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Konfirmation in der DDR
von Hedwig Jochmus

LeerBei meinem letzten Besuch in der DDR kam ich gerade in die Zeit der Jugendweihen, die in allen Orten in den Gaststätten in großem Familien- und Freundeskreis gefeiert wurden. Die an Zahl gewiß geringen Konfirmationen waren bereits vorüber. Aber Hochachtung vor denen, die diesen Schritt noch gewagt hatten, vor den Eltern wie vor den Kindern. Die Eltern wurden vorher offiziell besucht und aufgefordert, die Kinder nicht mehr in die Christenlehre zu schicken und vor allem die Konfirmation zu unterlassen. Anderenfalls sei kein Besuch der Oberschule und kein Studium für die Kinder möglich. Da half auch keine zusätzliche Jugendweihe mehr wie in früheren Jahren. Im Dom zu Zwickau verlas der Superintendent hierzu eine Verlautbarung, die nach einem einmütigen Beschluß der sächsischen Landessynode an diesem Sonntag und am 1. Pfingstfeiertag in den Kirchen verlesen wurde. Darin wurde eindeutig erklärt, daß das Vorgehen der staatlichen Gewalt verfassungswidrig sei. Denn nach der Verfassung von 1968 hat jeder Bürger der DDR das Recht, sich zu einem religiösen Glauben zu bekennen und religiöse Handlungen auszuüben. Zugleich hat jeder das gleiche Recht auf Bildung, und die Bildungsstätten stehen jedermann offen. Die Kirche werde Hilfestellung leisten, soweit dies in ihrer Macht liege. Es sei aber wohl der Weg, wie man heute sein Kreuz auf sich nehme, wenn man bewußt durch die Konfirmation einen angestrebten Bildungsweg aufs Spiel setze. Als aus dem goldenen Westen kommender Gast, der weiß, wie die Konfirmation dort vielfach nur als etwas nun eben Übliches mitgemacht wird, fühlte ich mich zutiefst erschüttert und beschämt.

LeerDort, wo ich zu Besuch war, hatte eine Konfirmation gerade stattgefunden, von Eltern und Tochter freudig bejaht trotz aller damit verbundenen Konsequenzen. Nur die Möglichkeit eines Sozialberufes wird dem Mädchen, das sehr begabt ist, nun bleiben. Genauso wie es Martina Stein in der Deutschen Zeitung vom 26. Oktober 1973 in ihrem Artikel „Das schwere Leben der Familie Kramer” schildert. Susanne wollte Ärztin werden, „weil ich überzeugt bin, daß dies der rechte Weg ist für mich, den Menschen zu helfen”. Stattdessen steht sie, die das Abitur noch - als einzige mit Auszeichnung - bestehen konnte, in einer Schwestern-Ausbildung, während die ändern, die schlechter abgeschnitten haben, sich aber allein für die Jugendweihe entschieden, studieren können.

LeerEin hier bei uns zu Besuch weilender Pfarrer aus der DDR bestaunt wohl, vielleicht ein wenig neidisch, wie viele Jungen und Mädchen in Sonntags-Gottesdienst in den Konfirmanden-Bänken sitzen. Aber was er sieht, ist doch eher eine Fata morgana, die sich weitgehend verflüchtigen würde, wenn hier auch nur annähernd ähnliche Erschwernisse bestünden wie bei ihm zu Hause. Für wie viele dieser jungen Menschen - das Gleiche gilt natürlich auch für deren Eltern - ist denn Christus noch wirklich „der Weg und das Leben”, wozu sie sich freudig bekennen, auch wenn ihnen daraus Nachteile entstehen? Sicher hat der kürzlich im Fernsehen gezeigte Film „Sieben Tage” aus dem Wochentagebuch eines Pfarrers vieles einseitig übertrieben. Aber, wenn die Kinder vor der Kamera deutlich aussprachen, an der Konfirmation interessiere sie nur das, was sie geschenkt bekommen, so ist daran doch leider sehr viel Wahres. Dazu kommt dann das Votum der Gesellschaft, die es im allgemeinen doch noch für selbstverständlich hält, daß man sich den traditionellen kirchlichen Feiern nicht entzieht. Und warum eigentlich auch? Niemand übt einen Gegendruck aus, wie ihn der kleine Bruder der Susanne Kramer von seinen Schulkameraden auszustehen hat, weil er als einziger die Christenlehre weiter besuchen möchte.

LeerDie Lauheit, die Gleichgültigkeit der großen Zahl unserer westlichen „Christen” ist das Erschütternde und Beschämende. Sicher ist auch in der DDR die Zahl der Standhaften klein. Aber ich befürchte, daß sie unter den gleichen Bedingungen im Westen noch kleiner sein würde. Noch sind ja hier alle Möglichkeiten religiöser Unterweisung und Ausübung gegeben, wenn auch nicht immer der rechte Gebrauch davon gemacht wird. Aber werden sie auch immer in der rechten Weise angeboten? Ich höre von vielen Eltern Klagen über den Religionsunterricht in den Schulen und auch über Konfirmationsstunden, die eher dazu angetan sind, auch noch die Gutwilligen und Aufnahmebereiten aus der Kirche zu vertreiben.

LeerAber ich will nicht nur Vorwürfe gegenüber anderen erheben. Ich habe mir gerade bei dem Erlebnis in der DDR ernst die Frage gestellt, wie würdest du selbst in einer solchen Lage reagieren. Wäre dein Glaube stark genug, der Versuchung des bequemen Nachgebens zu widerstehen? Wer kann schon von sich mit Sicherheit sagen, daß er die Bewährungsprobe bestehen wird?

Quatember 1974, S. 56-57

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-12-12
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