Symbol   Quatember

Startseite
Inhalt
Inhalt 1973
Autoren
Themen
Stichworte

Adolf Köberle zum 75. Geburtstag
von Walter Uhsadel

LeerDie Evangelische Michaelsbruderschaft hat in den ersten Jahren ihres Bestehens bereits den Entschluß gefaßt, einen Mann, der in der kirchlichen und theologischen Öffentlichkeit Vertrauen genießt, zu bitten, sich ihr als Kurator zur Verfügung zu stellen. Der erste Kurator war der hannoversche Bischof D. Marahrens. Ihm folgte nach dem Kriege D. Adolf Köberle. Während Marahrens mit großem Wohlwollen, aber doch in einer kirchenfürstlichen Distanz den Weg der Bruderschaft begleitete und seine schützende Hand über sie hielt, war der zweite Kurator von ganz anderer Art.

LeerEr stand sogleich mitten unter den Brüdern und tat seinen Dienst sozusagen von innen her unauffällig und anspruchslos. Wo es aber nottat, konnte er auch kämpfend für sie eintreten. Ich entsinne mich, daß er mir, als wir bereits Tübinger Kollegen waren, den Entwurf einer Rede vorlegte, die er vor einem leitenden kirchlichen Gremium halten sollte, und mich bat, ihn kritisch zu beraten. Er versuchte mit großer Sorgfalt alle kritischen Einwände gegen die Bruderschaft zu entkräften. In welchem Maße er erfolgreich war, weiß ich nicht mehr, aber es ist wohl so, daß der Wall von vorgefaßten Meinungen und Emotionen schwer zu durchbrechen ist. Das hat die Bruderschaft seit Beginn erfahren, und es wird so bleiben. Eben darum aber ist es gut, wenn sie einen Kurator hat.

LeerLange bevor ich Köberle persönlich begegnete, erzählte mir Wilhelm Stählin (Ende 1931), daß er ihm einen Besuch bei Karl Barth, der damals Professor in Münster war, vermittelt und ihn als einen jungen Theologen vorgestellt habe, der Luthertum, Pietismus und Jugendbewegung in sich vereinige. Das war Karl Barth nicht gerade sympathisch. Dennoch verlief der Besuch in freundlicher Atmosphäre. Die Charakteristik war treffend. Sie zeigt, warum Adolf Köberle prädestiniert war, später das Amt des Kurators der Michaelsbruderschaft zu übernehmen. Die Bruderschaft war trotz ihrer ökumenischen Offenheit stark von Luther bestimmt, wenn auch weniger vom traditionellen Luthertum etwa des 19. Jahrhunderts. Eben darum ging es Köberle auch in seinem großen Werk, mit dem er seine wissenschaftliche Laufbahn begann: „Rechtfertigung und Heiligung” (1929), die auch in französischer, englischer und japanischer Übersetzung erschien.

LeerDas Wort Heiligung im Titel dieses Buches weist darauf hin, daß Köberle auch ein tätiges Frömmigkeitsleben wichtig war. Das zeigt sich auch in seinem Buche über „Das Glaubensvermächtnis der schwäbischen Väter” (1959). Wenn nun auch die Michaelsbruderschaft nicht als pietistisch bezeichnet werden kann, so war sie doch auf ihren Wegen darauf bedacht, das Frömmigkeitsleben der Brüder zu gestalten und zu festigen. Und schließlich: Köberle und die Bruderschaft sind nicht zu verstehen, ohne den Aufbruch der Jugend am Anfang dieses Jahrhunderts. Die christliche Jugendbewegung suchte ein neues Verständnis der Kirche im Denken und in der religiösen Verpflichtung. In der Person Köberles verband sich dies Bemühen mit der wissenschaftlichen Arbeit seines großen Lehrers Karl Heim, dessen Nachfolger in Tübingen er 1939 wurde.

LeerIn diesen drei Bereichen konnte sich Köberles besondere Gabe der Einfühlung in das Leben und Denken anderer bewähren. Darum freilich konnte er sich auch weder mit einer Theologie der Diastase, noch mit einer bloß existentialen Interpretation der biblischen Botschaft befreunden. Das hat ihm das Leben als Gelehrter nicht leicht gemacht, doch er hat es beharrlich durchgestanden. Sehr verschiedene Kreise der Christenheit schenkten ihm dafür ihr Vertrauen, und in den Kreisen der Psychotherapie und Naturwissenschaften, besonders in der „Gemeinschaft Arzt und Seelsorger” war und ist er ein begehrter Mitarbeiter.

LeerAls ich 1957 Carl Gustav Jung in seinem berühmten Turm in Bollingen besuchte, der schon lange kein Turm mehr ist, sondern ein eindrucksvoller Gebäudekomplex, sagte Jung beim Abschied: „Sie haben doch in Tübingen einen Kollegen, der für die Tiefenpsychologie sehr aufgeschlossen ist... ja, richtig, Köberle ... ein guter Mann, grüßen Sie ihn von mir.”

LeerWir grüßen den guten Mann, der am 3. Juli seinen 75. Geburtstag feierte, und freuen uns, daß der einstige Kurator jetzt Bruder unter Brüdern ist, was er dem Sinne nach von Anbeginn war. Wir hoffen, uns noch manches Jahr an seinem stillen Mitwirken und Mitleben freuen zu können.

Quatember 1973, S. 175-176

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-03-24
Haftungsausschluss
TOP