Symbol   Quatember

Startseite
Inhalt
Inhalt 1983
Autoren
Themen
Stichworte

Einigung der Kirchen
von Reinhard Mumm

Acht Thesen zur Einigung der Kirchen
von Heinrich Fries und Karl Rahner

Heinrich Fries / Karl Rahner: „Einigung der Kirchen - reale Möglichkeit. ” Verlag Herder, Freiburg 1983, 156 Seiten, kart. DM 26.80

LeerZwei katholische Theologen, die seit Jahrzehnten die Bahn geebnet haben für Fortschritte zur Einigung der Kirchen, treten hier vor die Öffentlichkeit mit dem leidenschaftlichen Ruf: Es muß endlich etwas Verbindliches geschehen! Von der Theologie her sind die Voraussetzungen für eine übergreifende Gemeinschaft der Kirchen weitgehend geschaffen. Warum zögern die Kirchenleitungen noch mit den Konsequenzen? Die Zeit drängt! Wenn es nicht bald zu greifbaren Ergebnissen kommt, wenn wir weiterhin auf der Stelle treten, dann werden junge Menschen, Zweifelnde und die außerchristliche Welt sich von den Kirchen abwenden.

LeerAcht Thesen tragen Fries und Rahner vor. Sie beginnen mit Grundwahrheiten, die gemeinsam bekannt werden, entwickeln die Vorstellung von Teilkirchen unter der Oberhoheit des Petrusdienstes in Rom bis hin zur Anerkennung der Ämter und einer denkbaren Kanzel- und Altargemeinschaft. Diesen kühnen Entwurf entfalten sie im Einzelnen. Der kundige Leser merkt, welche Abschnitte von H. Fries und welche von K. Rahner verfaßt wurden. Eine große Erfahrung und Weisheit sind da zu spüren. Dieser 100. Band der „Quaestiones disputatae”, wie Rahner die Schriftenreihe einst genannt hat, enthält zunächst einen energischen Beitrag zum innerkatholischen Gespräch. Beide Professoren (sie zeigen sich hier wirklich als „Bekenner”) drängen ihre eigene Kirche, auf die vorgelegten theologischen Ergebnisse mit Taten zu antworten. Es fehlt daneben nicht an Mahnungen, die sich an die evangelische Adresse richten, etwa die Eucharistie im Gottesdienst und sonntäglich zu feiern, mit den gesegneten Gaben würdig umzugehen, das Amt und die Liturgie ernst zu nehmen.

LeerÜber die Richtung, die hier eingeschlagen wird, können wir uns freuen, und wir wünschen, daß es zu direkten Gesprächen zwischen den Autoren und verantwortlichen Männern der Kirche kommt, wie wir das in München vorhaben. Dabei wird es sich zeigen, ob es wirklich denkbar ist, daß evangelische Landeskirchen als Teilkirchen mit eigener Prägung sich einer vom römischen Papst geleiteten Gesamtkirche einordnen. Das Modell der mit Rom unierten Kirchen des byzantinischen Ritus ist schon in sich nicht einfach. Kann es als Beispiel für reformatorische Kirchen gelten? Oder sollten wir nicht besser mit einer bescheideneren Absicht beginnen in Richtung einer freiwilligen kontinuierlichen Zusammenarbeit, in deren Verlauf es sich zeigen muß, wieweit der Bischof von Rom Vertrauen gewinnt in orthodoxen, anglikanischen und reformatorischen Kirchen?

LeerDie Stellungnahme der römischen Glaubenskongregation zum Ergebnis der zwölfjährigen anglikanisch-katholischen Verhandlungen ermutigt nicht, sich eine in Rom residierende Glaubenskongregation vorzustellen, die für die gesamte Christenheit zuständig wäre. Die dogmatisch-kirchenrechtliche Denkweise katholischer Theologen ist doch recht anderer Art als die von der viva vox, der lebendigen Stimme des Evangeliums, ausgehende Denkweise der Reformatoren. Zwar haben wir uns weitgehend angenähert und verständigt, Vorurteile abgebaut und voneinander neue Eindrücke gewonnen; aber es bleiben doch unterschiedliche Denkweisen und Vorstellungen, die es nahelegen, mit behutsamen Schritten, allerdings mit wirklichen Schritten aufeinander zuzugehen.

LeerIch rate dringend, daß evangelische und katholische Christen diese Schrift lesen, über die Ratschläge der Autoren sprechen und ihre jeweiligen Kirchenleitungen drängen, Stellung zu nehmen und voranzugehen mit Schritten, die das Vertrauen und die Gemeinsamkeit stärken. Wir stimmen ein in die Sätze der Regel von Taizé, mit denen das vorliegende Buch schließt: „Finde dich niemals ab mit dem Skandal der getrennten Christenheit. Habe die Leidenschaft für die Einheit des Leibes Christi.”

Quatember 1983, S. 245-246

Heinrich Fries und Karl Rahner - Die acht Thesen zur Einigung der Kirchen

I.
LeerDie Grundwahrheiten des Christentums, wie sie in der Heiligen Schrift, im Apostolischen Glaubensbekenntnis und in dem von Nicäa und Konstantinopel ausgesagt werden, sind für alle Teilkirchen der künftig einen Kirche verpflichtend.

II.

LeerDarüber hinaus gelte ein realistisches Glaubensprinzip: In keiner Teilkirche darf dezidiert und bekenntnismäßig ein Satz verworfen werden, der in einer anderen Teilkirche ein verpflichtendes Dogma ist. Im übrigen ist aber über These I hinaus kein ausdrückliches und positives Bekenntnis in einer Teilkirche zu einem Dogma einer anderen Teilkirche verpflichtend gefordert, sondern einem weitergehenden Konsens der Zukunft überlassen. Das gilt erst recht von authentischen, aber nicht definierten Lehrerklärungen der römischen Kirche. Das ist besonders bei ethischen Fragen zu beachten. Bei diesem Prinzip würde nur das getan, was jede Kirche heute schon ihren Angehörigen gegenüber praktiziert.

III.

LeerEs gibt in dieser einen Kirche Jesu Christi, gebildet aus den sich einigenden Kirchen, regionale Teilkirchen, die weitgehend ihre bisherigen Strukturen beibehalten können. Diese Teilkirchen können auch auf demselben Territorium weiterbestehen, da dies auch von einer katholischen Ekklesiologie und von der Praxis der römischen Kirche, zum Beispiel in Palästina, her nicht unmöglich ist.

IV.

Leera) Alle Teilkirchen erkennen Sinn und Recht des Petrusdienstes des römischen Papstes als konkreten Garanten der Einheit der Kirche in Wahrheit und Liebe an.

Leerb) Der Papst seinerseits verpflichtet sich ausdrücklich, die damit vereinbarte Eigenständigkeit der Teilkirchen anzuerkennen und zu respektieren. Er erklärt (jure humano), daß er von seiner obersten ihm vom Ersten Vatikanum her nach katholischen Prinzipien zustehenden Lehrautorität (ex cathedra) in einer Weise Gebrauch machen werde, die juristisch oder sachlich einem allgemeinen Konzil der ganzen Kirche entspricht, so wie ja seine bisherigen Kathedralentscheidungen in Übereinstimmung und Fühlungnahme mit dem katholischen Gesamtepiskopat ergangen sind.

V.

LeerAlle Teilkirchen haben nach alter Überlieferung Bischöfe an der Spitze ihrer größeren Untergliederungen. Die Bischofswahl in diesen Teilkirchen braucht nicht in der jetzt in der römisch-katholischen Kirche normal geltenden Weise zu geschehen (auch das neue römische Kirchenrecht kennt andere Weisen der Bischofsbestellung als durch die freie Wahl des Papstes: can. 377 § 1).

VI.

LeerDie Teilkirchen leben in einem gegenseitigen brüderlichen Austausch in allen ihren Lebensdimensionen, so daß die bisherige Geschichte und die Erfahrung der früher getrennten Kirchen im Leben der anderen Teilkirchen wirksam werden können.

VII.

LeerOhne Präjudiz über die theologische Legitimität des bis jetzt bestehenden Amtes in den getrennten Kirchen nach dem Urteil einer anderen Kirche verpflichten sich alle Teilkirchen, von nun an die Ordination durch Gebet und Handauflegung so vorzunehmen, daß ihre Anerkennung auch der römisch-katholischen Teilkirche keine Schwierigkeiten bereitet.

VIII.

LeerZwischen den einzelnen Teilkirchen besteht Kanzel- und Altargemeinschaft.

Quatember 1983, S. 248-249

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-04-09
Haftungsausschluss
TOP