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„Wesentliche Übereinstimmung” zwischen Rom und Canterbury
von Reinhard Mumm

LeerPater Johannes Lütticken von der Benediktiner-Abtei St. Matthias in Trier, bekannt als eifriger Förderer der International Ecumenical Fellowship, hat das Verdienst, uns in deutscher Sprache mit zwei wichtigen Dokumenten vertraut gemacht zu haben, mit der „Windsor-Erklärung” über die Eucharistie und der Erklärung von Canterbury über Amt und Ordination vom 13. Dezember 1973. Die Herderkorrespondenz brachte beide Texte und kommentierte sie (Heft 2/1974). Es handelt sich, ähnlich wie bei anderen wichtigen Dokumenten zum gleichen Thema, um das Arbeitsergebnis einer kirchlichen Kommission. Den Vorsitz führten in diesem Fall der römisch-katholische Bischof Alan C. Clark von Elmham (England) und der anglikanische Bischof H. R. McAdoo von Ossory (Irland).

LeerVerhandlungen zwischen Rom und Canterbury berühren uns nur mittelbar. Ihre Ergebnisse gehen in erster Linie das Verhältnis zwischen römischen Katholiken und Anglikanern in aller Welt an. Aber sie sind sehr zu beachten in dem Geflecht der vielseitigen verbindlichen Gespräche in der Weltchristenheit. Was Anglikaner und Katholiken gemeinsam über die Eucharistie und das Amt sagen können, steht in einem nahen Verhältnis einerseits zu den Ergebnissen der Gespräche zwischen dem römischen Einheitssekretariat und dem Lutherischen Weltbund die im „Malta-Report” ihren Niederschlag gefunden haben, andererseits zu den in Pullach bei München abgeschlossenen Gesprächen zwischen anglikanischen und lutherischen Theologen. Diese Ergebnisse und weitere wichtige Dokumente sind leicht greifbar in den Bänden „Luthertum und Katholizismus im Gespräch” (herausgegeben von Harding Meyer) und „Eucharistische Gastbereitschaft” (Heft 11 unserer Reihe „Kirche zwischen Planen und Hoffen”).

LeerDer hier vorgelegte Bericht beschreibt in dem Dreieck Rom-Canterbury-Wittenberg (oder Genf als Sitz des Lutherischen Weltbundes) die Verbindungslinien zwischen Rom und Canterbury und ergänzt damit die genannten Veröffentlichungen. Die Erklärung über die Eucharistie wurde von der katholisch-anglikanischen Kommission um die Jahreswende 1971/72 abgeschlossen. Sie befaßt sich mit dem Geheimnis der Eucharistie, dem Opfer Christi und mit der besonderen Art seiner Gegenwart im Sakrament. Im protestantischen Raum ist das dem Neuen Testament entnommene griechische Wort Eucharistie trotz allen ökumenischen Gesprächen immer noch recht unbekannt. Man spricht in unseren evangelischen Gemeinden weiterhin fast unverändert nur vom heiligen Abendmahl. Für Katholiken und Anglikaner ist der Name Eucharistie „der am allgemeinsten akzeptierte Ausdruck”. Die „Messe” tritt dem gegenüber zurück. Wir sollten innerhalb der Evangelischen Michaelsbruderschaft und des Berneuchener Dienstes darüber nachdenken, ob es nicht an der Zeit ist, daß auch wir künftig mehr von der Feier der Eucharistie als von der Messe sprechen. Damit würden wir uns besser in den Strom der Ökumene einfügen, auch bei orthodoxen Christen auf Verständnis stoßen und zugleich den gemeinsamen Ursprung im Neuen Testament hervorheben.

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Leer„Durch Leben, Tod, und Auferstehung Jesu Christi hat Gott die Menschen mit sich versöhnt, und in Christus bietet er der ganzen Menschheit die Einheit an.” Dieser grundlegenden Aussage können wir mit Freude zustimmen. Das Gedächtnis des Todes Christi wird herausgestellt im Sinn der Anamnese, wie das Max Thurian von Taizé und andere dargelegt haben. Es geht um die „wirksame Verkündigung von Gottes machtvollen Taten” im Handeln der Kirche. „Christus ist in der ganzen eucharistische Feier, auf verschiedene Weise, gegenwärtig und wirksam.” Seine Gegenwart wird dreifach beschrieben: im verkündeten Wort (diese Art seiner Gegenwart ist uns vertraut), im Sakrament des Leibes und Blutes Christi und in seinem bestellten Diener, der „diesem Tisch vorsteht”. Das stärkste Problem wird man auf evangelischer Seite in der personalen Gegenwart im „bestellten Diener” finden. Zumal heute, da man in dem Pfarrer oft nur einen „Funktionär” erblickt, bleibt kein Raum für den Glauben an die Gegenwart Christi in dem berufenen Diener. Wir müssen uns von Katholiken und Anglikanern fragen lassen, ob wir nicht allzu sehr geneigt sind, die personale Seite der Sendung zu vernachlässigen. („Wer euch hört, der hört mich!”) Eine Lehre von der dreifachen Gegenwart Jesu Christi hat freilich Konsequenzen, bis hin zu der derzeit vor allem in Bayern umstrittenen Frage, ob Frauen ordiniert werden sollen.

LeerNur in einer Anmerkung erwähnt die Windsor-Erklärung den kontroversen scholastischen Begriff der Transsubstantiation. Er wird „verwandt, um anzudeuten, daß Gott durch sein Handeln in der Eucharistie einen Wandel der inneren Realität der Elemente bewirkt”, heißt es behutsam. Man spürt, wie die katholischen Theologen diesen Begriff einerseits nicht ganz preisgeben möchten, andererseits aber ihn doch eingrenzen wollen, so daß er nicht zum Stein des Anstoßes wird. Anglikaner werden an ihm weniger Anstoß nehmen als evangelische Theologen. Auch auf katholischer Seite hat es manche Versuche gegeben, die „Transsubstantiation” wegen ihrer schwierigen philosophischen Voraussetzungen durch „Transfiguration” oder „Transsignifikation” zu ersetzen, Versuche, denen der Papst nicht gefolgt ist.

Leer„Christi Leib und Blut werden wirklich gegenwärtig und werden wirklich gespendet.” Dieser Aussage wird man von lutherischer Seite voll zustimmen. Zugespitzt heißt es weiter, daß durch das konsekratorische Gebet Brot und Wein in Leib und Blut Christi umgewandelt werden, „so daß wir gemeinsam - bei der Kommunion - das Fleisch Christi essen und sein Blut trinken.” Das 6. Kapitel des Johannes-Evangeliums legt solche Lehraussagen nahe. Der endzeitliche Bezug auf das himmlische Hochzeitsmahl wird nicht verschwiegen. Im 12. Punkt der Erklärung über die Eucharistie stellen beide Seiten fest: „Wir glauben, daß wir eine wesentliche Übereinstimmung in der Eucharistielehre erreicht haben.” Unterschiede in der Lehre dürften die Einheit nicht mehr hindern. - Fast zwei Jahre später konnte die gleiche Kommission sich über Amt und Ordination äußern. Sie geht aus von dem Dienst der Versöhnung mit Gott aufgrund der Selbsthingabe Christi. Zu diesem Dienst werden Boten gesandt. „Besonderes Gewicht wird auf die Verkündigung des Wortes und die Bewahrung der apostolischen Lehre gelegt, auf die Sorge für die Herde und das Beispiel christlichen Lebens.” In den späten Schriften des Neuen Testamentes erkennen wir Elemente einer Ordination. Es ist verständlich, daß Katholiken und Anglikaner das dreifache Amt von Bischof, Presbyter und Diakon in erster Linie herausstellen.

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LeerVom Diener Christi und der Kirche wird aber auch gesagt, daß er Herold und Lehrer, Hirte und Haushalter ist. „In der ursprünglichen Sendung und dem ursprünglichen Zeugnis, die in der Heiligen Schrift aufgezeichnet sind, liegt die Quelle und der Grund ihres Predigens und ihrer Autorität.” Die Träger des Amtes haben nicht nur der Kirche zu dienen, sondern der ganzen Menschheit, indem sie sie „ständig unter die Weisung des apostolischen Glaubens” stellen. In erfreulicher Weise betont die Erklärung das einmalige Opfer Christi. Darum sind die Amtsträger im Neuen Testament niemals Opferpriester (hiereus) genannt. Wenn dennoch in der späteren Tradition priesterliche Ausdrücke verwendet worden sind, so konnte dies nur mit Bezug auf das Gedächtnis des Opfers Christi in der Eucharistie geschehen. Sein Opfer wird nicht wiederholt und ihm wird nichts hinzugefügt. Diese klaren Aussagen sollten endlich diejenigen Protestanten zur Kenntnis nehmen, die immer noch gegen die katholische Kirche mit Argumenten streiten, die gegen frühere Behauptungen gerichtet sind. Die priesterliche Berufung des ganzen Volkes Gottes (Röm. 12, 1; 1. Petr. 2, 9) ist zu unterscheiden von dem besonderen Amt, in das Diener des Neuen Bundes unter Gebet und Handauflegung in der Feier der Gemeinde berufen werden. Die Ordination ist unwiederholbar. Sie wird von Bischöfen unter Mitwirkung von Presbytern vollzogen. Der Brauch, einen Bischof durch mehrere Bischöfe in sein Amt einzusetzen, sichert die Kontinuität der Kirche. „Darin liegen die wesentlichen Züge dessen, was in unseren beiden Traditionen unter Ordination in der apostolischen Sukzession verstanden wird.”

LeerRecht vorsichtig heißt es am Schluß, das unter Papst Leo XIII. gefällte Urteil über die anglikanischen Weihen sei nun „in einen neuen Zusammenhang gestellt.” Die katholisch-anglikanische Kommission weist außerdem auf die noch offengebliebene Frage nach der Bedeutung des päpstlichen Primates hin. Insgesamt sei man aber der Versöhnung der Kirchen und der gegenseitigen Anerkennung der Ämter deutlich näher gekommen. Vorerst ist nicht mehr geschehen, als daß eine offizielle gemischte Kommission ihr Votum abgegeben hat. Immerhin ist dieses Votum mit Billigung des Papstes veröffentlicht worden. Damit hat Rom herausgestellt, daß sich im Verhältnis zur anglikanischen Kirchengemeinschaft Türen öffnen können, wie sie im Verhältnis zu den orthodoxen Kirchen bereits aufgegangen sind. Das Gespräch mit den reformatorischen Kirchengemeinschaften verläuft schwieriger. Doch ist klar zu erkennen, daß die Kirchen des Bekenntnisses von Augsburg einem Konsens umso näher kommen, als sie bereit sind, ihre eigenen Grundlagen festzuhalten, und nicht den Tendenzen nachgeben, die Dimension des geistlichen Amtes gering zu achten. Die Erklärungen von Windsor und von Canterbury können weitgehend von den lutherischen Kirchen positiv aufgenommen werden. Wenn wir sie in diesem Sinn sorgfältig studieren, worden sie uns helfen, unsere eigene Lage zu klären und dadurch voranzukommen in der gegenseitigen Anerkennung von Eucharistie und Amt innerhalb der gesamten Christenheit.

Quatember 1974, S. 170-173

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-12-12
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