider plagt man sich jedoch innerhalb der Kirche ständig damit herum, wie man den Menschen heute die Botschaft „in der Sprache unserer Zeit” ausrichten könne. Man vergißt, daß wir ihnen etwas „Neues” auszurichten haben. Wir aber soll etwas wirklich „Neues” sich der abgelebten, ausgedörrten Sprache unserer Zeit bedienen?

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LeerWohl niemals bislang war das Neue Testament einer Zeit so weit und um so viele Dimensionen voraus wie heute. Nur werden die Christen das ihren Zeitgenossen hier und heute nicht ausrichten können, solange sie selbst das noch nicht begriffen haben, solange ihnen also der Mut zur Erneuerung der Kirche fehlt. Wenn es nur von ferne einen Sinn haben soll, daß eine christliche Bruderschaft eine Zeitschrift herausgibt, so kann diese Zeitschrift nichts anderes tun, als das Neue sagen, das schon da ist. Sie kann also nur vorwärts schauen auf das Neue, das unsrer Zeit so weit voraus ist. Und weil dieses Neue schon da ist, darf sie sich dann gern den Vorwurf gefallen lassen, konservativ zu sein. Dies um so mehr, als die Verkündigung des Neuen, das schon da ist, wenn sie nur recht und aus eigener innerer Bekehrung geschieht, ausgesprochen revolutionär sein würde angesichts des Geistes unsrer Zeit. Darum ist bereits in diesem Heft abzulesen, woher ich eigentlich den Mut aufbrachte, die Schriftleitung des „Quatember” zu übernehmen. Das erste und dringlichste Thema war mir dabei sofort „Kirche als Bruderschaft”, und ich bin dankbar, daß ein Bruder aus gelebter Bruderschaft, Pfarrer Hans Eisenberg von der Kommunität Imshausen, sich dieses zentralen Themas künftiger kirchlicher Existenz angenommen hat. Sicher wird es notwendig sein und bleiben, im „Quatember” über diese und jene theologische, kirchliche, gemeindliche und zweifellos auch weltliche Frage der Gegenwart zu handeln (ich sage ausdrücklich nicht „schreiben”), doch sollte „Quatember” in allem, was da zu lesen steht, ein Widerschein gelebter Kirche, gelebter Bruderschaft sein, dies freilich nicht nur für die Brüder und Schwestern im abgezäunten Bezirk, sondern so; „Gehe aus auf die Landstraßen und an die Zäune und nötige sie, hereinzukommen, auf daß mein Haus voll werde.”

LeerVielleicht sollte ich hier noch ein Wort aus persönlicher Erfahrung anfügen, indem ich mich frage, warum ich eigentlich seit eh und je die Zeitschrift „Quatember” gelesen habe. Sicher geschah das aus einer inneren Übereinstimmung mit dem theologischen und kirchlichen Geist dieser Zeitschrift, doch hat mich von Heft zu Heft wohl am meisten der so persönliche Charakter des „Quatember” angezogen. Deshalb liegt mir sehr daran, mitten in einer meist nur noch abstrakt argumentierenden Zeit diesen persönlichen Charakter noch mehr zu beleben. Die Rubrik „Briefe” bedarf einer beträchtlichen Erfrischung. Gerade sie zeigt, wie schlechterdings abhängig ich sein werde von den zutragenden Kräften der Michaelsbruderschaft. Meine besondere Schwäche für den persönlichen Charakter des „Quatember” darf freilich nicht dahin mißverstanden werden, daß wir hier bloß untereinander im Gespräch bleiben sollten. Dies ganz und gar nicht. Das Neue, das schon da ist, wendet sich ja auch ganz persönlich an dich und an mich und will dennoch „allem Volk widerfahren”. Erneuerung und Einheit der Kirche kann kraft innerer Bekehrung nur im einzelnen Menschen, nur in der Bruderschaft beginnen. Darüber darf man allerdings niemals vergessen, daß es die Kirche ist, die dringend der Erneuerung und der Einheit bedarf. Wenn wir fragen, was denn eigentlich „allem Volk widerfahren” soll, so steht in dem Neuen Testament, das heute erst recht ein wahrlich neues Testament ist, ganz einfach zu lesen: „Große Freude”. Falls es uns gelingt, die Aufgabe der Erneuerung und Einheit der Kirche fröhlichen Sinnes anzunehmen, wird „Quatember” eine wahrlich klaffende Lücke unserer Zeit füllen.

Quatember 1972, S. 59-61

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-10-10
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