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von Hans Mayr |
Im Hof des Lambeth-Palastes, der Londoner Residenz des Erzbischofs von Canterbury, steht ein Maulbeerbaum, dessen Früchte nie ganz reif werden. „Man sagt: Wenn sie einmal reifen, dann wird die Einheit der Kirchen Wirklichkeit”, sagt Canon Michael Moore, Beauftragter des Erzbischofs für auswärtige Beziehungen. Auch im Garten der Königlichen Stiftung von St. Katharina im Osten Londons wachsen Maulbeerbäume. Ich frage nach ihren Früchten. „Bei uns werden sie jedes Jahr reif”, sagt Father Christopher Lowe, Beauftragter für die ökumenische Arbeit der Community of the Resurrection, der Auferstehungsgemeinschaft, die zusammen mit den Diakonissen der St.-Andreasgemeinschaft das Retraitenhaus der Royal Foundation führen. In diesem Haus ist die Ökumene wirklich schon weiter als sonst, diese anglikanische Ordensgemeinschaft ist dem schon voraus, was sonst für die Kirchen noch gelten muß. Zu einer Tagung über die Bedeutung der Taufe für Kirchengliedschaft und Kirchengemeinschaft hatte der Prior des Hauses, Revd. Sidebotham, eingeladen. Teilnehmer aus sechs Kirchen und Gemeinschaften (Anglikaner, Altkatholiken, Baptisten, Herrnhuter, Lutheraner und Reformierte) und sechs Ländern (England, Vereinigte Staaten, Bundesrepublik Deutschland, Deutsche Demokratische Republik, Schweiz, Osterreich) waren gekommen, darunter Mitglieder des Theologischen und des Ökumenischen Arbeitskreises der Michaelsbruderschaft. Übereinstimmend gingen die Redner aus alien Konfessionen bei der Darlegung ihres Taufverständnisses weniger von ihrer kirchlichen Lehre, sondern von ihrer Taufpraxis und ihrem Taufvollzug, also von ihrer Taufliturgie, aus. Und ebenso übereinstimmend bezogen alle das Taufgeschehen auf das Leben in und mit der Kirche auf die „Glaubensumgebung”, wie das Accra-Dökument des Ökumenischen Rates sagt. Die Taufe ist ein Sakrament der Gnade, durch sie sind wir hineingenommen in Christi Tod und Auferstehung, hineingetauft in den Leib Christi, die eine heilige katholische Kirche, sagt Revd. Michael Walker, ein britischer Baptist, in seinem Vortrag. Wiedertaufen, so erklärt er auf Befragen, kommen fast nicht mehr vor; in der heutigen Missionssituation sind fast alle Menschen, die zur Glaubenstaufe kommen, vorher nicht getauft gewesen. Das Verhältnis von Taufe und Glaube ist, das zeigt die rege Diskussion, auch unter den Lutheranern selbst strittig. Eine Besuchstour durch London mit Bus, U-Bahn und Taxis führte uns zum Britischen Kirchenrat im Edinburgh-Haus, ins Westminister-Church-House der Anglikanischen Kirche, zur St. Pauls-Kathedrale und zum Evensong in Westminster-Abbey. Wir hörten von Martin Conway, wie der Einigungsplan des Bundesschlusses, des Covenant zwischen der Kirche von England, den Methodisten, den Reformierten, den Churches of Christ und den Herrnhutern Fortschritte macht und schon der Plan zur Feier des Gottesdienstes beim Bundesschluß ausgearbeitet ist. Wir hörten von der Missionsarbeit in Asien und den Rassenproblemen in England; wir hörten, wie die Kirchen der City neue evangelistische und diakonische Aufgaben angreifen, seit hier fast kein Gemeindeglied mehr wohnt. Der Dekan von St. Pauls führte uns durch die Steinhauer- und Holzschnitzerwerkstätten in den Kellerräumen der Kathedrale und berichtete von den Vorbereitungen zur königlichen Hochzeit. Eine ökumenische Dinner-Party mit Gästen beschloß den Tag. Bei den Stundengebeten am Donnerstag wird bei St. Katharina wie in vielen anderen Kirchen und Gemeinschaften in England und auf dem Kontinent die „Kerze für die Einheit” entzündet. Sie erinnert daran, daß unser Herr am Donnerstag das Sakrament der Einheit stiftete, daß er betete, daß alle eins seien, und daß er das neue Gebot gab, daß wir uns untereinander lieben. Es wird dafür gebetet, daß die Einheit komme, die Christus will, zu der Zeit, die er dafür bestimmt, und auf die Weise, die er dafür erwählt. In der Royal Foundation ist ein wenig davon jetzt schon sichtbar und erfahrbar geworden. Quatember 1981, S. 173-174 |
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