|
von Herbert Naglatzki |
Seit August 1982 hatten sich verschiedene Bruderschaften und Kommunitäten in fünf Tagungen zusammengefunden, urn sich gemeinsam zur Mitarbeit beim Kirchentag 1983 in Hannover vorzubereiten. Zu diesem Kreis gehörten: Berneuchener Dienst, Evangelische Michaelsbruderschaft, Familiaritas Amelungsborn, Jakobusbruderschaft, die verheirateten Brüder und Schwestern und die ehelosen Brüder der Koinonia. Später kam noch das Einkehrhaus St. Michael aus Hildesheim hinzu, das zwar von keiner Bruderschaft getragen wird, jedoch dem geistlichen Leben der genannten Bruderschaften und Kommunitäten verwandt ist. Schon bei der ersten Begegnung wurde durch unser Gespräch mit Vertretern vom Kirchentagsbüro in Fulda deutlich: die Aufgabe der Bruderschaften und Kommunitäten beim Kirchentag wird ein Dienst an den suchenden und fragenden Menschen sein. Eine Selbstdarstellung der Bruderschaften und Kommunitäten steht von daher an zweiter Stelle. Auf diesem Hintergrund kam es zu dem Vorschlag, nicht auf dem „Markt der Möglichkeiten” einen Platz zu suchen, sondern ein Forum zu gestalten. Dankbar haben wir diesen Vorschlag der Kirchentagsleitung angenommen. Mit dem Namen des Forums brachten wir zum Ausdruck, wie wir unsere Aufgabe beim Kirchentag verstanden wissen wollten: „Forum: Verbindlich leben - in Gemeinschaft”. Darin also sollte unser Dienst bestehen: der Frage nach verbindlich gelebtem Glauben unsere spezifische Antwort zu geben. Für die Michaelsbruderschaft wurde neben dem Forum noch als eigenständiges Angebot ein Abendmahlsgottesdienst vereinbart, die Frühmesse, die dann von Donnerstag bis Samstag an jedem Morgen um 8 Uhr gefeiert wurde. Je näher der Kirchentag heranrückte, um so mehr Unruhe machte sich vielerorts vor ihm breit. Bis hin zu einigen Bischöfen wurde eine Politisierung befürchtet, die das geistliche Anliegen des Kirchentages an den Rand drücken würde. Das Erlebnis des Kirchentages hat gezeigt, daß diese Betrachtungsweise verkehrt war. So haben wir zum Beispiel bei den von der Michaelsbruderschaft gefeierten Messen erlebt, daß man das Engagement für den Frieden und die Feier der Eucharistie nicht gegeneinander ausspielen darf. Jeder unserer Abendmahlsgottesdienste war überfüllt. Hier ist ein Wandel eingetreten, wenn man die Zahlen vom letzten hannoverschen Kirchentag im Jahre 1967 mit den jetzigen vergleicht. So feierte nämlich schon 1967 die Michaelsbruderschaft an demselben Ort, der Gnadenkirche zum Heiligen Kreuz in Hannover-Mittelfeld, die Messe. Damals fanden sich jeweils 60 Abendmahlsgaste ein, jetzt waren es immer 450 bis 500 Kommunikanten. In gestraffter Form feierten wir die Eucharistie in 35 bis 40 Minuten wegen der anschließenden Bibelarbeiten. 15 Liturgen teilten an mehreren Stellen der Kirche die gesegneten Gaben aus. Festlich stimmte uns die Musik vom Kantor der Michaelsbruderschaft, Günther Hinz, mit der von ihm komponierten, schnell eingängigen Antiphon auf das Thema des Kirchentags „Umkehr zum Leben” ein, wenn wir miteinander fröhlich sangen: „Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen”. Denn darin besteht ja die Umkehr, daß wir heimkommen ins Vaterhaus und bei Ihm den Tisch für uns bereitet finden. Was der Besuch unserer Frühmessen schon andeutete, wurde beim Schlußgottesdienst des Kirchentages offenbar: in der Frömmigkeit unserer Kirche wird das Abendmahl neu entdeckt. Erstmalig war hier in einem Gottesdienst der evangelischen Kirche der Tisch des Herrn für rund 90.000 Christen gedeckt. Der ev.-luth. Landesbischof von Hannover, Eduard Lohse, und der Präsident des reformierten Weltbundes, Allan Boesack/Kapstadt, standen diesem Gottesdienst am Hauptaltar vor. Der lutherische Bischof im schwarzen Talar, der reformierte Präsident in Alba mit roter Stola! Im Rund des Niedersachsenstadions, wo dieser Gottesdienst gefeiert wurde, gab es dann noch 60 Nebenaltäre, an denen sich immer ein Pfarrer als Liturg befand, unterstützt von 25 Kommunionhelfern. Sicherlich kann man in einem solchen Gottesdienst manches anders machen. Ich frage mich, warum man nicht statt einer Deutung der Einsetzungsworte ein kurzes Eucharistiegebet gesprochen hat. Doch bei auch berechtigten Anfragen sollten wir an diesem ersten Versuch einer großen Sakramentsfeier nicht herummäkeln. Ich selber habe mit meinen 25 Kommunionhelfern erlebt, wie von den vorwiegend jungen Kommunikanten die gesegnete Speise würdig empfangen wurde. Und auch die zahlreichen Reste wurden verzehrt, da den jungen Leuten jener Hinweis einleuchtete: „Es darf nichts umkommen.” Das besondere Erlebnis aber dieses Gottesdienstes bestand darin: der Empfang des Abendmahles am Ende des Kirchentages war ein Zeichen dafür, daß am Tisch des Herrn die Gegensätze in Seiner Kirche überwunden werden, weil Er uns in allem Streit Seinen Frieden schenkt. Daß es natürlich schön ist, mit einer großen Schar von Brüdern sich einmal gemeinsam einer Aufgabe zu stellen, auch dies macht diesen Kirchentag für mich unvergeßlich. Quatember 1983, S. 165-167 |
© Joachim Januschek Letzte Änderung: 12-09-03 Haftungsausschluss |