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I. E. F.-Konferenz in Santiago de Compostela
von Wolff von Lupin

LeerIn vielen Jahrhunderten hat das Wunder von Santiago de Compostela Völkerscharen angezogen. Auch wir 80 von der Deutschen Region der International Ecumenical Fellowship waren gekommen in Erwartung des Wunders, welches Don Julian, der Leiter der Konferenz, als das Wunder der persönlichen Bekehrung, das Wunder der Einheit der Kirche, das Wunder der Versöhnung der Menschen und Völker Europas genannt hatte.

LeerAn die 50 von uns, darunter etliche Michaelsbrüder mit Frauen, fuhren mit dem von Annegret Keller organisierten uns längst wohl vertrauten Bus. Geistlicher Beginn und Abschluß waren in St. Matthias in Trier. Übernachtet wurde in Chartres, Bilbao und Oviedo. Es war eine Pilgerfahrt mit Stundengebeten, Gesängen und mannigfachen Beiträgen.

LeerAlle Teilnehmer der Konferenz - etwa 300 -wohnten in dem riesigen Seminario Mayor neben der Kathedrale. Im großen Hof waren der Eröffnungs- und der Schlußgottesdienst. In der Kirche San Martin des Seminario mit ihrem gewaltigen Barockaltar waren der reformierte, der lutherische und der anglikanische Gottesdienst, das tägliche Mittagsgebet und ein Gebet der Jugendlichen für Friede und Einheit. Die Vorträge und die Generalversammlung waren in dem großen Auditorium der Universität. Der Vortrag von Manuel C. Diaz y Diaz aus Santiago über die Beziehungen zwischen Christen, Juden und Muslimen im Hochmittelalter gab uns eine gute historische Grundlage. Der reformierte Pastor Daniel Atger aus Paris sprach von dem Weg zur Einheit der europäischen Christen heute. Er schilderte die Geschichte der ökumenischen Bewegung. Unsere Begegnung in Santiago ist ein Gleichnis für den gemeinsamen Weg der Christen Europas zu ihrer Einheit, zu einer wahrhaft weiten Dimension der Ökumene. Don Eugenio Romero Pose von Santiago behandelte ausführlich das Konferenzthema, nämlich die Bedeutung von Compostela für ein versöhntes und geeintes Europa. Im Mittelalter war der Weg nach Santiago ein Weg der Harmonie und Kultur gewesen, ein Weg der Gerechtigkeit und der Toleranz. Denn der mittelalterliche Mensch hatte durch seinen Glauben einen höchstmöglichen Grad der Lebensfülle erreicht. So bedeutet die Santiagotradition eine Herausforderung an Europa, sich selbst treu zu bleiben und zugleich anderen Völkern zu bringen, was seine eigene Geschichte ermöglicht hat.

LeerVor dem Frühstück gab es täglich zur Auswahl verschiedene Gebetsgemeinschaften, eine römisch-katholische Messe und eine göttliche Liturgie, welche Bischof Abbas Marcos von der koptisch-orthodoxen Kirche in Frankreich mit einem Diakon zelebrierte. Der Höhepunkt der Konferenz war der Festgottesdienst in der Kathedrale, den Erzbischof Antonio Romero Varela leitete. Er kann deutsch sprechen und schätzt die Michaelsbruderschaft. In seiner Predigt sprach er von den tiefen Rissen im sozialen und menschlichen Bereich in Europa, insbesondere von der dramatischsten Spaltung zwischen denen, die alle religiöse Bindung aufgegeben haben, und jenen, die im Glauben eine Orientierung haben für ihre persönliche und soziale Existenz. Die Zukunft der Einheit der Christen und mit ihr die Versöhnung Europas hängt heute mehr denn je von den Getauften ab, ob ihr Lebensweg ein Weg der inneren Heiligkeit ist, bewirkt durch den Heiligen Geist. Der Grundsatz aller ökumenischen Bewegungen unserer Zeit ist der Primat des Geistes und unsere Antwort auf seine Eingebung. Wir sangen, und die Spanier, Franzosen, Engländer sangen mit: „Ihr seid das Salz der Erde, ihr seid das Licht der Welt.” Selbstverständlich wurde allen die Hostie gereicht und den Vertretern anderer Konfessionen im Chorraum auch der Kelch.

LeerEine praktische Ergänzung der Konferenz erlebten die Busfahrer in der Begegnung mit Don Silverio in Oviedo. Er ist Partnerpriester von St. Matthias. Die Entkirchlichung in Spanien, zumal in der Hafenstadt Gijon mit vielen Arbeitslosen, macht ihm sehr zu schaffen. Er gibt sich alle erdenkliche Mühe, Menschen zum Glauben zurückzugewinnen. Er hat bei Don Jose Vaquero ökumenische Theologie studiert. Seine ökumenische Weite erfreute uns. Nach wie vor schlägt in Santiago de Compostela das Herz Europas. Dort wurde für uns der Primat des Geistes zu einer beglückenden Erfahrung. Wir glauben daran, daß Gott durch seinen Heiligen Geist neues Leben schafft in uns, in unseren Gemeinschaften, Gemeinden und Kirchen. Wir glauben an das Wunder, daß Europa heimfindet zu Gott, an das Wunder vom geeinten und versöhnten Europa, an das Wunder, daß die Menschheit und die Schöpfung am Rande des Abgrundes bewahrt bleiben.

Quatember 198, S. 228-229

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-11-15
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