Symbol   Quatember

Startseite
Inhalt
Inhalt 1987
Autoren
Themen
Stichworte

Keine Nachfolge ohne Wandlung
von Gerhard Steege

LeerVater Ammon wurde gefragt: „Welches ist der schmale und beschwerliche Weg?” Er antwortete: „Der schmale und beschwerliche Weg ist der: Macht haben über seine Gedanken und sein Verlangen beschneiden um Gottes willen. Dies ist gemeint, wenn von den Jüngern gesagt wurde: ‚Siehe, wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt.’”

Weg und Wort der Väter, Nr. 24

LeerDer fragende Mönch knüpft an den Satz Jesu in der Bergpredigt an: „Wie eng ist die Pforte, und wie schmal ist der Weg, der zum Leben führt? ... Geht hinein durch die enge Pforte!” (Matthäus 7, 14a.13a) Was damit konkret und praktisch gemeint ist, möchte der Frager wissen - eine Frage, die engagierte Christen im Lauf der christlichen Glaubensgeschichte immer wieder beschäftigt hat. Sie ist auch sehr unterschiedlich beantwortet worden. Die Antwort in der altkirchlichen Anekdote erscheint in besonderer Weise zeitgemäß. Es ist die Frage: Wie kann ich in meiner Lebensführung Gottes Willen entsprechen, ihm gehorsam und damit auf dem Weg des Lebens sein, ohne daß ich doch, wie seinerzeit die Jünger, Beruf und Familie aufgebe? Wer so fragt, der erhält hier die Botschaft: Gewinne Macht über deine Gedanken und schneide deine Wünsche zurück um des letzten Zieles willen, für das Leben, das Gott allein gibt.

LeerKeine weit ausgreifenden Aufgaben werden angegeben, sondern etwas im Grunde ganz Einfaches: Sieh zu, daß du selbst umgewandelt wirst. Das mag enttäuschend nebensächlich für den sein, der Aufgaben im Sinn hat, die „außen” liegen und tatkräftiges Handeln erfordern. Wer aber schon einmal damit begonnen hat, an sich selber zu arbeiten, der weiß, wieviel Geduld und Zähigkeit nötig sind, um Schritte auf diesem steinigen Weg zu gehen.

LeerMacht über die Gedanken gewinnen: dieser Satz wäre überflüssig, wenn es hier um Denkprozesse ginge. Viele unserer „Gedanken” sind aber an Erlebnisse gekoppelt und also mit Gefühlen verbunden: mit zornigen oder aggressiven, mit dem Gefühl der Abwehr oder der Angst, mit sehnsüchtigen oder liebevollen Empfindungen. Macht über die Gedanken gewinnen meint also genauer: Macht über die Gefühle gewinnen, die die Gedanken begleiten; Macht gewinnen über das, was mich bei einem Gedanken „bewegt”; also mich nicht beherrschen und mitreißen lassen von dem, was mich bewegt (meist ja in eine Richtung, die ich gar nicht will). Die Macht über die eigenen Gefühle soll andererseits aber auch nicht so weit getrieben werden, daß sie verkümmern und verschwinden oder unterdrückt werden. Es wird nicht verlangt, daß wir unsere Gefühle als Feinde ansehen, die wir ausrotten müßten. Sie gehören zu unserer Geschöpflichkeit; Gefühle und Einfalle machen einen wesentlichen Teil unserer Lebendigkeit und Frische als Menschen aus. Macht gewinnen über unsere Gedanken - das zielt auf die Formung und Gestaltung dessen, was uns (wortlos oder bis zu Worten) bewegt, damit es uns nicht umtreibt, sondern aufbauend und fördernd wirkt, für uns selbst und für die Menschen um uns. Denn es ist unausbleiblich, daß die Gestaltung unserer Gefühle ausstrahlt. „Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen bleiben.” (Matthäus 5,14) Umgekehrt wirkt es sich auch aus, wenn wir uns „gehen lassen” - dann aber Verwirrung stiftend.

LeerSchneide deine Wünsche zurück. Der gärtnerische Ausdruck macht deutlich: Zurückschneiden fördert kräftiges und fruchtbringendes Wachstum; es ist keine Vernichtungsaktion für eine Pflanze, sondern pflegerische Tätigkeit. Es wird nicht gefordert, daß wir unsere Wünsche und Einfalle ausrotten, denn sie gehören zu unseren „Ressourcen” und können bisweilen sogar zum Fahrzeug auf einem ganz neuen Weg werden. Das Zurückschneiden richtet sich gegen das unfruchtbare Ins-Kraut-Schießen, es ist Überprüfung und entschlossene Aktion zugleich. Wenn ich erkannt habe, daß die Verwirklichung eines Wunsches einen zu hohen „Preis” kostet oder auf Kosten eines anderen geht und damit die Liebe verletzt oder daß seine Realisierung Gottes Willen, wie er sich erschließt, zuwiderläuft, dann ist es geboten, den Wunsch zu „zähmen” oder ihm ganz seinen Lebenssaft zu entziehen, so daß er austrocknet. Unterdrücken ist unrealistisch, weil das Unterdrückte doch seinen Lebensdrang behält und sich aus dem Keller der Seele nur störend bemerkbar macht. Wohl aber überprüfen und zähmen oder davon abrücken - das heißt es, die Wünsche zurückzuschneiden.

LeerMacht über seine Gedanken gewinnen und die Wünsche zurückschneiden - um Gottes willen! So zeichnet sich von diesem Väterspruch her ein Weg ab, der für uns Heutige gangbar wird. Für uns, die wir nicht „alles verlassen”, um Jesus nachzufolgen. Offenbar haben schon die altkirchlichen Mönche ihren Weg nicht als den einzig möglichen Weg der Nachfolge angesehen.

Quatember 1987, S. 161-163

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-11-15
Haftungsausschluss
TOP