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Neuer Konsens um Amt und Ordination
Ökumenischer Arbeitskreis evangelischer und katholischer Theologen

LeerSeit Jahrzehnten bewegt die Christenheit die Frage, ob die römisch-katholische Kirche das Amt in den evangelischen Kirchen anerkennen kann. Sechs westdeutsche ökumenische Universitätsinstitute haben vor geraumer Zeit ein Memorandum ausgearbeitet, in dem sie zu dem Ergebnis kommen: „Da einer gegenseitigen Anerkennung der Ämter theologisch nichts Entscheidendes mehr im Wege steht, ist ein hauptsächliches Hindernis für die Abendmahlsgemeinschaft überwunden.” Diesem Ergebnis hat die Deutsche Katholische Bischofskonferenz widersprochen. Seither war es schwierig, das heiße Eisen der Amtsfrage erneut anzufassen.

Umso höher ist die Tatsache einzuschätzen, daß der ökumenische Arbeitskreis evangelischer und katholischer Theologen unter dem Vorsitz von Kardinal Jaeger (Paderborn) und Bischof Kunst (Bonn) und unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Schlink (Heidelberg) und Kardinal Volk (Mainz) die nachstehende Stellungnahme zu den Fragen um Ordination und Amt jüngst in der Sozialakademie Friedewald erarbeiten konnte. Diese Stellungnahme wird von Befürwortern und Gegnern des oben genannten Memorandums gemeinsam verantwortet. Deshalb stellt sie einen erfreulichen Schritt auf dem Weg der ökumenischen Gemeinschaft dar. Rat und Großes Kapitel der Evangelischen Michaelsbruderschaft haben sich auf ihrer Jahrestagung in Kloster Kirchberg die Stellungnahme zu eigen gemacht, die folgenden Wortlaut hat.

R. Mumm

Leer„Die Frage nach dem rechten Verständnis des kirchlichen Amtes ist nicht mehr nur zwischen den Kirchen strittig, sondern ist auch innerhalb jeder einzelnen Kirche aufgebrochen. In dieser Lage achten Christen aller Bekenntnisse sorgsamer darauf, wie ihnen auch durch das Zeugnis anderer christlicher Kirchen der Glaube an Gottes Heilswirken durch das kirchliche Amt gestärkt und das Verständnis dieses Glaubens gefördert werden kann. Der ökumenische Arbeitskreis evangelischer und katholischer Theologen hat auf seiner Tagung vom 1.-4. April 1974 dieser Bemühung zu dienen versucht. Er hat zu diesem Zweck u. a. eine Anzahl von Ordinationsformularen, die für die evangelischen Kirchen in Deutschland als typisch gelten dürfen, darauf befragt, welches Verständnis des kirchlichen Amtes in ihnen zum Ausdruck kommt. Nun kann von solchen Formularen nicht erwartet werden, daß in ihnen alle Elemente, die zu einer kirchlichen Lehre vom Amt gehören, vollständig aufgezählt, systematisch dargestellt oder gar aus ihren Gründen hergeleitet und in ihre Folgerungen hinein entfaltet werden. Andererseits hat das hier vernehmbare Zeugnis aus zwei Gründen besonderes Gewicht. Denn erstens handelt es sich hier nicht um die persönliche Meinung dieses oder jenes Theologen, sondern um offizielle Texte der Kirchen; zweitens aber und vor allem handelt es sich um Aussagen, in denen vor Gott und der Gemeinde so vom kirchlichen Amt gesprochen wird, daß dabei der Glaube der Kirche bezeugt wird. Dabei zeigte sich: diejenigen Elemente, die allen behandelten Formularen gemeinsam sind, enthalten Aussagen über das kirchliche Amt, durch die nicht nur die Kirchen der Reformation, sondern die christlichen Kirchen insgesamt untereinander verbunden sind, wie auch der Vergleich mit dem Formular der Priesterweihe ergab. Evangelische und katholische Mitglieder waren sich gemeinsam bewußt, daß es sich hier nicht um eine erschöpfende Lehre vom kirchlichen Amt und der Ordination handelt, wohl aber um eine Bezeugung unerläßlicher Elemente, die Anspruch darauf haben, zu einer solchen Lehre zu gehören. Insbesondere die katholischen Mitglieder des ökumenischen Arbeitskreises konnten feststellen, daß sie keiner dieser Aussagen widersprechen mußten, sondern in jeder von ihnen wesentliche Momente ihres eigenen Verständnisses der Priesterweihe und des priesterlichen Amtes wiedererkennen konnten. Allerdings bedürfen Fragen wie die nach dem Verhältnis von Episkopat und Presbyterat, sowie nach der Sakramentalität der Ordination und der priesterlichen Funktion des Amtes noch weiterer Klärung.

LeerDer ökumenische Arbeitskreis evangelischer und katholischer Theologen faßt diese Elemente in folgender Weise zusammen:


 1. Voraussetzungen der Ordination
Leera. Die Ordination setzt voraus, daß eine konkrete Möglichkeit besteht, das übertragene Amt auszuüben. Nur der auf seine Eignung Geprüfte darf ordiniert werden (vgl. 2 Tim 2,2). Nur die Kirche Gottes als ganze, die im Ordinationsgottesdienst repräsentiert ist durch den Ordinator, die mitwirkenden Amtsträger und die versammelten Gemeindeglieder, hat die Vollmacht, im Gehorsam gegen das Gebot ihres Herrn geeignete Personen in das kirchliche Amt zu berufen.
Leerb. Der Ordinator ist selbst ordiniert und ordentlicherweise Träger eines übergeordneten episkopalen Amtes. Die zum Gottesdienst versammelte Gemeinde stimmt (nach rechtzeitiger vorhergehender Bekanntmachung) der Berufung der Ordinanden zu und nimmt durch ihr Gebet und als Zeuge an der Ordinationshandlung teil.
 2. Wesenselemente des übertragenen Amtes
Leera. Wenngleich jeder Christ durch die Taufe in das heilige Gottesvolk des Neuen Bundes eingegliedert ist und dadurch Anteil an dem königlichen Priestertum des Gottesvolkes hat, darum auch zur Bezeugung des Evangeliums in seinem persönlichen Lebenskreis aufgerufen ist, so kann doch die öffentliche Verkündigung des Evangeliums und die Verwaltung der Sakramente nur von dem ausgeübt werden, dem durch die Kirche das Amt übertragen ist (vgl. CA XIV). Der Dienst der öffentlichen Evangeliumsverkündigung (vgl. Apg. 6, 4) ist im Unterschied zu den freien Charismen und Diensten ein Amt, das im geschichtlichen und sachlichen Bezug steht zu dem besonderen Auftrag, der den Aposteln im Hinblick auf die Kirche als ganze zuteil wurde und die gemeinsame Grundlage der Differenzierung der Ämter von Presbyter und Bischof bildet.
Leerb. Die zentralen Funktionen, in denen dieses Amt ausgeübt wird, sind:
LeerDie öffentliche Verkündigung des in der Schrift gegebenen und im Bekenntnis bezeugten apostolischen Evangeliums;
Leerdie Verwaltung und Darreichung der Sakramente, insbesondere des Herrenmahles sowie des Zuspruchs der Sündenvergebung;
Leerdie mit dem Verkündigungsauftrag verbundene Verantwortung für die Einheit der Gemeinde im Glauben an Christus; diese Verantwortung wird unter dem Bild des Hirten und mit dem Begriff des Leitungsamtes bezeichnet.
Leerc. Dabei ist vorausgesetzt oder doch angestrebt, daß der Ordinierte in der Ausübung seines Dienstes von anderen Ämtern und Diensten umgeben ist, die zur Auferbauung der Gemeinde ihm und dem ihm besonders aufgetragenen Dienst zugeordnet sind.
 3. Vollzugsform der Ordination
Leera. Die Ordination ist ein gottesdienstlicher Akt und wird, außer in dringenden Notfällen, im Gemeindegottesdienst vollzogen. Dem Ordinanden und der Gemeinde werden Wesenselemente und Aufgaben des zu übertragenden Amtes vor Augen gestellt. Dabei wird dem Ordinanden auch vorgehalten, daß das Amt seine ganze Person fordert und daß seine persönliche Lebensführung dem entsprechen muß. Der Ordinand spricht vor Gott und der Gemeinde zu den Fragen nach seiner Bereitschaft das Jawort, das die Verpflichtung auf das Bekenntnis der Kirche einschließt.
Leerb. Obwohl die Ordination durch Menschen vollzogen wird, handelt darin zugleich Gott selbst, indem er den Ordinanden in seinen Dienst beruft, für diesen Dienst ausrüstet und sendet; denn das zu übertragende Amt ist keine beliebige Einrichtung der Kirche, sondern beruht auf einem Auftrag Gottes, dem seine Verheißung gilt.
Leerc. Für die Ordinationshandlung konstitutiv ist das fürbittende Herabflehen des Geistes auf die Person des Ordinanden. Dies geschieht durch Gebet in Verbindung mit Handauflegung. Eine Einsetzung der Handauflegung durch Jesus ist zwar in der Schrift nicht bezeugt. Die Handauflegung ist jedoch nicht nur wegen der Ausdruckskraft dieses Gestus, sondern vor allem wegen seines bis in die apostolische Zeit zurückreichenden Alters und seiner ökumenischen Geltung nicht ersetzbar als Zeichen der Einheit des kirchlichen Amtes.
Leerd. Als Auftrag des Herrn ist das Amt der Person des Ordinierten ein für alle mal auferlegt. Die Übertragung des Amtes ist einmalig und wird nicht wiederholt.”

Quatember 1974, S. 173-176

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-12-12
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