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Hört Gott alle Gebete?
von Heinz Grosch

[Leserbrief zu Gott hört alle Gebete]

Leer... Als ich die Szene vom Kirchentag noch einmal las, fielen mir die Stellen 1. Timotheus 6,16 und Johannes 1,18 ein. Weil ER in einem „unzugänglichen Lichte” wohnt, können wir tatsächlich nur über sehr menschliche Bilder - einander widersprechende und einander ergänzende - von IHM reden: bis in unsere Gebete hinein. Weil IHN „niemand je gesehen” hat, können wir nur stammelnd und sozusagen buchstabierend die „Kunde” nachsprechen, die der „Einzige” uns gebracht hat - staunend vor der „Tiefe des Reichtums, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes” (Römer 11) und verstummend. (Übrigens spiegelt die Areopagrede (Apostelgeschichte 17, vor allem V. 26-28) - was immer historisch-kritisch zu ihr gesagt werden kann - die gleiche Weite als Grundzug urchristlicher Gottesvorstellung.)

LeerWer hier definitiv und damit zugleich auch ausgrenzend bestimmen wollte, was allein mögliches Beten sein kann, würde in der Tat den Versuch machen, „de Deo” - also von einem vermeintlich höheren Standort aus „über” ihn - zu reden. Jedoch - und darauf wurde ja verwiesen mit der Nennung von Kolosser 1,15 - ist eben dieser verborgene Gott durch den „Sohn” kundgemacht, „hervor-erzählt” worden (wie es die Vulgata so plastisch ausdrückt); ja, er ist im liebenden und leidenden Menschen Jesus anschaubar geworden - wie in einem „Ebenbild” und „in seiner ganzen Fülle” (V. 19): als der, der uns unendlich nahe kommt - so nahe, daß wir wiederum nicht mehr „über” ihn reden können, sondern höchstens „von ihm her”, d. h. mit Worten und Bildern, die der Sohn uns übergibt. Zu eben diesen Bildern aber gehört das des Vaters, der immer schon weiß, was wir brauchen (Matthäus 6,8), und der sich dennoch bitten läßt wie der gute Nachbar zu nächtlicher Stunde (Lukas 11,5-8; welch ein „diesseitiges” Bild!).

LeerAllerdings ist solches Beten im Sinne Jesu allemal zugleich Für-Bitte, Gebet aus einem „Wir” heraus und für das „Wir” eintretend. Es ist das Gebet derer, die sich im Lichte der „Kundmachung” durch Jesus als Gottlose erkennen, als solidarisch mit den „anderen Sündern” - so solidarisch, wie sich Jesus selber mit ihnen wußte und deshalb noch im Sterben für diejenigen eintrat, die blind waren für die in ihm verborgene Fülle Gottes: „Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!” Übrigens erinnerte mich ein Satz in der schönen Betrachtung an genau diese Stelle aus der Passionsgeschichte nach Lukas:

LeerJener junge Mann, er trägt einen Kreuzschmuck am Ohr und hat eine Hahnenkammfrisur -„Ob er weiß, was das Kreuz bedeutet?” Wahrscheinlich weiß er's nicht, denn er streckt dem Menschen neben sich die Zunge heraus (und also weiß er wohl auch dabei nicht, was er tut).

LeerWas bleibt uns da anderes, als froh zu sein über das Gebet aus Lukas 23,34? Spiegelt nicht auch der junge Mann etwas von uns selbst? Wir strecken vielleicht anderen nicht so ohne weiteres die Zunge heraus, aber tun wir sachlich etwas anderes, wenn wir uns erheben über ihr anderes Beten? Eben darum weiß ich mich in jedem Gebet aufgehoben, das den „Gott voller Barmherzigkeit” auch für mich anruft. Danke für Betrachtung, der ich in Gedanken noch einen Satz anfüge:

Leer„Und Wunder über Wunder: ER ist uns allen dreien nahe - dem heidnischen Beter, dem christlichen Nicht-Beter und mir, der ich so oft nicht weiß, was ich beten soll... (Römer 8,26).”

Quatember 1988, S. 108-109

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-03-14
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