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Ökumenische Bestandsaufnahme
Auf dem Wege von Lima nach Vancouver
von Hans Mayr

LeerZu Recht wird der Fortschritt der ökumenischen Bewegung bezeichnet mit den Orten und Jahreszahlen der großen ökumenischen Konferenzen. In ihnen wird die Arbeit vergangener Jahre zusammengefaßt und den Mitgliedskirchen zur Auswertung bekanntgemacht, und zugleich werden Weichen für kommende Entwicklungen gestellt. Die nächste Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen, kurz Weltkirchenkonferenz genannt, wird vom 24. Juli bis 10. August 1983 im Universitätsgelände der kanadischen Stadt Vancouver stattfinden, direkt am Pazifik, in einer Stadt, die ein Spiegel für die kulturelle Vielfalt ist, die dieser weite Ozean umspült. Etwa 3000 Delegierte, Berater, Beobachter, Gäste und Presseleute werden die über 400 Millionen Christen der über 300 Mitgliedskirchen vertreten. Die 15 Abteilungen des ÖRK, zusammengefaßt in drei „Programmeinheiten”, werden ihre Arbeit und Zielsetzung der Vollversammlung vorlegen, den Auftrag zur Weiterarbeit bekommen oder Signale zu Richtungsänderungen. So stellt sich die Arbeit des ÖRK kurzgefaßt dar:

Leer„Glauben und Zeugnis”: „Weltmission und Evangelisation” macht neue Zeichen der Königsherrschaft Gottes sichtbar; „Kirche und Gesellschaft” belebt das alte Gespräch zwischen Naturwissenschaft und Glauben; „Dialog mit Menschen anderer Religionen und Ideologien” erschließt eine Gemeinschaft mit Moslems, Hindus, Buddhisten, Juden und anderen auf der Grundlage von Zusammenarbeit und Vertrauen; „Glauben und Kirchenverfassung” sucht nach neuen Formen sichtbarer Einheit durch theologische Annäherung und gemeinsame Rechenschaft von der Hoffnung.

Leer„Gerechtigkeit und Dienst”: „Zwischenkirchliche Hilfe, Flüchtlings- und Weltdienst” vermittelt im Jahr über 60 Millionen US-Dollar von Kirche zu Kirche für Not- und Katastrophenhilfe ebenso wie für langfristige Entwicklungsvorhaben. Die „Kommission für kirchliche Entwicklungsarbeit” unterstützt Basisbewegungen in ihrem Kampf um soziale Gerechtigkeit, Eigenständigkeit und wirtschaftliches Wachstum; die „Kommission der Kirchen für internationale Angelegenheiten” analysiert die Ursachen der Konflikte in der Welt und wendet sich gegen Menschenrechtsverletzungen und die Ausbreitung des Militarismus. Die „Christliche Gesundheitskommission” entwickelt neue und leichter durchführbare Modelle einer Gesundheitsfürsorge, die den ganzen Menschen bei der Heilung berücksichtigt. Und das „Programm zur Bekämpfung des Rassismus” sucht und erprobt durch Projekte, Forschung und einen Sonderfond verschiedene Formen der Solidarität mit den aus rassistischen Gründen unterdrückten Menschen.

LeerBei „Bildung und Erneuerung” spricht der Name für sich selbst. Dazu gehören Programme, die Frauen in ihren Anliegen und ihrem Anspruch auf volle Partnerschaft im Leben der Kirchen unterstützen; ferner Projekte und Tagungen zugunsten der Jugend und neue Wege in der Bildungsarbeit wie Alphabetisierungsprogramme, Eintreten für die Rechte der Kinder, Familienbildung, neue Modelle für kirchlich geförderte Bildungseinrichtungen, Hilfe durch Stipendien sowie Lehrgänge für Bibelstudien. Das „Programm für theologische Ausbildung” sucht neue Möglichkeiten der Ausbildung von Laien und Geistlichen für ihre Mission und ihr Amt. „Erneuerung und Gemeindeleben” fördert den Erfahrungsaustausch unter den Gemeinden über Gottesdienst und Dienst.

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Glauben und Kirchenverfassung

LeerIn dieser kurzen summarischen Selbstdarstellung des ÖRK erscheint die Abteilung „Glauben und Kirchenverfassung” (faith and order) als eine unter anderen. Sie ist in der Öffentlichkeit auch wenig bekannt, weil ihre Beschlüsse nicht für Schlagzeilen in der Presse sorgen. Sie ist aber die wichtigste und theologisch grundsätzliche Abteilung. Das zeigt die Tatsache, daß ihre Vollversammlung als letzte große ökumenische Konferenz vor Vancouver stattfand: Vom 3. bis 15. Januar 1982 in der peruanischen Hauptstadt Lima. Ihre Bedeutung ist auch deshalb größer als die anderer Abteilungen, weil in ihr seit 1968 römisch-katholische Theologen als Vollmitglieder mitarbeiten, auch Vertreter anderer Nichtmitgliedskirchen des ÖRK wie die Südlichen Baptisten der USA, so daß in dieser Kommission wirklich die gesamte Weltchristenheit repräsentiert ist.

LeerSeit 1980 ist der nordamerikanische Lutheraner William Lazareth als Nachfolger von Lukas Vischer Direktor der Abteilung „Glaube und Kirchenverfassung”. Zusammen mit Max Thurian von Taizé und Nikos Nissiotis aus Athen ist es ihm gelungen, die unter seinem Vorgänger geleistete theologische Arbeit zu bündeln und zu einem Abschluß zu bringen. Dies gilt vor allem für die Dokumente über die Taufe, die Eucharistie und das kirchliche Amt. Wer sich auch nur ein wenig am ökumenischen Gespräch beteiligt, weiß, daß man auf diese Themen immer wieder zurückkommt. Seit der ersten Weltkonferenz von „faith and order” in Lausanne 1927 stehen sie auf der Tagesordnung. Bei der Tagung in Accra 1974 wurde eine erste Fassung verabschiedet, die als „Accra-Papier” weit bekannt und allen Mitgliedskirchen zur Stellungnahme zugeleitet wurde. Über hundert Änderungsvorschläge wurden gemacht, sie führten zu einer stark überarbeiteten Fassung, die nun in Lima angenommen wurde.

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Taufe, Mahl, Amt

LeerDie Erklärung über die Taufe sagt, daß die Taufe „zugleich Gottes Gabe und unsere menschliche Antwort auf diese Gabe ist” und daß daher sowohl Kindertaufe als auch Erwachsenentaufe sinnvoll ist. „In beiden Fällen wird die getaufte Person im Verständnis des Glaubens wachsen müssen”, ob vor oder nach der Taufe. Die Ostkirchen, welche gleich bei der Taufe die erste Kommunion reichen, fragen die Kirchen des Westens, ob es statthaft sei, daß „ein weiterer und besonderer Ritus zwischen Taufe und Zulassung zum Abendmahl eingeschoben” wird - eine Anfrage an die Praxis von Konfirmation und Erstkommunionfeier!

LeerDie Erklärung über die Eucharistie deutet diese mit griechischen, neutestamentlichen und altkirchlichen Begriffen als Anamnese (Gedächtnis Christi und aller Heilstaten) und Epiklese (Anrufung des Heiligen Geistes). Diese vorwiegend ostkirchliche Verstehensweise hilft dazu, die evangelisch-katholischen Kontroversen über das Opfer und die Transsubstantiation (lateinische Begriffe!) zu überwinden.

LeerDie Erklärung über das Amt geht von der „Berufung des ganzen Volkes Gottes” aus, und stellt fest, daß ein besonderes „ordiniertes Amt” innerhalb desselben dem Willen Christi entspricht. In dieser Gemeinschaft hat das Amt Autorität, in seiner Gestaltung herrscht Freiheit, doch wird allen Kirchen empfohlen, sich in die Tradition einzureihen, welche ein „dreifaches Amt” von Bischof, Priester/Pfarrer und Diakon kennt. Das Amt dient der „apostolischen Tradition”, also der Kontinuität der Kirche durch die Jahrhunderte; dazu ist eine bischöfliche Sukzession (also Weitergabe durch Bischöfe und deren Handauflegung) ein für alle erstrebenswertes „Zeichen”, natürlich keine Garantie des „Bleibens in der Wahrheit” und daher auch nicht zwingend notwendig.

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Von der Konvergenz zum Konsens

LeerDie Erklärungen werden kurz als „Lima-Papier” zitiert, genau werden sie „Konvergenzerklärungen” genannt; sie verstehen sich also nicht statisch als ein erreichter vollständiger Konsens, sondern dynamisch als Dokumente, die zeigen, wie die konfessionellen Theologien konvergieren, also sich aufeinander zu bewegen.

LeerDas heißt aber nicht, daß diese Texte nun noch einmal und weiter überarbeitet und geändert werden sollen. Vielmehr sind sie in Lima einstimmig als abgeschlossen angenommen und den Kirchen zur Annahme vorgelegt worden, weil sie einen solchen Grad von Übereinstimmung und Ausreifung in der Formulierung erreicht haben, daß weitere Diskussion nicht mehr weiterführt. Es ist jetzt die Zeit zur Rezeption gekommen: Alle Kirchen sollen sich die gewonnene Erkenntnis geistlich aneignen und auch „auf der höchsten hierfür zuständigen Ebene der Autorität”, also durch ihren Rat, ihre Synode, Konferenz, Vollversammlung oder ein anderes Gremium offiziell beschließen lassen. Dies soll bis Ende 1984, spätestens jedoch bis 1987 geschehen, wo - 60 Jahre nach Lausanne! - die nächste Weltkonferenz für Glaube und Kirchenverfassung stattfinden wird. Rezipieren, annehmen und beschließen heißt dabei aber nicht, den Text Wort für Wort zu unterschreiben. Eine Vereinheitlichung, eine Uniformierung ist ja nie das Ziel der Ökumene gewesen. Die vier Fragen, welche an die Kirche gerichtet werden, lauten vielmehr:
  • In welchem Maße kann Ihre Kirche in diesem Text den Glauben der Kirche durch die Jahrhunderte erkennen?
  • Welche Folgerungen kann Ihre Kirche aus diesem Text für ihre Beziehungen zu und Dialoge mit anderen Kirchen ziehen, besonders zu denjenigen, die den Text ebenfalls als einen Ausdruck des apostolischen Glaubens anerkennen?
  • Welche richtungweisenden Hilfen kann Ihre Kirche aus diesem Text für ihr gottesdienstliches, erzieherisches, ethisches und geistliches Leben und Zeugnis ableiten?
  • Welche Vorschläge kann Ihre Kirche für die weitere Arbeit von Glauben und Kirchenverfassung im Blick auf diesen Text über Taufe, Eucharistie und Amt und das langfristige Studienprojekt „Auf dem Weg zu einem gemeinsamen Aussprechen des apostolischen Glaubens heute” machen?
LeerDie Arbeit an gemeinsamen Formulierungen ist jetzt an eine Grenze gekommen, über die sie nicht mehr hinauskommt, bevor nicht ein gemeinsames Leben und Handeln der Kirchen weitere Aussagen des einen Glaubens möglich macht:

Leer„Wir haben noch nicht den vollen 'Konsensus' (consentire) erreicht, der hier verstanden wird als die Lebenserfahrung und Artikulierung des Glaubens, die notwendig sind, um die sichtbare Einheit der Kirche zu verwirklichen und zu bewahren. Ein solcher Konsensus hat seine Wurzeln in der Gemeinschaft, die auf Jesus Christus und auf dem Zeugnis der Apostel aufbaut. Als eine Gabe des Geistes wird er zunächst in gemeinsamer Erfahrung verwirklicht, bevor er dann durch gemeinsame Bemühungen in Worte gefaßt werden kann. Der volle Konsensus kann erst verkündet werden, wenn die Kirchen so weit gekommen sind, daß sie in Einheit gemeinsam leben und handeln.”

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Von Gesprächen zur Gemeinschaft

LeerDie ökumenische Bewegung ist also an einem entscheidenden Punkt ihrer Entwicklung. Bezeichnend ist hierfür das Erscheinen eines Buches, herausgegeben von Harding Meyer, Hans-Jörg Urban und Lukas Vischer, das auf 500 Seiten die Ergebnisse des weltweiten ökumenischen Dialogs zusammenstellt. Da sind gesammelt die Abschluß-Dokumente von zweiseitigen Gesprächen auf Weltebene:

Altkatholisch/Orthodox
Anglikanisch/Römisch-katholisch
Anglikanisch/Lutherisch
Lutherisch/Römisch-katholisch
Anglikanisch/Altkatholisch
Methodistisch/Römisch-katholisch
Anglikanisch/Orthodox
Pfingstkirchen/Römisch-katholisch
Baptistisch/Reformiert
Reformiert/Römisch-katholisch und
Orthodox/Römisch-katholisch

LeerDazu muß man noch die lutherisch/orthodoxen Gespräche nennen, die noch zu keinem schriftlichen Ergebnis gekommen sind, und die noch größere Zahl von Dialogen auf regionaler Ebene, wie z. B. die Leuenberger Konkordie zwischen Lutheranern und Reformierten, die Gespräche der EKD mit griechisch-, russisch- und rumänisch-orthodoxen Kirchen und die Bemühungen um Kirchenunionen, z. B. zwischen Anglikanern und evangelischen Freikirchen (reformierte, methodistische) in England. Dann erkennt man zweierlei:
  1.Es besteht eine Verflechtung, ein vielfach geknüpftes Netz kreuz und quer zwischen allen Konfessionen und Kirchen. Jede Kirche steht im Dialog mit mehreren Partnern, und sie muß darauf achten, nach „links” nicht anders zu reden als nach „rechts”. So können Lutheraner in Verhandlungen mit Katholiken, etwa über „das Herrenmahl” oder „das geistliche Amt in der Kirche”, nicht zurücknehmen, was sie mit den Reformierten in Leuenberg vereinbart haben. Aber eine einmal gefundene Übereinkunft darf auch nicht ein Fortschreiten auf weitere Gemeinschaft mit anderen Partnern blockieren. Ein regelmäßiges „Forum” der Teilnehmer an zweiseitigen Gesprächen und die Arbeit von „Glaube und Kirchenverfassung” sorgt dafür, daß die vielen einzelnen Fäden wirklich zu einem Netz verflochten werden.
  2.Offensichtlich ist mit einer Vermehrung der Gesprächskommissionen nicht mehr wesentlich weiter zu kommen. Nicht mehr Quantität, sondern eine neue Qualität der Begegnung ist notwendig. Die eingesetzten Theologenkommissionen stellen fest, daß sie so viel Gemeinsamkeit festgestellt haben und die verbleibenden Unterschiede so wenig trennenden Charakter haben, daß Kirchengemeinschaft möglich ist.
LeerOb diese Möglichkeit nun zur Wirklichkeit wird, hängt von der Rezeption durch die Kirchen ab: Durch geistliche Aneignung und verbindliche offizielle Anerkennung müssen die Kirchen in Gemeinschaft zueinander treten und ein gemeinsames Leben führen.

LeerDazu aber scheint Bereitschaft und Fähigkeit zu fehlen. Denn es fordert, sich selbst in Frage stellen zu lassen und sich selbst zu verändern - und dem anderen eben in seiner Andersartigkeit zuzugestehen: Du lebst, zwar in anderer Weise, aber doch im selben apostolischen Glauben; und ich fordere nicht von dir, daß du zuerst in allen Stücken werdest wie ich, damit ich dich als vollgültige Gestalt der Kirche Christi erkennen kann.

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Der gemeinsame Glaube

LeerWir sind „auf dem Weg zu einem gemeinsamen Aussprechen des apostolischen Glaubens heute”, was in der oben zitierten vierten Frage ein „langfristiges Studienprojekt” genannt wird. Man hatte seit einem Jahrzehnt daran gearbeitet, eine „gemeinsame Rechenschaft über die Hoffnung, die in uns ist” (1. Petr. 3, 15) zu geben. Bei der Konferenz in Bangalore 1978 war auch ein Dokument entstanden, das als Vorstufe zu einem gemeinsamen Glaubensbekenntnis in heutiger Sprache und auf die Verhältnisse unserer Welt bezogen gelten konnte. Inzwischen einigte man sich in Lima auf ein anderes Vorgehen: Das traditionelle Glaubensbekenntnis von Nizäa 325 und Konstantinopel 381 soll zur Grundlage gemacht und aktualisiert werden. Besonders die Orthodoxen wiesen darauf hin, kein modernes Bekenntnis könne dieses ersetzen, denn die Versammlung von Nizäa konnte wirklich für die gesamte Christenheit sprechen und in Konstantinopel wurde der Text verbindlich festgelegt. Im Jubiläumsjahr 1981 hat bereits eine starke Besinnung auf dieses Glaubensbekenntnis eingesetzt, und wir sollten es mehr und mehr neben dem apostolischen Credo in unseren Gottesdiensten verwenden. Leider ist der Wortlaut an zwei Stellen ungeklärt: Zwischen Evangelischen und Katholiken ist offen, ob die Kirche die „katholische” oder die „allgemeine” genannt werden soll; und zwischen den Kirchen des Westens und des Ostens ist offen, ob vom Heiligen Geist bekannt werden soll, daß er vom Vater ausgeht oder vom Vater und vom Sohn. Ökumenischem Fortschritt dürfte es dienen, den Begriff „katholisch” als „allumfassend” wiederzugewinnen und die Wendung „und vom Sohn” (lat. filioque) als eine spätere Einfügung wieder auszulassen.

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Glauben und Leben deutscher Christen

LeerIn der Bundesrepublik Deutschland wurde nach der Begegnung des Papstes mit dem Rat der EKD eine evangelisch-katholische „Gemeinsame Ökumenische Kommission” eingesetzt und von beiden Seiten mit den möglichst ranghöchsten Vertretern besetzt. Der Wunsch von Bischof Lohse lautete am 17. 11. 1980 in Mainz, die Kommission möge sich den Problemen der konfessionsverschiedenen Ehen, der Abendmahlsgemeinschaft und der ökumenischen Gottesdienste am Sonntagvormittag zuwenden. Bisher hat sie zwei Erklärungen abgegeben:
  1.Zur 1600-Jahr-Feier des Glaubensbekenntnisses von Nizäa-Konstantinopel. In dieser Erklärung von Pfingsten 1981, die auch von der Griechisch-Orthodoxen Metropolie, der Altkatholischen Kirche und den evangelischen Freikirchen mitunterzeichnet ist, heißt es: „Dieses Bekenntnis zum dreieinigen Gott ist das einzige ökumenische Glaubensbekenntnis, das die östliche und die westliche, die römisch-katholische und die reformatorische Christenheit durch alle Trennungen hindurch verbindet. Diese gemeinsam bezeugte Wahrheit des Evangeliums zeigt, daß die Trennung unserer Kirche nicht bis in die Wurzeln gegangen ist. Die Gemeinsamkeit im Bekenntnis zum dreieinigen Gott ist unaufgebbare Bedingung für die Einheit der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche ... Die christliche Kirche hat seinerzeit in Nizäa und Konstantinopel mit dem trinitarischen Bekenntnis die Wahrheit des Evangeliums verteidigt. Wie damals, so legt die Kirche auch heute die heilige Schrift aus, wenn sie Gott als Vater, Sohn und Heiligen Geist anbetet und verkündigt und ihre Gottesdienste im Namen des dreieinigen Gottes feiert.

Die Christenheit bezeugt damit, daß diese Welt und die Menschheit in ihr nicht sich selber überlassen sind, sondern einen göttlichen Schöpfer, Versöhner und Erlöser haben. So wie Gott als Vater, Sohn und Geist in sich selbst kein einsames Wesen ist, so überläßt er auch uns nicht unserer sei es frommen, sei es gottlosen Selbstbezogenheit und Einsamkeit. Der dreieinige Gott ist ewige Liebe. Er macht seine Kirche zum Zeichen und Werkzeug neuer versöhnter Gemeinschaft.

Das Bekenntnis zum dreieinigen Gott ist deshalb die stärkste Verpflichtung, nach der vollen Einheit der getrennten Kirchen zu suchen.”
  2.Ja zur Ehe. Angesichts der heutigen Krise der Ehe will diese Erklärung vom Oktober 1981 ein „gemeinsames Zeugnis der Christen” geben, sie will - „unbeschadet bestimmter Unterschiede im Verständnis der kirchlichen Trauung und der kirchlichen Praxis” - die guten Gründe für eine christliche Ehe nennen. Es heißt:

Leer„Das ausdrückliche und öffentlich gesprochene Ja zum gemeinsamen Leben ist eine Hilfe zur Dauer der Liebe in den wechselnden Situationen der ehelichen Gemeinschaft. Es macht die Verantwortung der Liebe sichtbar. Die ausdrückliche Form der Ehe zeigt an, daß die Liebe nicht immer wieder neu von vorne anfängt, sondern in den Schritten eines gemeinsamen Lebens ihre Erfüllung suchen soll. Darum befreit das Eheversprechen von der Willkür und den wechselnden Einstellungen der beiden Partner in ihrem Verhältnis zueinander und weist sie immer wieder auf das hin, was sie aneinander bindet. In der Anerkennung des Eheversprechens nehmen die Eheleute sich gegenseitig als Person an und bekennen sich zu ihrem ursprünglichen und eigenen Willen in der Bindung aneinander. Die Liebe, die zu sich selbst und zu ihren Aufgaben steht, verwirklicht sich in der Treue. Deswegen mündet die Freiheit der Liebe in die immer neue Verantwortung, die Mann und Frau füreinander und für die Kinder übernommen haben. Die Bereitschaft zur Bindung gehört zum Ernst und zur Reife der Liebe; die Partner müssen sich gegenseitig auf das Ja des anderen verlassen können.”

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Wie geht es weiter?

LeerBeides sind ermutigende Dokumente, auf denen sich bauen läßt. Sie bestätigen, daß zwischen den Kirchen eine „Gemeinsamkeit im Bekenntnis zum dreieinigen Gott” besteht und auch in Lebensfragen einmütig gesprochen werden kann. Aber auch hier müssen Konsequenzen gezogen werden: Kann man, wenn Gemeinsamkeit im Bekenntnis besteht, die Abendmahlsgemeinschaft verweigern? Kann man, wenn Gemeinsamkeit im Eheverständnis besteht, einem konfessionsverschiedenen Ehepaar den gemeinsamen Gang zum Tisch des Herrn verwehren?

LeerDie Gemeinsame Ökumenische Kommission hat sich als nächste Aufgabe vorgenommen, die früher ausgesprochenen Verurteilungen der ökumenischen Partner zu überprüfen und gegebenenfalls zu erklären, daß diese den heutigen Partner nicht mehr betreffen.

LeerSo dürfte es Evangelischen nicht schwerfallen zu erklären, daß heute Worte der Reformationszeit (etwa die Messe sei eine „vermaledeite Abgötterei” und der Papst der „Antichrist”) die heutige Eucharistiefeier der Katholischen Kirche und ihr Oberhaupt nicht mehr zutreffend beschreiben. Die Kommission folgt also der Methode der Leuenberger Konkordie, die drei Schritte ging:
  1.Es wird eine Gemeinsamkeit im Wesentlichen festgestellt.
  2.Es wird erklärt, daß frühere Verurteilungen den heutigen Partner nicht mehr treffen.
  3.Die verbleibenden Differenzen sind nicht kirchentrennend, über sie wird ein weiteres Lehrgespräch geführt.

LeerDiese drei Schritte haben zwischen Lutheranern und Reformierten zur Kirchengemeinschaft geführt. Sollten sie zwischen Evangelischen und Katholiken nicht auch dazu führen können? Gewiß ist dies nicht möglich, wenn - um es überspitzt zu sagen! - jeder laut von Versöhnung redet, um desto selbstsicherer in seinen alten Irrtümern verharren zu können. Es ist Unrecht, zu sagen „Friede!”, wo kein Friede ist (Jer. 6.14). Die Einheit der Kirche ist Artikel des Glaubens, daher des Gebets und der Bereitschaft zur Buße der Gesinnung und einer Bekehrung des Herzens. Ohne den Heiligen Geist, an dessen erneuernde Kraft wir glauben, um dessen Kommen wir beten und dem wir uns in der Bekehrung des Herzens öffnen, verbleiben wir in der Angst und gelangen nicht zur Gemeinschaft des Volkes Gottes.

© Dr. Hans Mayr
Quatember 1982, S. 210-219

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-08-29
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