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Zum Osterhasen
von Jürgen Boeckh

LeerMehrere Leser haben Zweifel geäußert, ob die Ausführungen von Georges Pfalzgraf, die unter der Überschrift „Osterhase oder Osterlamm?” im vorigen Heft zu lesen waren, in allem zutreffen. Besonders wurde bezweifelt, daß der Osterhase aus dem Osterlamm abzuleiten ist (ohne daß bestritten werden sollte, daß er in vielen Bereichen das Osterlamm verdrängt hat). Aus Hamburg ging der Redaktion das Blatt „Blickpunkt Kirche” (April 1987) zu, in dem sich ein Artikel von Uwe Michelsen befindet, der „De Osterhaas” überschrieben ist. Da wir auch Leser haben, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, die also das Plattdeutsche kaum verstehen werden, geben wir ihn hier in Hochdeutsch wieder. Auf das Eigentümliche der Mundart müssen wir damit leider verzichten.

Leer„‚Christus ist vom Tod auferstanden’: So singen wir Christenmenschen zu Ostern. Aber ein großer Teil der Menschen denkt gewiß nicht daran. Vielen kommt wohl zuerst der Osterhase in den Sinn. Aber - was hat Meister Lampe mit dem christlichen Fest zu tun? ‚Reineweg gar nichts’, wirst du wohl meinen. Stimmt nicht! Warum du schief liegst, will ich dir erklären. Noch zu Anfang unseres 20. Jahrhunderts war es für die Kunsthistoriker ein Rätsel, was der Hase immer wieder auf alten christlichen Leuchtern, Bildern und Grabsteinen zu suchen hat. Da haben sie dann alte Schriften aus Rom und Griechenland studiert - und sie wurden gewahr, daß der Hase und das Osterfest ganz fest zusammengehören.

LeerDenn die ersten christlichen ‚Väter’ unserer Kirche, die im Alten Testament einen Wegweiser auf Jesus suchten, haben zwei Stellen gefunden, die sie mit dem Felsengrab Jesu zusammenbrachten. In Psalm 104 heißt es:
‚Die hohen Berge sind der Gemsen Zuflucht
und die Steinklüfte der Kaninchen.’
LeerUnd bei Salomo im 30. Kapitel steht geschrieben:
‚Kaninchen - ein schwaches Volk;
dennoch legt es sein Haus in den Felsen.’
LeerDaß der Hase sein Haus in den Felsen haut, das war für die Väter unserer Kirche der Beweis dafür, daß diese Tiere auf Jesus wiesen. Denn am Ende seines Lebens haben sie ihn in ein Felsengrab gelegt. Zu Ostern war der Stein vor seinem Grab nicht mehr da. Die beiden Frauen, die am Ostermorgen zum Grab gekommen waren, fürchteten sich sehr als der große Stein ganz abgewälzt war. Der Felsstein und Ostern - das gehört zusammen. Und so können wir denn auch verstehen, was der Hase, der sein Haus in den Felsen baut, mit Ostern zu tun hat.

LeerWas dies angeht, daß nun gerade der Hase die Ostereier bringen soll, steht auf einem anderen Blatt. Im Mittelalter wurde in der Osterzeit die Steuer an den Grundherren bezahlt. Das konnten auch gelegentlich ‚Naturalien’ - Eier - sein. Als dann diese Steuer abgeschafft wurde, haben die Leute daran festgehalten, in der Osterzeit bunte Eier zu verschenken. Daran sollten nun die Kinder ihren Spaß haben.

LeerNun ist es gewiß und wahrhaftig nicht zu glauben, daß gerade der Hase die Eier angemalt haben soll. Mag sein, daß ein pfiffiger Bäcker auf diese Idee gekommen ist. Fest steht, daß im Jahre 1682 Georg Frank aus Heidelberg in einem gelehrten lateinischen Buch geschrieben hat: ,In unserem Heimatland werden die Ostereier nun Haseneier genannt. Den kleinen Kindern soll weisgemacht werden, der Osterhase habe sie gelegt und im Garten versteckt. Man will sie nun die Kinder suchen lassen - und die Erwachsenen sollen ihren Spaß daran haben.” Der Autor dieses Artikels hat in den beiden Bibelzitaten, die bei ihm auch in Plattdeutsch zu lesen sind, „Hasen” zu stehen. Ich habe aus der Lutherbibel vor der Revision von 1964 zitiert. Heute heißt es in Ps. 104,18 und Spr. 30,26 (wie in der Einheitsübersetzung) „Klippdachs” statt „Kaninchen”. Der Osterhase, der die Eier spendet, ist übrigens wie der Weihnachtsbaum zuerst im Elsaß bezeugt. Ist dies das „Heimatland” von Georg Frank?

Quatember 1987, S. 125

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-11-15
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