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von Wilhelm Schmidt |
Fremdwörter geziemen einer Sprache durchaus: sie sind so etwas wie Nachbarschaftshilfe und sollten darum nicht ohne Dank gelassen werden. Aber vor ihrem Gebrauch muß doch auch gewarnt werden - nicht vom Sprachputzteufel, sondern nach gemachter Erfahrung: man kann sich dabei, wie beim Kopfrechnen, leicht irren. Derzeit ist der Stand der Dinge so, daß man sich schon fast darauf verlassen kann: wenn einer „prägnant” sagt, meint er „präzise” (Nachprüfung erbrachte das abenteuerliche Ergebnis, daß hier das deutsche Wort „prägen” dem lateinischen praegnas oder praegnans = „schwanger” seinen Sinn aufzudrängen im Begriffe steht); wenn einer „psychologisch” sagt, meint er „psychisch”. (Überhaupt scheint die Bildung mit „-logisch” die Neigung zu haben, der Logik als der „Kunst des Ausdrucks” ein Schnippchen zu schlagen.) Meint einer, es sei etwas „ganz und gar” im Spiele, und hat er die Neigung, sich fremdwörtlich auszudrücken, möchte er wohl „total” sagen - aber er sagt „global”! Denn das ist nun wohl nicht mehr zu ändern: nachdem die Befahrenheit des Weltraums alltäglich geworden ist, scheint zum Ausgleich dafür Alltägliches das Beiwort „global” zu benötigen. Man hörte schon von „globaler Streichung von Zuschüssen” (fuhr vielleicht durch den Bezuschussungsantrag ein Komet mit Schweif?) - doch auch von einer „globalen Genehmigung des Oberammergauer Passionsspieltextes” (doch nicht etwa in Ermangelung einer himmlischen?). Nunmehr aber ist „globale Kritik” angemeldet worden: worauf wird man gefaßt sein müssen? Werden Kritiker - stärkere Atlasse! - mit Erdbällen um sich werfen, oder meint das starke Wort, da globus ja wohl von gleba „die Erdscholle” kommt, ganz schlicht „Bewurf mit Dreck”?. (Nur noch hinter der Hand sei bemerkt: wenn einer „entmythologisieren” sagt, meint er etwas, das man allenfalls „demythisieren” nennen könnte; wenn einer „antiautoritär” sagt, meint er meist nur „inautoritär” (denn was „ohne” ist, muß nicht schon „gegen” sein). Gewiß kann man, wenn man sich schwierig ausdrücken will, „einen Kontext integrieren”: wenn er vorher verletzt war durch Herausbruch eines integrierenden d. h. wesentlichen Bestandteils. Oder andererseits: es kann auch ein aus dem Zusammenhang geratenes Teilstück durch Einfügung ins Ganze wieder zu seinem vollen Wesen gebracht und also - in des Hermes Namen - „im Kontext integriert” werden. Der Vermutung des politischen Kommentators einer anspruchsvollen Zeitung: „Der rechte Flügel der Freien Demokraten wird nur dann wieder in die Partei zu integrieren sein, wenn ...” kann man also, auch ohne Prophet und Politiker zu sein, getrost genau antworten: und wenn was auch immer geschieht - dieses nicht! Man kann ein krankes Huhn (kranke Hühner schleppen die Flügel) heilen; man kann einer Windmühle einen neuen Flügel einsetzen - aber niemals in eine Partei weder ihren rechten noch ihren linken oder (wenn es sich um so etwas wie einen Maikäfer handelt) einen Deckflügel integrieren. Intakt ist eine Partei - wie eine Windmühle - wenn sie ihre Flügel noch hat, und integer, wenn sie die Spannweite ihrer Flügel aushält; denn man sollte meinen, auch bei einer Partei seien, wie bei einem Maikäfer, die Flügel integrierende Bestandteile. Und ihre Integrität wird sie nur dann behaupten können, wenn ihr auch sonst nichts anzuhaben ist. Kurzum: man wird sich bald darauf verlassen müssen, daß einer, wenn er ein Fremdwort gebraucht, nicht mehr sagt, was er meint - oder aber der Verdacht verdichtet sich, ein Fremdwort deute an, daß einer nicht genau wisse, was er meine - rühmlich ausgenommen Frau Meyerdiercks, welche (im Philharmonischen mit Menuhin) ihrer Nachbarin Frau Bremermann zuflüsterte: „Dascha'n ganz erheblichen Vitriosen!” Sie wußte wenigstens, was sie meinte. Quatember 1974, S. 61-62 |
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