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von Sigisbert Kraft |
Die Geschichte vom Propheten Elia unter dem Ginsterbusch in der Wüste, im 1. Buch Könige, 19 (1-8), erweist sich in der heutigen Stunde der Kirche als ein höchst bedenkenswerter biblischer Text. Der Prophet ist am Ende. Er ist in Angst geraten, glaubt seine Sache verloren, will wenigstens sein eigenes Schäflein ins Trockene bringen, sein eigenes Leben retten - und dann nicht einmal mehr das. Alles steht ihm bis oben hin. Er möchte den ganzen Bettel hinwerfen und das, obwohl er doch eigentlich weiß, daß „die Hand des Herrn über ihm” ist, daß er in SEINEM Auftrag handelt, nicht seine eigene Sache vertritt, sondern die des HERRN.
Er sagt dies auch - und er sagt es dem Herrn! - in nicht zu überbietender Deutlichkeit. Er bekommt Antwort, Zeichen und Stärkung: den gerösteten Brotfladen und den Krug Wasser - aber auch den Hinweis, daß er noch einen weiten Weg vor sich habe und die Mahnung, aufzustehen. Er steht auf und wandert „in der Kraft dieser Speise”, in der neugeschenkten Kraft für den je neuen Schritt, die endlos lange Strecke bis an sein Ziel. Krise der Kirche; verlorene Wirklichkeitswerte des Glaubens; Stagnation dort, wo noch vor wenigen Jahren Aufbruchsstimmung herrschte; nachökumenisches Zeitalter; Initiativen von unten und selbst Gesprächsergebnisse oben, liegengeblieben auf Schreibtischen oder in Kühltruhen kirchlicher Oberinstanzen - so und ähnlich lauten die Etikettierungen unserer Resignation. Und das alles, obwohl wir doch genau so gut wie der Prophet wissen müßten, daß es nicht um unsere Sache geht, sondern um die des Herrn, wissen müßten, daß über unserem Auftrag Seine Verheißung steht: Über dem Auftrag der Kirche; über dem Auftrag, das Versprengte zu sammeln, über dem Auftrag, „daß alle eins seien”. Wir müßten wissen, daß Seine Verheißung selbst den nur noch Zwei oder Drei zugesagt ist, die sich in Seinem Namen (nicht in ihrem!) versammeln und angesichts derer wir oft meinen, es rentiere sich nicht oder nicht mehr! Bescheidene Zeichen: Es kann sein, daß uns mit einem Mal die Augen aufgehen für ebenso einfache wie wichtige Dinge, die wir in unserer ungesunden Weitsichtigkeit übersehen haben. Es kann sein, daß wir auf die unmittelbare Nächstenliebe verwiesen werden, die oft viel schwerer ist als die zum fernen Nächsten, der uns weniger Probleme aufgibt, weil wir mit ihm nicht in Tuchfühlung leben. Es kann sein, daß wir erfahren: Die Adressaten unseres Auftrages sind nicht die Fortgeschrittenen, unsere Zielgruppe ist nicht die Avantgarde, sondern die glimmenden Dochte und die geknickten Rohre . . . Quatember 1973, S. 1-2 |
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