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Ernste Weihnacht
von Walter Tappolet

Collage Ernste WeihnachtLeerSo lautet die Überschrift der am 25. Dezember 1978, einem traurigen, notvollen Weihnachten, begonnenen und auch am gleichen Tag vollendeten Collage (63 cm hoch, 47 cm breit). Sie könnte auch „Weihnacht in ernster Zeit” heißen. Also einmal mehr nicht das liebliche Fest voll Kinderseligkeit, nicht ein nostalgischer Rückblick, sondern „Weihnacht  h e u t e ”, wo wir endlich die unausbleiblichen Folgen der Umweltzerstörung zu ahnen vermögen. Oder „Weihnacht  m o r g e n ”, nämlich in der Zeit der Katastrophen . . . Der Mittelpunkt, das Wichtigste, zwar nicht im Zentrum, sondern ganz oben rechts, der helle Stern, der alle Finsternis überstrahlt. Weihnacht ist hier nicht losgelöst vom Kommenden betrachtet, sondern in den großen Zusammenhang gestellt wie beim Adventslied „Es kommt ein Schiff geladen”.

LeerDieses Lied bezieht nicht nur Weihnacht noch mit ein, sondern gleich den ganzen Erdenweg Christi. Auch Luther sah die großen Zusammenhänge; so haben wir von ihm kein einziges Passionslied, dafür das herbe Osterlied „Christ lag in Todesbanden”, das vom Ostersieg her rückblickend der Passion gedenkt. Und bei seinem wohl wichtigsten Weihnachtslied „Gelobet seist du, Jesu Christ” spannt jede Strophe außer der ersten und der letzten in den ungeheuren Bogen des Gegensatzes vom Ursprung in der himmlischen Herrlichkeit zur Erbärmlichkeit der Menschwerdung. In der sechsten Strophe heißt es: „Er ist auf Erden kommen arm, / daß er unser sich erbarm, / und in dem Himmel mache reich / und seinen lieben Engeln gleich. / Kyrieleis!” Wenn auch eine süddeutsche und sehr früh schon in der Schweiz gesungene Fassung mit dem Halleluja verbürgt ist, so trifft die norddeutsche mit Kyrieleis doch besser den Gehalt des ganzen Liedes; denn auch in der Weihnachtsfreude bleiben wir auf Gottes Erbarmen angewiesen.

LeerAlle Weihnachtslieder von Jochen Klepper entstammen dem Glauben an diese Polarität. Am eindrücklichsten ist die Spannung des Gegensatzes von Freude und Not, von Licht und Dunkel im „Weihnachts-Kyrie”, das ebenfalls das Weihnachtslied mit der Auferstehung und der Vollendung beschließt.
Du Kind, zu dieser heiligen Zeit
gedenken wir auch an dein Leid,
das wir zu dieser späten Nacht
durch unsere Schuld auf dich gebracht.
Kyrie eleison!

Die Welt ist heut voll Freudenhall.
Du aber liegst im armen Stall.
Dein Urteilsspruch ist längst gefällt,
das Kreuz ist dir schon aufgestellt.
Kyrie eleison!

Die Welt liegt heut im Freudenlicht.
Dein aber harret das Gericht.
Dein Elend wendet keiner ab.
Vor deiner Krippe gähnt das Grab.
Kyrie eleison!

Die Welt ist heut an Liedern reich.
Dich aber bettet keiner weich
und singt dich ein zu lindem Schlaf.
Wir häuften auf dich unsere Straf.
Kyrie eleison!

Wenn wir mit dir einst auferstehn
und dich von Angesichte sehn,
dann erst ist ohne Bitterkeit
das Herz uns zum Gesange weit!
Hosianna!
LeerDie östlichen Ikonen stellen meist die Geburt nicht im Stall dar, sondern in einer Höhle, die als Stall dienen muß. Auf den üblichen Weihnachtsikonen ruht die Gottesmutter auf einem ovalen, mandelförmigen Lager, das Kind jedoch daneben auf einem Schrein. Die Ikonen von Maria Himmelfahrt zeigen Maria in einem Sarkophag oder auf einem Schrein. Ich wußte nicht, was ich tat, als ich das mir ungesucht zu-fallende - im meditativen Schaffen gibt es keine „Zufälle”! - Papier des Autoreifens verwendete. Oft erfüllt man das Wichtigste, wenn man nicht bewußt handelt, sondern willig geschehen läßt, was werden will.

LeerSo erreicht das Licht des Weihnachtssterns auch die Welt der Technik mit all ihrer Not in unserer Zeit und läßt seinen Glanz aufleuchten auf dem unerhört „schönen” Ornament des Lastwagenpneus, ein Symbol, das der Erlösung, die an Weihnacht begann, das  a l l e m  gilt.

Quatember 1986, S. 195-196

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-10-29
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