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IEF tagte in Jugoslawien
von Monika Lipps

LeerDer Geist der Ökumene ist den Christen in Jugoslawien nicht unbekannt. Nachdem fast 1000 Jahre lang die römischen Katholiken und die Orthodoxen nebeneinander her gelebt und sich gegenseitig befehdet hatten, entstand in der Mitte des 19. Jahrhunderts eine pionierhafte ökumenische Bewegung, die vor allem von dem katholischen Bischof des kroatischen Diakovo, Josip Stroßmajer, und dem orthodoxen Erzbischof, Dichter und Staatsmann von Montenegro, Peter Njegos, ins Leben gerufen und getragen wurde. Dieser frühe jugoslawische Ökumenismus stand unter dem Einfluß des großen russischen Religionsphilosophen Solowjew, der in einem regen geistigen Austausch mit Stroßmajer stand und für den die umfassende („katholische”) Kirche beides zugleich war: römisch und orthodox. In den folgenden Jahrzehnten verschärften sich zwar wieder die konfessionellen Spannungen und schlugen sich bisweilen in menschlichen Tragödien nieder. Aber der versöhnliche Geist von Stroßmajer und Njegos blieb lebendig und wirkte wie ein Stachel im Fleisch. Besonders nach dem Zweiten Weltkrieg kam es da und dort zu beispielhafter gegenseitiger Hilfeleistung. Eine ökumenische Arbeit, die sich von der Politik fernhält, wird gegenwärtig in Jugoslawien toleriert. In realistischer Abschätzung der Situation hat man jedoch erkannt, daß eine dauerhafte Weiterentwicklung des Ökumenismus nur in der Kooperation mit den Christen anderer Länder gewährleistet ist. So entstand unter dem Einfluß der International Ecumenical Fellowship (IEF), über die wir bereits in Heft 1/1973 berichteten, vor wenigen Jahren St. Symeon's House in York/England. Dort erfahren serbisch-orthodoxe Theologiestudenten der Belgrader Fakultät unter der Leitung des russisch-orthodoxen Archimandriten Rodzianko ihre religiöse Ausbildung und halten ihre täglichen Gottesdienste, während sie im übrigen die römischkatholische Schule besuchen, ökumenische Theologie studieren und das Leben der westlichen Kirchen kennenlernen. Nach ihrer Ausbildung kehren sie in ihre Heimat zurück, um dort in ökumenischem Geist zu wirken. Der Gedanke, eine Konferenz der IEF in Jugoslawien stattfinden zu lassen, ist zuerst in St. Symeon's House erwogen worden.

LeerNach langwierigen Verhandlungen war es schließlich möglich, daß die Fünfte Internationale Konferenz der IEF vom 3. bis 10. September 1973 in Vodice/ Sibenik stattfinden konnte. Sie stand unter dem Thema: „Die Fülle Christi”. Die Teilnehmer, etwa 180 an der Zahl, waren wieder Christen aus den verschiedensten Kirchen. Es waren unter ihnen Angehörige von religiösen Gemeinschaften, Theologen, Geistliche, Laien, Jugendliche und Erwachsene jeder Altersgruppe. Sie kamen aus den USA, aus Kanada, England, Norwegen, Schweden, Deutschland; aus der Schweiz, aus Holland, Belgien, Frankreich, Spanien. Dazu gesellte sich ein älterer Teilnehmer aus der DDR. Aus Jugoslawien selbst nahmen sechs orthodoxe Geistliche und Diakone teil. Bei besonderen Gelegenheiten waren der serbisch-orthodoxe Bischof von Dalmatien, Stefan, und der römisch-katholische Bischof von Sibenik Josip Arneric, die beiden Schlüsselfiguren der Konferenz, anwesend. Es war nicht ganz leicht, inmitten eines stark besuchten Hotels die für die Konferenz erforderliche Sammlung zu gewinnen, und unter der Last ungewohnter Hitze mußte sich jeder einzelne Teilnehmer den persönlichen Einsatz abringen. Im Hotel war die Einrichtung einer Notkapelle für die biblischen Meditationen am Morgen und das gemeinsame Gebet am Abend erforderlich. Doch die kargen und beschwerlichen Umstände ließen die Konferenz nicht ärmer, sondern eher tiefer und ernsthafter werden. Das innere Zentrum der Geistlichen Woche bildete die Feier der Eucharistie, die Anglikaner, Katholiken, Lutheraner und Orthodoxe an verschiedenen Tagen hielten. Auch wenn eine volle Teilnahme nicht immer und nicht allen möglich war, so wurde dennoch die tiefe Gemeinschaft des Glaubens an die wirkliche Gegenwart des Herrn Jesus Christus überzeugend erfahren. Daß die Anglikaner in der Kathedrale des Bischofs von Sibenik und die Lutheraner in der katholischen Pfarrkirche von Vodice ihre Liturgie halten konnten, wurde als eine Geste ökumenischer Gesinnung gewertet. Für die Bevölkerung bedeutete dies ein ganz ungewöhnliches Ereignis. Sowohl die persönliche Anwesenheit des katholischen und des orthodoxen Bischofs bei der anglikanischen Liturgie als auch die Teilnahme des orthodoxen Bischofs an der Messe seines katholischen Amtsbruders - und umgekehrt - waren Zeichen für einen Durchbruch, dessen Auswirkungen noch nicht ermessen werden können. Die Gottesdienste waren die fast einzige Kontaktstelle zu einheimischen Christen, die in nicht geringer Zahl gekommen waren, um teilzunehmen am gemeinsamen Lobpreis. Die im Glauben gründende Verbundenheit aller „verleiblichte” sich während der Messe der Lutheraner beim Weitergeben des Friedensgrußes in einem schlichten Händedruck, während bei der Lichtfeier des Abschlußgottesdienstes in der bis auf den letzten Platz gefüllten Kathedrale von Sibenik jeder einzelne Teilnehmer eine brennende Kerze trug: Ausdruck gemeinsamer Verantwortung in dunkler und bedrängter Zeit.

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LeerDer Gottesdienst in der orthodoxen Himmelfahrtskirche von Sibenik entfaltete sich in der ganzen Fülle des byzantinischen Ritus. Das mehrstimmige Singen der Responsorien und Hymnen übernahmen abwechselnd ein jugoslawischer Männerchor und ein gemischter Chor, bestehend aus Konferenzteilnehmern, die mit großer Freude und innerem Engagement diese für sie ungewohnte Aufgabe bewältigten. Der zweite Schwerpunkt der Konferenz lag bei der theologischen Besinnung auf das Thema: „Die Fülle Christi”. Dieses wurde von Vertretern verschiedener Konfessionen behandelt: J. P. Gabus, Paris (reformiert): Biblischer Aspekt der Fülle Christi, Michael Stancliffe, Winchester (anglikanisch): Die Fülle Christi im Lichte der abendländischen Tradition, Wilhelm Breuning, Bonn (katholisch): Meditation über die Fülle Christi, Jovan Pavlowic, Kloster Krka (orthodox) : Die Fülle der Einheit in Christus in der mystischen Theologie der orthodoxen Kirche. - Der biblische Begriff „Fülle Christi” erschien in hohem Maße geeignet, die Besonderheiten der einzelnen Konfessionen tiefer zu erfassen und Verständnisschwierigkeiten abzubauen, die besonders die Spiritualität der Orthodoxie nicht wenigen Konferenzteilnehmern immer wieder bereitet. Die Arbeitskreise der Konferenz konnten jedoch nur Beginn eines vertiefenden und aneignenden Gesprächs sein, das in regionalen Gruppen weitergeführt werden muß, wenn die vorgetragene Gedankenfülle zum Tragen kommen soll.

LeerUm Gottesdienst und Theologie gruppierte sich als dritter Schwerpunktbereich die Begegnung mit Zentren christlichen Lebens in Jugoslawien. Der Besuch der katholischen Franziskanerinsel Visovac im Krkafluß als auch des orthodoxen Klosters und theologischen Seminars Krka wurde für die Einheimischen wie für die Konferenzteilnehmer zu einem ökumenischen Ereignis. Als die Schiffe an der Insel Visovac anlegten und als man bei glühender Hitze nach beschwerlichem Marsch über steinige Wege in bischöflicher Begleitung das abgelegene Krkakloster endlich erreichte, läuteten Glocken zur Begrüßung. Die überreiche Gastfreundschaft der Mönche und die jugoslawischen Gesänge gaben dem Treffen einen besonderen Rahmen. Die innere Weite des Apostel Paulus, der auf einer seiner Missionsreisen in Krka das Evangelium gepredigt haben soll, und des heiligen Franz von Assisi, des geistigen Vaters der Mönche von Visovac, wurde als Antrieb und Verpflichtung auf dem Weg zu größerer christlicher Einheit empfunden. Die beiden Bischöfe Stefan und Josip begegneten sich als Brüder wie nie zuvor: immer wieder brachten sie zum Ausdruck, daß die Konferenz „ein Zeichen des Wirkens Gottes unter uns” darstellt und einen Anfang, hinter den es kein Zurück mehr gibt. „Von Herzen bin ich ein Ökumenist; es ist Sünde, heute kein Ökumenist zu sein”, sagte Bischof Josip.

LeerDie Internationale ökumenische Konferenz in Vodice war alles andere als triumphal: kleine Herde inmitten einer weitgehend anders denkenden Umwelt, vergleichbar der urkirchlichen Situation. Der Blick auf das Kreuz bestimmte die Tagung ebenso wie die Besinnung auf die Fülle Christi. In der Meditation von Professor Breuning wurde die Klammer zwischen beiden sichtbar: „Der Engpaß des Kreuzes ist der Weg in die Fülle Christi”. Kein Wunder, daß beim Fehlen aller äußeren Großartigkeit um so mehr die Erfahrung geistlichen Lebens und christlicher Brüderlichkeit möglich wurde. Für die katholischen und orthodoxen Christen in Jugoslawien dürfte sich die Konferenz auswirken als Stärkung des Glaubens und als Ermutigung zu ökumenischer Gemeinsamkeit. Bischof Stefan bezeichnete sie jedoch auch „als Beitrag für solche, die nicht glauben”. Jedenfalls dürfen die Kontakte zu den Christen dieses Landes nicht mehr abreißen. Es war eine gute Idee des anglikanischen Dean Stancliffe, die beiden Bischöfe nach Winchester einzuladen. Nun bleibt zu hoffen, daß der Besuch in absehbarer Zeit realisierbar wird. „Mein Bruder Josip und ich - wir werden uns Ihnen allen gegenüber so lange in Schuld fühlen, bis wir den Gegenbesuch in Winchester gemacht haben”, sagte Bischof Stefan beim Abschied.

LeerDie nächste Konferenz wird unter dem Thema: „Gott, unser Vater” vom 2. bis 9. September 1974 in Dinari/Bretagne stattfinden.

Quatember 1974, S. 42-45

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-12-12
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