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„Um Maria geschart”?
von Georges Pfalzgraf

[Zu Gebet für den 4. Sonntag im Advent und für Marienfeste]

Leer... Von vornherein möchte ich sagen, daß ich mich über solch ein Gebet freue, da es etwas ausdrückt aus der Fülle, die in der Heiligen Schrift vorhanden ist. Jedoch fielen mir beim Lesen des Gebetes einige Überlegungen ein, die ich hier mitteilen möchte.

LeerIn der 3. Bitte heißt es: „Für die Kirche in aller Welt, daß ihre Bischöfe ... wie einst die Apostel ... um Maria geschart, zu einer betenden ... Kirche werden”. Die Aussage „um Maria geschart” scheint mir nicht schriftgemäß. Sie erweckt den Eindruck, daß Maria in Konkurrenz mit Jesus tritt, wovor Matthäus 12,46 und die Parallelstellen warnen. Die Mutter Jesu stand einst außerhalb des Jüngerkreises, während die Jünger um Jesus geschart waren. Ich vermute, daß die fragwürdige Formulierung in Anlehnung an Apostelgeschichte 1,14 entstanden ist, wo jedoch wortwörtlich steht: „Diese alle (= die 11) waren stets beieinander einmütig im Gebet zusammen mit den Frauen und Maria, der Mutter Jesu, und seinen Brüdern.”

LeerDementsprechend müßte man in der erwähnten Bitte die Aussage „um Maria geschart” in „mit Maria” umändern. Der biblische Text stellt „die Frauen und Maria, die Mutter Jesu, und seine Brüder” mit in die Schar des Apostelkreises. Das Manuskript D zählt sogar noch die Kinder dazu. Maria steht also nicht in der Mitte, sondern im Kreis mit den andern. Im Grunde genommen kann niemand außer Gott und Jesus die Mitte ausfüllen (vgl. Offenbarung 4,4; 7,11). Es ist zu beachten, daß Stellen wie Johannes 20,19 und 26 mit Nachdruck den Auferstandenen stehend inmitten des Jüngerkreises erwähnen. Um den Auferstandenen geschart sein, gehört übrigens zum Wesen des Gottesdienstes ...

LeerWenn man auf den Grund der Dinge geht und die poetische Phantasie nicht ebenbürtig neben die Texte des Neuen Testaments stellen will, dann kann nur Christus oder, vollständiger ausgedrückt, die Dreieinigkeit die Mitte der Kirche sein, aber nicht Maria, obwohl die Gestalt der Jungfrau für das Verständnis des Mysteriums der Kirche hilfreich und bedeutungsvoll ist, und nicht zuletzt auch die anderen Marien im Neuen Testament.

LeerEin Bild, das die betende Maria in die Mitte der Jüngerschar stellt, ist vom Neuen Testament her nicht zu verantworten. Wenn man es dennoch malen würde, dann könnte es eine Spaltung der Kirche in zwei Kreise ausdrücken: einen engeren Kreis, durch Maria dargestellt (die kanonisierten Heiligen? ein Mittlerstand wie im Alten Bund? oder die Frommen?), und einen weiteren Kreis (die zu evangelisierenden Getauften, die fern bleiben?), zu dem der engere Kreis ein Mittler ist. Die Aussage ist eher verwirrend, da man es im weiteren Kreis, vom Verhalten her gesehen, nicht mit einer wahren Jüngerschar zu tun hat, sondern eher mit dem Problem der praktischen Apostasie ...

Quatember 1988, S. 49

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-03-02
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