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„büßen” - was bedeutet das?
von Heinrich Kahl

Leer„Das sollst du mir büßen!” hören wir rufen, und dieser Ruf ist als Drohung gemeint und vom Geist der Rache und der Strafe diktiert. Es wäre für ein Zusammenleben in Frieden und Einigkeit besser, wenn wir das Wort „büßen” anders und richtiger verstünden, indem uns seine sprachliche Verwandtschaft und Herkunft bekannt und geläufig wäre. Die Tätigkeit des Büßens wird heute nicht mehr unmittelbar verstanden. Wir verwenden das Wort zwar in Redensarten (wie oben oder in der Wendung „er mußte seinen Leichtsinn büßen”), aber Sinn, Herkunft und Bedeutung verstehen wir nicht mehr recht. - „Seine Lust büßen” beispielsweise heißt ja keineswegs, dafür bestraft zu werden, sondern vielmehr: sie auskosten. „Hunger büßen” heißt Hunger stillen.

LeerDas Wort „büßen” hat eine gemeingermanische Wurzel; es erscheint im Mittelhochdeutschen als „büezen” und bedeutet dort „bessern, wiedergutmachen, vergüten”; im Althochdeutschen bedeutet „buozen” soviel wie „(ver-)bessern, wiederherstellen, ersetzen”.

LeerIm Mittelhochdeutschen war der „altbüezer” der Handwerker, der alte Schuhe ausbesserte. Der „Lückenbüßer” ist bei uns derjenige, der die Lücke ausfüllt, damit die Situation verbessert, indem er die gestörte Ordnung wiederherstellt. Im Niederdeutschen bedeutet „böten” nicht nur „zur Glut entfachen, das Feuer besser anfachen”, sondern ganz allgemein auch „bessern” und „flicken” („Netten böten” = Netze flicken).

LeerSo sehen wir die Verwandtschaft und den Zusammenhang von „büßen” mit unseren neuhochdeutschen Wörtern „besser”, „bessern” und „Besserung”. Wörterbücher geben an, daß das Tätigkeitswort „büßen” amtlich nicht mehr gebräuchlich ist. Die Kirche spricht von „Buße tun”, und der juristische Begriff heißt „eine Strafe verbüßen”.

LeerImmerhin widmet das heutige gängige DEUTSCHE WÖRTERBUCH von Wahrig den Stichwörtern „büßen” und „Buße” 12 und 13 Zeilen, und es führt noch darüber hinaus 14 Zusammensetzungen mit „Büß-” an. Landläufig stellt man sich unter einem Büßer einen Menschen vor, der sich kärglich kleidet, Strapazen auf sich nimmt und auf Annehmlichkeiten verzichtet. Johannes der Täufer ist der Prototyp, der in der Wüste von Heuschrecken und wildem Honig lebt und ein grobes Gewand trägt. Fragte man heutzutage, warum er wohl so lebte, so hörte man vielleicht die Antwort: Weil er, sich selbst erniedrigend, auf die Herrlichkeit des erwarteten Messias hinweisen wollte.

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LeerEs heißt jedoch in den Evangelien auch: „Er (Johannes) predigte die Buße zur Vergebung der Sünden” (Markus 1,4), „.. . predigte die Taufe der Buße zur Vergebung der Sünden” (Lukas 3,3) und „... Johannes der Täufer predigte in der Wüste und sprach: Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!” (Matthäus 3,1.2) - Er fordert also auf zur Buße, mahnt zum Büßen, und der heutige Mensch ist weitgehend in der Verlegenheit, mit der Forderung nicht recht etwas anfangen zu können: Wie macht man das, wenn man büßen will?

Leer„Buße” wird im obengenannten Wörterbuch erklärt mit „religiöse Handlung zur Wiedergutmachung einer Tat oder zur Besserung (Opfer, Fasten, Beten, Wallfahren); Reue und Wille zur Besserung”.


1

Mit Ernst, o Menschenkinder
das Herz in euch bestellt;
bald wird das Heil der Sünder,
der wunderstarke Held,
den Gott aus Gnad allein
der Welt zum Licht und Leben
versprochen hat zu geben,
bei allen kehren ein.

3

Ein Herz, das Demut liebet,        
bei Gott am höchsten steht;        
ein Herz, das Hochmut übet,        
mit Angst zugrunde geht.        
Ein Herz, das richtig ist        
und folget Gottes Leiten,        
das kann sich recht bereiten,        
zu dem kommt Jesus Christ.        

4

Ach mache du mich Armen
zu dieser heilgen Zeit
aus Güte und Erbarmen,
Herr Jesu, selbst bereit.
Zieh in mein Herz hinein
vom Stall und von der Krippen,
so werden Herz und Lippen
dir allzeit dankbar sein.


2

Bereitet doch fein tüchtig
den Weg dem großen Gast;
macht seine Steige richtig,
laßt alles, was er haßt;
macht alle Bahnen recht,
die Tal laßt sein erhöhet,
macht niedrig, was hoch stehet,
was krumm ist, gleich und schlicht.

Valentin Thilo (EKG 9)

LeerIm GROSSEN DUDEN, Bd. 7, Etymologie (Herkunftswörterbuch der deutschen Sprache), finden wir unter dem Stichwort „Buße” auch die Bemerkung: „In der Kirchensprache bezeichnete althochdeutsch ‚buoza’ die Genugtuung des Sünders gegenüber Gott und trat statt des zuerst verwendeten althochdeutschen ‚hriuwa’ (‚Reue’) für lateinisch ‚poenitentia’ als Bezeichnung des Bußsakraments ein. Luther vertiefte den Begriff wieder als ‚Schrecken und gläubige Reue’ im Sinne des griechischen Grundwortes ‚metánoia’ = ‚Sinnesänderung’.”

LeerDie Spannweite der Bedeutung von „büßen” entfaltet sich vom Zustand des Wohlbefindens und Auskostens, des Flickens und Ausbesserns über Genugtuung, Rache und Strafe bis hin zur Sinneswandlung und Umkehr des reuigen Menschen (metánoia), der dadurch innerlich gebessert wird. Dieser Bedeutungswandel weist zugleich auf eine Spannung hin, die der Christ zu bedenken, auszuhalten und zu bewältigen hat.

Quatember 1987, S. 203-205

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-11-15
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