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Gemeinsame Kirchenlieder
von Sigisbert Kraft

LeerProfessor Albert Brandenburg hat in Nummer 3 dieser Zeitschrift über die Sammlung „Gemeinsame Kirchenlieder” berichtet. Der größere Teil seines Beitrags spricht Bedenken und offengebliebene Erwartungen aus. Einem Mitglied der „Arbeitsgemeinschaft für ökumenisches Liedgut”, von Anfang an an den „Gemeinsamen Kirchenliedern” mitbeteiligt, seien dazu einige Informationen gestattet:

LeerDie Sammlung „Gemeinsame Kirchenlieder” wurde von den kirchlichen Autoritäten nicht nur „empfohlen”, wie eine bemerkenswerte Privatarbeit. Die „Arbeitsgemeinschaft für ökumenisches Liedgut” (AÖL) wurde - wie das Nachwort der Liedersammlung vermerkt - durch offizielle Entsendung der Mitglieder von den kirchenverantwortlichen Stellen selbst ins Leben und an die Arbeit gerufen. Von daher gewinnt das Vorwort der „GKL” mit den 14 Unterschriften der Verantwortlichen aller deutschsprachigen Kirchen eine kirchengeschichtliche Bedeutung: Erstmals seit der Reformation ist ein solch breiter unterschriftlicher Konsens zustandegekommen!

LeerDer offizielle Status der Arbeitsgemeinschaft (ähnlich dem der „ALT”, der „Arbeitsgemeinschaft für liturgische Texte”, die das gemeinsame Vaterunser, die Fassungen für Glaubensbekenntnisse und Ordinarien erarbeitet hatte) bedeutete aber auch die Pflicht zur Rechenschaftsablage vor den Auftraggebern, während und nach der getanen Arbeit. Eine Reihe von - noch - unerfüllten Wünschen hängt damit zusammen. So konnten z. B. die in der Sache tatsächlich „gemeinsamen” und in den Gesangbüchern verschiedener Kirchen enthaltenen Lieder „Im Frieden dein, o Herre mein . . .”, „Gott sei gelobet und gebenedeiet. . .” und das „Christe, du Lamm Gottes” in der Textfassung von Martin Luther und der Melodie aus Braunschweig 1528 aufgrund des Einspruchs einer maßgeblichen evangelischen Autorität nicht aufgenommen werden. Man befürchtete, das Buch könne sonst als Aufforderung zur Interkommunion verstanden werden!

LeerWas den von Professor Brandenburg geäußerten Wunsch nach Marienliedern anbelangt, so sei darauf hingewiesen, daß schon die Fassung der 2. Strophe von „Es ist ein Ros entsprungen . . .” (GKL Nr. 15) auf Bedenken von evangelischer Seite gestoßen ist! In der letzten Zeile aber wurde die Strophe von einigen römischkatholischen Kreisen beanstandet, die den ihnen vertrauten Satz „und blieb doch reine Magd” vermißten. Und doch wurde hier nur der ursprüngliche Text wiederhergestellt, den man in evangelischen wie in katholischen Gesangbüchern je nach der eigenen Akzentuierung verändert hatte.

LeerDas beanstandete Fehlen einer „Choralmesse”, ja einer „eigene(n) Meßfeier” (Brandenburg) ist vor allem darin begründet, daß zur Zeit der Herausgabe der GKL noch nicht allzuviele gute Vertonungen der ökumenischen Ordinariumstexte vorlagen. Die Weiterarbeit der „Arbeitsgemeinschaft für ökumenisches Liedgut” schließt gerade diesen Bereich mit ein. Ähnlich verhält es sich mit dem „Liedgut aus der Eschatologie”. Hier ist freilich auch im katholischen Bereich vieles noch im Fluß. Selbst für die offizielle Toteneucharistie gibt es bis jetzt nur vorläufige „Studientexte”. Die früheren „Armenseelenlieder” fanden noch kaum theologisch, liturgisch, formal und ökumenisch befriedigende Nachfolger. Leider gibt es in unserem Sprachbereich heutzutage nicht allzuviele gute Kirchenlieddichter. Das macht sich auch in anderen thematischen Zusammenhängen bemerkbar.

LeerZudem können Dichter dort nur schwer ans Werk gehen, wo die liturgische Ordnung noch aussteht, der sie dienen sollen. Unbeschadet dieser Schwierigkeit hat die AÖL Lieder zu Tod und Begräbnis ebenso wie Lieder zur Taufe und Trauung und zu anderen in den „Gemeinsamen Kirchenliedern” noch fehlenden Themen auf die Liste der Weiterarbeit gesetzt. Eine Subkommission der Arbeitsgemeinschaft bemüht sich derzeit um eine Sammlung von „Gemeinsamen geistlichen Kinderliedern”. Sie sollen dem Singen in Haus und Familie, in Kindergarten und Grundschule und nicht zuletzt bei Kinder- und Familiengottesdiensten dienen.

LeerDie Arbeitsgemeinschaft hatte sich bewußt zunächst auf das im deutschen Sprachraum aufzufindende Liedgut beschränkt. Sie will sich künftig auch um Übertragungen aus anderen Sprachen mühen. Dann wird auch der von Professor Brandenburg geäußerte Wunsch nach anglikanischer Beteiligung realisierbar sein. Orthodoxe Hymnik einzubringen bereitet indes schon von der musikalischen Seite her größere Schwierigkeiten.

LeerEines darf versichert werden: Das Ökumene-Verständnis und damit die Konzeption der AÖL zielte nie auf ein „Minimum von Gemeinsamkeiten”, übersah aber auch niemals, daß es neben dem weitmöglichen Bereich des „Commune” doch auch im Liedgut Proprien gibt, die teils aus den noch immer bestehenden Glaubensunterschieden, teils aber auch „nur” aus der Tradition eigengeprägter Frömmigkeit kommen. Die AÖL mußte pastoral denken und, bei aller Hoffnung auf „Kirche ohne spaltende Konfession” (Brandenburg), den Status quo im Auge behalten. Es bedeutete für die Weiterarbeit der AÖL zweifellos eine große Hilfe, wenn die „Gemeinsamen Kirchenlieder” weit im Land gesungen und gerade aus der Erfahrung lebendigen Vollzugs Kritik, Anregungen, Wünsche, ja konkrete Vorlagen eingebracht würden.

LeerGerade der Leserkreis von „Quatember” scheint für eine solche Mithilfe in besonderer Weise geeignet und berufen zu sein.

Quatember 1974, S. 244-245

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-12-12
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