Symbol   Quatember

Startseite
Inhalt
Inhalt 1974
Autoren
Themen
Stichworte

Ohne Marienlieder
von Reinhard Mumm

LeerVerehrter, lieber Herr Professor Brandenburg! Lange ist es her, seit wir uns zuletzt gesehen und gesprochen haben. Seither habe ich oft Aufsätze von Ihnen gelesen. Nun finde ich Sie auch im „Quatember”, und es lockt mich, mit einigen Sätzen auf Ihren Aufsatz „Ohne Marienlieder . . .” einzugehen . . .

LeerNicht wenige evangelische Christen halten es mit Ihnen für einen Mangel, daß der Protestantismus aus Sorge vor möglichen Auswüchsen nahezu ganz auf die Liebe und Verehrung Mariens verzichtet. Sie kennen die Bücher von A. Schlatter und H. Asmussen, von R. Schimmelpfennig, W. Tappolet und W. Stählin. Da sind Theologen in die Bresche gesprungen und haben versucht, die Lücke zu füllen. Es fehlt ja erfreulicherweise nicht ganz an Marienliedern im evangelischen Raum. Ich erinnere an „Der Tag, der ist so freudenreich” (Nr. 18 im Ev. Kirchengesangbuch) und „Mein Seel, o Herr, muß loben Dich” (Nr. 200). Wie gern singen wir auch in evangelischen Kreisen „Maria durch ein Dornwald ging”. In dieser Richtung ließe sich noch einiges an Gemeinsamkeit entwickeln. Erlauben Sie bitte, daß ich nun aber auch Fragen an Sie richte: Was meinen Sie mit dem „Proprium des Katholischen”, das Ihnen fehlt? Das Eigentliche, Eigene und Zentrale im katholischen Glauben ist doch der Glaube an Gott den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist, der Glaube an die Menschwerdung, das Kreuz und die Auferstehung Jesu Christi - eben an das, was wir als evangelische und katholische Christen gemeinsam an jedem Sonntag im altkirchlichen Credo bekennen. Dies alles spiegelt sich auch in den Liedern wider, die wir miteinander singen können. Ich habe es als hoch bedeutsam empfunden, daß in ungezählten katholischen Kirchen das Bild Jesu Christi in den letzten Jahren in die Mitte gerückt wurde, während die Marienverehrung an einem Seitenaltar ihren Platz fand. Das heißt doch: das Eigentliche des katholischen Glaubens findet sich in Jesus Christus, freilich eingeschlossen seine Geburt aus der Jungfrau Maria. So gewiß wir evangelische Christen einiges nachzuholen haben in der rechten Würdigung der Mutter des Herrn, im Zentralen stimmen wir doch überein.

LeerSie halten die Marienverehrung, wie sie vom II. Vatikanischen Konzil inauguriert ist, für kein ernstzunehmendes Streitobjekt. Man müßte da in eine genauere theologische Untersuchung eintreten. Aber selbst wenn ich in dieser Sache Ihre Meinung gelten lasse, so erinnere ich mich doch einer Verlautbarung von Papst Paul VI. gerade in den Tagen des Konzils, die Widerspruch hervorrufen mußte und auch hervorgerufen hat. Wir befinden uns mit den theologischen Fragen um Maria wohl noch nicht in voller Übereinstimmung. Sie berichten von einer ev.-luth. Mädchengruppe, die begeistert ein Lied zur Maria Immaculata sang. Solche Vorgänge gibt es. Aber wir sind dadurch nicht entbunden zu fragen: Was heißt „Immaculata”? Da gibt es doch theologisch einiges zu klären!

LeerZum Schluß weisen Sie auf die Eucharistie und die Eschatologie hin. Ich stimme Ihnen zu. Da gibt es manchen Mangel und erhebliche Schwächen. Hier sollten wir unsere möglichen Gemeinsamkeiten stärken. Für ein christliches Gedenken an die Verstorbenen trete ich mit Nachdruck ein. Über eine Messe pro defunctis müßten wir uns freilich näher unterhalten. Ein Satz von Ihnen hat sich mir eingeprägt: „Ökumene ist symphonisch.” Das denke ich auch. Aber es sollte eine Sym-Phonie sein, in der die Töne der Verschiedenen so zusammenklingen, daß wir mit innerer Übereinstimmung mitwirken können. Es ist kein Schade, daß wir um die rechte Symphonie miteinander ringen müssen. Im Gegenteil, darauf liegt eine Verheißung.

Quatember 1974, S. 246-247

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-12-12
Haftungsausschluss
TOP