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Was wird aus unserer Arbeit?
von Fritz Fraenkel

LeerZu Anfang eine gar nicht brandneue Bemerkung der Schriftstellerin Hannah Arendt: „Der Arbeitsgesellschaft geht die Arbeit aus!” An diesem Punkt scheinen wir angekommen zu sein. Dazu möchte ich bemerken, daß Arbeitslosigkeit für die Betroffenen ja nicht nur ein finanziell-wirtschaftliches Problem ist, sondern - in der Regel und vor allem, wenn sie länger dauert - auch in eine Krise des Selbstwertgefühls und des Lebenssinnes treibt, da wir nun einmal auch in unseren Wertvorstellungen auf „Arbeit” hin geprägt sind, und ein noch leistungsfähiger Mensch bemißt leicht auch für sich selber seinen Wert an der ihm möglichen Arbeitsleistung. Aber auch soziale Defizite und Isolierung stellen sich bald ein. Arbeit ist eben doch mehr als Broterwerb.

LeerMittel zum Broterwerb, zur Fristung des Lebens, zur Vorsorge ist sie gewiß und wohl auch zuerst. Aber eben doch  m e h r , schon darum, weil kein Bereich menschlichen Daseins von der Anrede Gottes ausgenommen ist, gewiß nicht ein so wichtiger wie unsere Arbeit.

LeerVon Gott her ist unsere Arbeit treuhänderischer Auftrag: „bauen und bewahren...” (Gen 2,15). Arbeit ist also nicht Strafe für Sünde und Schuld, noch immer trifft man auf diesen Irrglauben. Was ich eben zitierte, ist schon vor dem Bericht vom Sündenfall gesagt. Das Wort vom Bauen und Bewahren zieht wichtige Schlußfolgerungen nach sich. Z. B. soll also unser Wirtschaften nicht Raubbau, sondern Haushalterschaft sein. Alle Welt sagt das, aber wir verfahren nicht danach. Es ist die Frage, ob unser Wirtschaften bestehen kann vor diesem Maßstab, wenn wir heute einen immer mehr und rascher um sich greifenden ökologischen Verfall als Folge unseres Tuns wahrnehmen:

LeerMeere als Kloaken, tote Süßwassergewässer, sterbende Wälder, rapide Zunahme der aussterbenden Tier- und Pflanzenarten, Verödung und Verwüstung. Unsere „Gartenausstellungen” sind dafür kein Ersatz, wenn die Schöpfung außerhalb solcher künstlichen Reservate zusehends verfällt. „Bauen und bewahren...” und in wenigen Generationen verbraucht eine zügellos expandierende Menschheit die von der Schöpfung in Jahrmillionen angesammelten Schätze, nimmt sie ihren Mitgeschöpfen mehr und mehr „Lebensraum”. Können wir denn überhaupt noch die herrlichen Schöpfungspsalmen von den „Walfischen, mit denen die göttliche Weisheit spielt”, beten, wenn wir dabei sind, die letzten von ihnen auszurotten? Es kann doch nicht der Wille Gottes sein, daß, wo der Mensch sein Werk tut, die Schöpfung hoffnungslos verödet und verarmt! Und ganz weltklug und irdisch wäre ja wohl auch zu fragen, ob eine wachsende Menschheit in einer schwindenden Natur uberhaupt wird überleben können? Sägen wir uns nicht kurzsichtig immer mehr Äste ab, auf denen wir (wie lange noch?) sitzen?

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LeerHier ware auch nach dem Umfang einer weltweiten Rüstung zu fragen, die in einer mehr und mehr mit Atemnot kämpfenden Weltwirtschaft wuchert wie ein Krebsgeschwür, und buchstäblich das Brot der Hungernden verzehrt. Es ist ja wohl eine perverse Welt (und es ist die  u n s e r e !), in der die Großmächte sich rühmen, daß sie in wenigen Minuten an jeden Ort der Erde Massenvernichtungsmittel transportieren können, die Millionen Menschen töten, aber unfähig oder unwillig sind, Lebensmittel zu den dort Hungernden zu bringen. Gottes Urteil darüber dürfte eindeutig sein: „Ich habe gehungert und ihr habt mir Waffen gegeben.”

LeerUnd noch etwas: Arbeit ist von Gott gewollt gewiß nicht im Gegeneinander, sondern als Miteinander der Menschen: nicht so sehr Konkurrenz, als vielmehr Kooperation. Das ist ja auch der letzte Sinn des Apostelwortes, wenn er sagt: „Jeder arbeite mit seinen Händen, daß er habe zu geben den Bedürftigen.” Diese und alle Mahnungen der Schrift zur Gemeinschaft gelten doch wohl nicht nur für die Freizeitwelt! Sonst wäre ja Glaube wirklich nicht mehr als ein Hobby, als was es ja in unserer Welt auch vielen erscheint: der eine sammelt Briefmarken, der andere betet.

LeerNun einiges zur Arbeit, wie sie in unserer Welt erscheint. Natürlich kann ich hier nicht einen Abriß der Sozialgeschichte der Arbeit seit der Antike oder auch nur dem Mittelalter geben. Gehen wir gleich ins 19. Jahrhundert, zum Beginn der Industrialisierung. Diese Arbeit ist gekennzeichnet durch Arbeitsteilung, durch den Verlust der Ganzheit, der Überschaubarkeit, bald aueh der Sinnhaftigkeit (nur noch der Lohn, das Entgelt ist „Sinn” der „Maloche”: „Hauptsache, die Kohlen stimmen!” wird zum geflügelten Wort). Nur die Arbeitsteilung freilich ermöglichte andererseits die ungeheure Produktivitätssteigerung, die zur Verbilligung und Massenhaftigkeit der Produkte führt. Wir haben also, wenn man so will, mehr Lebensstandard durch Verlust von Lebensqualität - heute scheint hier ein kritisches Stadium erreicht, in das hinein das Wort Jesu trifft: „Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt und darüber seine Seele verliert?” Das eben Gesagte feststellen, heißt aber nicht, pauschal das Vergangene zu idealisieren, die „gute, alte Zeit” war so gut nicht, es gab entsetzliches Elend.

LeerWichtiger ist, daß Arbeit zur Ware wird. Man verkauft seine Arbeitskraft. Sie wird zur handelbaren Ware, zum Kostenfaktor. Das ist der tiefste Sinn des (übrigens nicht von Karl Marx erfundenen) Wortes von der „Entfremdung”. Heute nun stehen wir in einer neuen Phase, gekennzeichnet durch Worte wie Automation, Rationalisierung, EDV (Elektronische Datenverarbeitung), Mikroprozessoren („Chips”), Industrieroboter. Die Steigerung der Arbeitsproduktivität koppelt sich zusehends von der Anzahl der Arbeitenden ab. Es wäre sinnlos, sich grundsätzlich dagegen zu sperren. Man kann und muß darüber reden, was man wann und wo und in welchem Tempo einführt, und sicher darf technischer Fortschritt nicht mit sozialem Rückschritt bezahlt werden, wenn es wahr ist, daß die Wirtschaft um des Menschen willen und nicht der Mensch für die Wirtschaft und für die in ihr zu erzielenden Gewinne da ist. Hoffentlich ja nicht so: „Der Mensch steht im Mittelpunkt - und darum allen im Wege.”

LeerSicher werden wir den Ersatz von schwerer körperlicher, oft auch gesundheitsbelastender Arbeit durch Maschineneinsatz begrüßen. Ich war Chemiker, bevor ich Pfarrer wurde, und wenn ich an manche Produktionsbereiche von einst denke, da gab es Arbeitsplätze, die konnte man nur „wegrationalisieren”, da war nichts zu „humanisieren”.

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LeerHeute und noch mehr morgen betrifft dieser rasch fortschreitende Prozeß, menschliche Leistung durch Maschinenarbeit zu ersetzen, freilich längst nicht mehr nur den Produktionsbereich, sondern greift mehr und mehr ein in den „tertiären Sektor” der Volkswirtschaft, in den Bereich von Verwaltung und Dienstleistungen. Hier erwartet man sogar Arbeitsplatzeinbußen bis zu ca. 30%!

LeerAbgesehen davon aber, daß so immer mehr Arbeitsplätze wegfallen (naturlich entstehen z. B. im EDV-Bereich auch neue, aber gesamtwirtschaftlich - und das ist verständlich und liegt in der technischen Logik! - fallen durch das, was dort produziert wird, mehr Arbeitsplatze weg, etwa im Verhaltnis von 1:3, in manchen Schätzungen sogar von 1:7), werden die verbleibenden wirklich erleichtert?

LeerDa machen wir die Erfahrung von ständiger Arbeitsverdichtung, von scharferen Kontrollen, von zunehmender Isolation an den neuen Arbeitsplätzen. Oft Verlagerung der Belastungen vom körperlichen auf den psychischen, neuro-vegetativen Bereich; Haltungsschäden, Sehstörungen, typische Streßerkrankungen etwa im Magen- und Darmbereich. Tatsache ist, daß immer weniger Arbeitnehmer das Rentenalter in arbeitsfähigem Zustand erreichen, sondern schon vorher verschlissen sind.

LeerZudem ist in unserer Wirtschaftsordnung eindeutig das Kapitalinteresse den Belangen der in den Betrieben arbeitenden Menschen vorgeordnet, schon aufgrund der außerordentlich starken Sicherung des Eigenturns nach GG Art. 14 Abs. 1. Diese Garantie ist juristisch festgeschrieben und genauestens ausgeführt, wahrend Abs. 2, die Sozialpflichtigkeit doch nur eine Absichtserklärung ist, bei der es kaum ins einzelne gehende juristische Festlegungen gibt. Demgemäß erleben wir auch in aller Regel die Überwalzung der menschlichen Schadensfolgen unseres Wirtschaftens (wie übrigens auch - trotz Verursacherprinzips! - der ökologischen Defizite) auf die Gesellschaft: Arbeitslose, Kranke, Invalidgewordene werden aus der Arbeitswelt ausgestoßen und der sogenannten Solidargemeinschaft überlassen. Insofern ist der bissige Satz nicht ohne Berechtigung: „Gewinne werden privatisiert, Verluste sozialisiert!” Etwas gehässig, aber es ist was dran.

LeerWenn nun ein System permanent Menschen krankmacht, genügt es nicht, jeweils die Opfer zu versorgen (so gewiß auch dies geschehen muß), sondern es müssen die krankmachenden Ursachen eliminiert werden. Und es steht zwar schon in der Bibel, eben im 3. Kapitel der Genesis, das Wort vom „Schweiß” und von der „Mühsal” der Arbeit, das heißt aber doch sicher nicht, daß wir sie nicht bekämpfen und zurückdrängen sollten, so gewiß es ja auch auf Erden immer Krankheiten geben wird, doch niemand vernünftigerweise sich einfach damit abfindet, sondern wir alle hoffen auf immer weitere Verbesserungen unserer Heilkunde. So sollten wir uns auch nicht leichthin mit den krankmachenden und das Menschsein deformierenden Faktoren unserer Arbeitswelt abfinden.

LeerUm auch diesen Absatz abzuschließen: daß die Vorordnung der Kapitalbelange vor denen der arbeitenden Menschen höchst fragwürdig ist, sagt neben vielen Denkschriften und Enzykliken beider Kirchen auch der Nestor der katholischen Soziallehre Prof. Oskar von Nell-Breuning. Und zitieren möchte ich doch aus dem Lehrschreiben „Gaudium et spes” aus dem Jahre 1965 (Z. 67): „Die in der Gütererzeugung, der Güterverteilung und in den Dienstleistungsgewerben geleistete menschliche Arbeit hat den Vorrang vor allen anderen Faktoren des wirtschaftlichen Lebens,... denn diese alle sind nur werkzeuglicher Art. Die Arbeit aber, gleichviel, ob selbständig ausgeübt oder im Lohnarbeitsverhältnis stehend, ist unmittelbarer Ausfluß der Person.” Wenn wir schon Wert darauf legen, Christen zu sein, dann muß auch unser Wirtschaften sich an diesen Maßstäben messen lassen.

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LeerSchließlich noch einiges zum Thema „Arbeit und Arbeitslosigkeit”, das zu Beginn bereits angeschnitten wurde. Es ist pervers, wenn technischer Fortschritt mehr und mehr dazu führt, anstatt alle bei weniger Arbeit ihr Auskommen finden zu lassen (was doch dem Gebot der Gerechtigkeit entspräche), daß die einen immer mehr arbeiten müssen, oft über die Grenze des Zuträglichen hinaus, und die anderen nicht mehr arbeiten können, obwohl sie dazu willens und auch imstande wären, es wohl auch nötig hatten. Es ist ohnehin absurd, daß die einen mit ihrem Übermaß an Arbeit dafür sorgen müssen, andere dafür zu bezahlen, daß man sie nicht arbeiten läßt! Die einen werden krank, weil sie zuviel arbeiten müssen, und die anderen leiden, weil man sie nicht arbeiten läßt.

LeerDas ist keine sozialutopische Spinnerei, sondern ergibt sich aus den Setzungen Gottes, wenn Gerechtigkeit kein leeres Wort sein soll. (Übrigens, um einem verbreiteten Mißverständnis vorzubeugen, es heißt bei Paulus: „Wer nicht arbeiten will, der soll auch nicht essen...”!), nicht wie bisweilen fälschlich zitiert: „Wer nicht arbeitet...”!)

LeerWenn also die Technik immer mehr menschliche Arbeit übernimmt - wogegen im Grundsatz nichts zu sagen wäre - müssen sowohl die Erträge wie auch das Maß der noch nötigen Arbeit möglichst gerecht aufgeteilt werden.  E i n  Mittel dazu ist wohl auch die vieldiskutierte Arbeitszeitverkürzung, die ja auf verschiedene Weise und in verschiedenen Kombinationen erfolgen kann. Arbeitsverkürzung ist sicher kein Allheilmittel, sowenig wie irgendeine andere Maßnahme, aber sie ist ein unerläßlicher Beitrag.

LeerIch halte es für überheblich, Arbeitszeitverkürzung als „Verteilung des Mangels” abzutun. Und wenn - Wachstum in nennenswertem Ausmaß ist weit und breit nicht in Sicht, was soll's also: wenn wir den Mangel nicht beheben können, ist's noch immer das Schlechteste nicht, auch ihn wie alles andere sonst, gerecht unter allen zu teilen.

LeerÜbrigens ist es bedauerlich, wie die Arbeitszeitverkürzung in der Bundesrepublik Deutschland zum Gegenstand fast dogmatischer Auseinandersetzungen gemacht wird. In Österreich behandelt man dieses Thema viel pragmatischer, gelassener und auch - menschlicher. Auch das weite Feld der Teilzeitarbeit könnte bei größerer Flexibilitat hier wesentliche Entlastungen bringen, wenn man es besser nutzte.

LeerHand in Hand damit sollte der weitere Ausbau von Mitbestimmung und Mitverantwortung gehen. Gerade unter dem Gesichtspunkt der Menschenwürde ist es auf die Dauer unzumutbar, die in einem Betrieb oder einer Dienststelle Arbeitenden eben nur als „Arbeitskräfte” zu sehen.

LeerAuch weiterer Ausbau der Humanisierung der Arbeit ist unerläßlich, d. h. möglichst menschengerechte, menschenschonende Einrichtung der Arbeit. Humanisierung der Arbeit kann nie ein für allemal geleistet werden, da jede neue Technologie ihre spezifischen Gefährdungen und Belastungen der mit ihr arbeitenden Menschen mit sich bringt (die oft erst nach einiger Zeit sich bemerkbar machen).

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LeerDringend nötig sind neue kooperative Formen der Arbeitsorganisation. Die Hierarchie in manchen Betrieben ist heute drückender als die militärische. Aber nicht nur dies: unsere Art und Weise, Arbeit zu organisieren, treibt perverserweise die arbeitenden Menschen statt zu Solidarität und gegenseitiger Hilfe in gnadenlose Konkurrenz und oft regelrechten Verdrängungswettbewerb. Das ist zutiefst unchristlich und nicht verantwortbar. Doch heutzutage fängt das schon in der Schule an - wer Rücksicht nimmt und dem Schwacheren hilft, sich also christlich verhält, ist faktisch der Dumme! Eine neue Definition von Arbeit halte ich für unumgänglich und unerläßlich. Wir haben uns daran gewöhnt, den Ehrentitel „Arbeit” nur der bezahlten Lohnarbeit zuzuerkennen. Das ist falsch und wenig menschlich. Auch der Mann und die Frau, die füreinander im Hause da sind, auch die Mutter - und der Vater? - in der Familie arbeiten!

LeerWir müssen unser Verstandnis von Arbeit ausdehnen auf jede Art sozial nützlicher Betätigung. Da ist vieles, was man gar nicht bezahlen kann und was wir doch alle bitter nötig haben: Kommunikation auf allen Ebenen, Nachbarschaftshilfe, Gemeinwesenarbeit, Sorge um Kinder, um Jugendliche, um Gefährdete, um Ältere, um Behinderte, Pflege unserer Umwelt. Soweit diese Dinge noch geschehen, haben wir das alles viel zu sehr institutionalisiert; und das heißt doch auch: von uns persönlich weggeschoben! Hier bedarf es im guten Sinn wieder einer Privatisierung, richtiger: einer Verpersönlichung; aber dazu muß den Menschen auch die Möglichkeit gegeben und Raum gelassen werden! Zu tun wäre ja genug, die Aufgaben schreien uns geradezu an; nur wird gerade da am meisten gespart, gerade in knappen Zeiten wie heute, wo sie am dringendsten sind.

LeerWir brauchen neue, weniger erwerbswirtschaftlich orientierte Wertsetzungen und Bewertungsmaßstäbe. Es ist ein ungutes, ‚böses’ Wort, das ich früher oft hören mußte, wenn wir junge Menschen zu Sozialdiensten ermunterten: „Mein Kind hat es nicht nötig, andern Leuten ihren Dreck wegzuputzen!” Wenn dies das Leitmotiv bleiben sollte, dürfen wir uns nicht beklagen, daß unsere Welt, auch unsere Arbeitswelt immer öder, immer kälter, immer unmenschlicher wird. Aber gottlob gibt es hier allenthalben, gerade unter jungen Leuten, neue, menschlichere Ansätze, wahrhafte „Alternativen”! Die Kirche wird oft dafür kritisiert, daß sie in gesellschaftspolitischen Streitfragen und Konflikten einseitig Stellung nimmt. Man sagt ihr, sie solle sich da raushalten, bestenfalls sich noch um Erziehungs- und Familienfragen kümmern, auch Alten- und Krankenpflege ist man noch bereit, ihr zuzugestehen, aber die Welt solle sie den (meist selbsternannten) „dafür Zuständigen” überlassen, also z. B. die Sorge um den Frieden am besten den Waffenkonstrukteuren und Militärpolitikern!

LeerD a s  eben nicht! Sicher soll die Kirche nicht zu allem und jedem grad nur so daherreden. Wenn sie redet, soll sie sich sachkundig machen (das kann man heute auf fast allen Gebieten, es gibt Material genug!) und vor allem ethische, biblische Gesichtspunkte einbringen. Aber das muß sie tun! Ich erinnere nur an die vielfachen Stellungnahmen Luthers zu fast allen Fragen des öffentlichen Lebens seiner Zeit.

LeerGewiß ist die Kirche für alle da; aber das heißt nicht, daß sie allen das Gleiche zu sagen hätte. Wenn sie Jesus folgt, muß sie gelegentlich auch Partei nehmen, durchaus, denn es geht um Gerechtigkeit. Sie soll aber dann nicht bei denen „oben” zu finden sein, dort wo Macht und Glanz zu Hause sind, sondern bei denen „unten”. Welche Positionen das konkret sind, läßt sich gewiß nicht ein für allemal und ganz sicher nicht nach einem Schema (etwa „rechts - links”) festlegen. Doch wenn wir an die Seligpreisungen Jesu (Matthaus 5, und noch deutlicher die entsprechenden „Selig - Wehe”-Rufe in Lukas 6!) denken, ist der legitime rechtmäßige angemessene Ort der Kirche bei den Schwächeren im Spiel der gesellschaftlichen Kräfte, bei den Bedrängten, den Zukurzgekommenen, bei denen, die leiden an den Zuständen.

Quatember 1984, S. 80-86

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-09-08
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