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Vor 50 Jahren: Ermunterung zum Fasten
von Jürgen Boeckh

LeerIn unserem Jubiläumsheft (3/1981, S. 185) habe ich auf den ersten „Jahresbrief des Berneuchener Kreises” hingewiesen. Der erste vollständige Jahrgang mit fünf Heften erschien 1932. In einer Betrachtung zur Fastenzeit lesen wir dort, was auch heute noch - oder gerade wieder! - bedenkenswert ist.

Leer. . . Welche Zugänge hat unsere Zeit zum „Fasten”? Die alten Fastenordnungen der Kirche sind bei uns in vier Jahrhunderten langsam zerfallen; als letzter Rest ist hie und da noch der nüchterne Abendmahlsgang bekannt ... Aber es sind heute doch auch gewisse Voraussetzungen gegeben für ein neues Verständnis und eine neue Bereitschaft zum Fasten. Da sind einmal die Bestrebungen (von der Lebensreform her) zur Enthaltsamkeit gegenüber dem Alkohol, gegenüber Fleischgenuß und verkünstelter Nahrung, und ähnliches, hinter deren rationaler Nützlichkeitsfassade doch von jeher etwas von jenem Willen zu lachender Askese lag, wie ihn Jesus gefordert („Salbe dein Haupt und wasche dein Angesicht”). Da sind heute die volkswirtschaftlichen Erwägungen, loszukommen von jener Afterweisheit, durch endlose quantitative Steigerung der Bedürfnisse die Wirtschaftsmaschine in Gang zu halten, und hinzufinden zu einer Wirtschaftsordnung, in der es eine innere Rangordnung der Lebensgüter gäbe, ein Sich-Einschränken im Unwichtigen und Sich-Sparen für das entscheidend Not-wendige. Da ist endlich die Weltwirtschafts-Krise mit ihren besonderen Auswirkungen auf Deutschland und mit ihrem besonderen Druck auf die Schichten, die nicht der quantitativen Gütererzeugung dienen, sondern um geistige Werte ringen.

LeerAll dies bringt an sich noch nicht das hervor, was im altchristlichen Sinne fasten heißt. Die lebensreformerische Enthaltung ist in der Regel verknüpft mit einer - verstandes- oder gefühlsmäßigen - Verwerfung derjenigen Gottesgabe, deren Verzicht man sich auferlegt hat. Die volkswirtschaftliche Erwägung führt selten bis zu einer entsprechenden Durchgestaltung des eigenen Privatlebens. Die unfreiwilligen Entbehrungen, wie die Wirtschaftskrise sie mit sich bringt, wecken meist alles andere eher als die Bereitschaft zum willigen Entsagen. Erst da, wo alles dies zusammenkommt, der Instinkt für das Natürliche, das Wissen um die Zusammenhänge der Wirtschaft und ein persönliches Aufsichnehmen und Tragen der schicksalsmäßigen Lage, erst da kann die Kenntnis der alten kirchlichen Fastenordnungen zu Ansätzen einer neuen, evangelischen Fastenzucht führen.

Leer... Dein Fasten bemiß nicht an anderer Wohlergehen, sondern an dem, was dir aufgetragen und an Kraft geschenkt ist. Niemals aber darfst du meinen, daß bei dir schon alles in Ordnung sei. Entbehrst du gezwungenermaßen schon so viel, als deine Seele ertragen kann, so laß dir von dem Bibelwort dieser Vorosterzeit zeigen, daß dein Opfer unters Kreuz gehört und an seinem Teil Segen stiften möchte an dir und an der Welt.

Quatember 1982, S. 53

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-01-17
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