Symbol   Quatember

Startseite
Inhalt
Inhalt 1972
Autoren
Themen
Stichworte


Rückblick und Dank
von Hedwig Jochmus

LeerAm 27./28. November 1971 kamen die Vertrauensräte der 14 Konventsbereiche des Berneuchener Dienstes wiederum im Berneuchener Haus, Kloster Kirchberg, zu ihrer Jahresversammlung zusammen. Neben der Abwicklung der vereinsrechtlichen Notwendigkeiten wurde in erster Linie ein fruchtbarer Erfahrungsaustausch, ein Von-einander-Lernen, ein Sich-gegenseitig-Hilfe-Geben und ein erneutes Kräftesammeln in den gemeinsamen Gottesdiensten und Mahlfeiern gesucht und gefunden. Die Vorsitzende konnte mit Freuden feststellen, daß auch bisher mit Schwierigkeiten kämpfende Gruppen im letzten Jahr ihren Weg gefunden haben und sich ein reges geistliches Leben in den Konventsbereichen entwickelt hat mit Einkehrwochenenden, Tagestreffen, Hauskreisen, nachbarschaftlichen Konventstreffen und regelmäßigen Messe-Terminen, sehr häufig alles gemeinsam mit den Michaelsbrüdern.

LeerDie jeweils unabhängig voneinander von verschiedenen Konventsbereichen in ähnlicher Weise gleichzeitig behandelten Themen wie „Liturgie als Lebensform der Kirche”, „Grundthesen betreffend den Gottesdienst”, „Gebet”, „Abendmahl in der Tischgemeinschaft” entsprangen dem Grundanliegen der Berneuchener Bewegung, der Arbeit für die Erneuerung der Kirche. In die gleiche Richtung zielten die Fragen, ob die Krise der Volkskirche zu einem Zerfall oder zu einer Neugestaltung, zu neuen Formen kirchlichen Dienstes und kirchlicher Gemeinschaften führe, zu den in immer größerer Zahl entstehenden Bruder- und Schwesternschaften. Die Fragen nach den letzten Dingen, nach Sterben, Tod und Ewigkeitshoffnung, dem Geheimnis der Auferstehung Jesu gaben demselben Anliegen Ausdruck wie die zunehmend behandelten Meditationshilfen für den Alltag. Die große Bedeutung, die der Berneuchener Dienst gerade der seelsorgerlichen Hilfe des priesterlichen Menschen für seinen Nächsten beimißt, ließ das vielfach geführte Gespräch über „die Seelsorge Jesu”, den „Dienst am Kranken”, den „Dienst der Kirche am leidenden Menschen in auswegloser Situation”, erkennen. Daß der Berneuchener Dienst aber nicht in weltfremder Heiligkeit leben und wirken will, bewies die Beschäftigung mit der Konflikts- und Friedensforschung, dem Rassismus und den Antirassismus-Programmen, mit der Denkschrift der EKD zur Frage der Sexualethik, dem § 218 und mit Amnesty International.

Linie

LeerDer seit Jahren bestehende Kontakt mit den evangelischen Kommunitäten - der Berneuchener Dienst nahm auch 1970 und 1971 an den Treffen der Kommunitäten gemeinsam mit der Michaelsbruderschaft teil - führte 1971 zu einem engeren Zusammenwirken bei dem Augsburger ökumenischen Pfingsttreffen. 15 Mitglieder des Berneuchener Dienstes wohnten in Augsburg bei den Englischen Fräulein, den Dominikanerinnen und den Diakonissen und beteiligten sich zum größten Teil zugleich an den dort eingerichteten Foyers, zu denen alle Besucher des Treffens zu Information und Aussprache eingeladen waren. Mitglieder des Berneuchener Dienstes wirkten auch mit an den ökumenischen Morgen- und Mittagsgebeten der Kommunitäten in einer Kloster-Kapelle der Benediktiner. Aus dem hier sichtbar werdenden Strom brüderlicher Gemeinschaft und geistiger Kommunion in Gebet, Meditation, Gotteslob und Fürbitte - worüber leider in der Öffentlichkeit kaum etwas zu hören war - wird auch unsere ökumenische Arbeit in der Zukunft gespeist sein. Wenn wir auch als Berneuchener Dienst nicht wie manche von den Kommunitäten enge Verbindung zu bestimmten katholischen Gruppen haben, so halten doch verschiedene Konventsbereiche, auch einzelne unserer Mitglieder, persönliche Kontakte. Aber auch der Kreis der Kommunitäten kann hinter das Erlebnis von Augsburg nicht wieder zurückgehen und wird seine Basis ökumenisch ausweiten.

LeerIn besonderer Weise beschäftigte die Versammlung die Frage des Helferamtes und der Beichte. Nachdrücklich wies Pastor von Lupin auf die entscheidende Bedeutung des Helferdienstes für das innere Wachstum und die innere Gesundheit unserer Gemeinschaft hin. Für alle, die sich an unserem geistigen Leben beteiligen, sei es notwendig, einen Helfer zu haben, der durchaus nicht immer ein Mann sein müsse; auch Frauen können diesen Dienst ausüben und tun es bereits. Die Helfer sollten auch die ihnen Anvertrauten zur Beichte führen zum Wohle der geistlichen Gesundheit des einzelnen wie auch der Gemeinschaft, unabhängig davon, daß die „Beichtwelle” in der evangelischen Kirche rasch wieder abebbte, wohl weil die Menschen zur Zeit mehr Psychotherapie und Beratung als Seelsorge und Beichte suchen.

LeerFür Kirchberg, das diakonische Werk der Berneuchener, wo den gehetzten Menschen unserer Zeit in der Stille und im Rhythmus der Tagzeitengebete seelsorgerliche Hilfe angeboten wird, haben auch im abgelaufenen Jahr viele Mitglieder ihre Liebe durch tätige Hilfe im Büro oder im Haus bezeugt. Erhebliche finanzielle Opfer wurden für die Ausgestaltung der so lange durch den Umbau entbehrten Beichtkapelle und des neu geschaffenen Meditationsraumes erbracht. Im Arbeitskreis „Haus der Stille in Kirchberg” haben sich Berneuchener Dienst und Michaelsbruderschaft gemeinsam intensiv um die stillen Zimmer und den stillen Speisesaal bemüht. Als besondere Aufgabe für den Berneuchener Dienst wurde für die nächste Zeit die Sorge um die Stärkung der die Tagzeitengebete tragenden Hausgemeinde gesehen, da es immer schwieriger wird, eine ausreichende Zahl von Haustöchtern zu gewinnen, die sich auch mit dem Geist des Hauses verbunden fühlen.

Linie

LeerIn der Messe am Sonntag gedachten wir der vielen im abgelaufenen Jahre heimgegangenen Mitglieder. Am Nachmittag wurde in Stuttgart eine besondere Gedächtnismesse für Bruder Arthur Sommerlatt gehalten, den früheren langjährigen Schatzmeister des Berneuchener Dienstes. Die dabei von Pastor v. Lupin gehaltene Predigt lassen wir nun folgen, um auch hier unseren Dank für alle Hilfe und das Verständnis, das er unseren Anliegen in so hohem Maße stets entgegengebracht hat, zum Ausdruck zu bringen:

Leer„Wir haben die Freiheit zum Eingang in das Heilige durch das Blut Jesu (Hebr. 10, 19). - Das griechische Wort Parrhesia steht als Fremdwort in unserem Duden. Parrhesia ist ein begeisternd schönes Wort: Wir, die wir eingesperrt sind in den Käfig dieser Welt, in den Käfig unseres eigenen Ich, haben durch das Blut Jesu, durch sein Opfer, eine weit geöffnete Tür, und durch diese Tür schreiten wir frohgemut in die Freiheit der Gegenwart Gottes. Parrhesia ist eine innere, heitere, beglückende Freiheit. Arthur Sommerlatt hat diese Parrhesia geradezu verkörpert, und deshalb hatte sein Wesen so eine wunderbare, wärmende und leuchtende Strahlkraft. Mit seiner Parrhesia war er ein Vater des Bundes deutscher Jugendvereine und ein Vater seiner Gemeinde Friedberg bei Augsburg, die er als Nichttheologe in notvoller Zeit fünf Jahre geführt und zusammengebracht hat. Mit seiner Parrhesia war er ein Vater im Berneuchener Dienst. Mit seinem väterlichen Herzen, seiner heiteren Offenherzigkeit und Güte hat er in der Stille gewirkt. Auch und gerade als Schatzmeister hat er zum Selbständigwerden des Berneuchener Dienstes und zur Zusammenführung von Michaelsbruderschaft und Berneuchener Dienst zu echter Partnerschaft wesentlich beigetragen. Entschlossen und offenherzig hat er sich für ein Offensein der Bruderschaft gegenüber den Bruderfrauen und den Frauen des Berneuchener Dienstes eingesetzt.

LeerWie kein anderer hat er mir Mut gemacht, in der Leitung des Berneuchener Dienstes das großartige, aber auch belastende Erbe der Väter zu übernehmen und etwas Neues anzufangen. Jede Begegnung mit ihm und seiner Frau, zumal daheim im Willsbacher Haus, war erquickend, beglückend und ermutigend. Für viele war und bleibt die wärmende und leuchtende Strahlkraft seines Wesens hilfreich und heilsam. Überschwenglich war seine Freude, als er nach den ersten Vorboten des Todes eine Fülle von Zuneigung und Opferbereitschaft der Seinen erlebte. So überstrahlten Freude und Dankbarkeit die letzte Zeit seines Lebens. Arthur Sommerlatt hatte die Parrhesia, die fröhliche Freiheit zum Eintritt in die Heiligtümer, in denen wir den Anbrach der neuen Schöpfung erfahren und preisen. Damit hatte er auch die Parrhesia zum Eingang in das ewige Heiligtum, zumal als Neunzigjähriger. Er hatte diese Parrhesia durch das Blut Jesu. Als ein durch Christi Opfer Erlöster lebte Arthur Sommerlatt im Heiligtum und vom Heiligtum aus. So ist er, auch und gerade als Nichttheologe, ein Priester gewesen. Seinen priesterlichen Dienst danken wir ihm und danken ihm Ungezählte aus den verschiedenen Epochen seines Lebens. Der Priester Arthur Sommerlatt hat viele durch seine Parrhesia und seine väterliche Liebe hingeführt zu dem einen Hohenpriester Jesus Christus.”

Quatember 1972, S. 101-104

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-10-10
Haftungsausschluss
TOP