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Soldat, B.-K.-Pfarrer und Michaelsbruder
von Hans Nickles

LeerMit wachsender Spannung habe ich ein Buch gelesen, das nur deshalb nicht unter den Buchbesprechungen dieser Zeitschrift angezeigt wird, weil es nicht im öffentlichen Buchhandel erhältlich ist. Es sind Lebenserinnerungen des 1953 emeritierten Superintendenten von Freiberg in Sachsen, des Michaelsbruders Arndt von Kirchbach, verstorben 1963 in Goslar am Harz. Der vorliegende Band umfaßt die Zeit zwischen 1927 und 1939 und wurde 1985 aus Anlaß des 100. Geburtstags des Verfassers, vorbereitet durch Prof. Dr. Ernst Kähler in Greifswald, von Dr. Eckart von Kirchbach, dem 3. Sohn, als Manuskript veröffentlicht. Er umfaßt 432 Seiten und enthält auch zwei Reisetagebücher von Esther von Kirchbach, die der älteren Generation durch ihre literarischen Arbeiten noch bekannt ist. Die Niederschrift der Lebenserinnerungen von 1885 bis 1926 soll später veröffentlicht werden.

LeerArndt von Kirchbach hat seinen Lebensbericht für seine „Kinder und Enkel und, wenn es Gott fügt, für deren Nachkommen” geschrieben. Aber über alle köstlich zu lesenden persönlichen und familiären Notizen hinaus ist, was er festhält, die Dokumentation eines Stückes Zeitgeschichte voller Umbrüche. Dies gilt besonders für die hier geschilderten Lebens- und Arbeitsjahre, die der ehemalige Berufsoffizier - darin ähnlich dem Weg Martin Niemöllers - im Dienst seiner sächsischen lutherischen Heimatkirche durchlebt und durchlitten hat. Man erfährt von seinem Dienst als Domprediger und Studentenseelsorger in Dresden, als Leiter des Jungmännerwerks in Sachsen, als Mitbegründer des Kunstdienstes (er griff selbst immer wieder zu Zeichenstift und Pinsel), als Förderer der Singbewegung in Zusammenarbeit mit Alfred Stier.

LeerEindrücklich ein Bericht über seine Reise zur Weltkonferenz der männlichen Jugend in Toronto/ Canada und Cleveland/USA im Jahr 1931, an der er als deutscher Berichterstatter teilnahm. Ausführlich beschreibt Arndt von Kirchbach die „Machtübernahme” der „Deutschen Christen” in der sächsischen Kirchenleitung (Juli 1933), seine Tätigkeit im Pfarrernotbund, seine Eindrücke als Mitglied der I. Bekenntnissynode in Barmen (Mai 1934) und als Synodaler der II. Bekenntnissynode in Berlin-Dahlem (Oktober 1934). Im nun in voller Schärfe entbrennenden Kampf der Bekennenden Kirche, von dem man viele über die Situation in Sachsen hinausgehende Einzelheiten erfährt, erhält Arndt von Kirchbach mehrfach Predigtverbot und wird schließlich Ende 1938 seines Amtes enthoben, ein Jahr nach seiner Berufung als Superintendent in Freiberg. Er betätigt sich jedoch - „illegal” - weiterhin, vor allem im Vortragsdienst, bis er bei Kriegsbeginn in die Soldatenseelsorge gerufen wird.

LeerDen Berneuchener Kreis und seine kirchlichen Erneuerungsbestrebungen lernte Arndt von Kirchbach bereits in der Zeit der Entstehung des Berneuchener Buches kennen und schätzen. Dankbar berichtet er von seiner Aufnahme in die Evangelische Michaelsbruderschaft (Herbst 1933), in der er Rückhalt und Zurüstung, Glaubens- und Lebenshilfe erfährt. (Er war dann von 1946-1954 Ältester und danach, bis zu seiner Übersiedlung nach Goslar im Jahre 1962, Senior des Konvents Sachsen.)

LeerBei der Lektüre dieses Buches begegnet man einer Fülle von Namen bedeutender Männer und Frauen, die leider erst nach Abschluß der Gesamtausgabe der Kirchbachschen Lebenserinnerungen in einem Personenregister aufgelistet sein werden. Wer diesen verläßlichen Zeitzeugen selbst, seine Beobachtungen und Erfahrungen während jener Jahre näher kennenlernen möchte, kann den vorliegenden Band zum Preis von 30,- DM bestellen bei Dr. Eckart von Kirchbach, Im Bühl 23, D-7320 Göppingen-Jebenhausen. Ich selbst begegnete der faszinierenden Persönlichkeit Arndt von Kirchbachs erstmals 1942 in Straßburg, wo er als Standortpfarrer uns, die wir dort in der Mehrzahl unsere Verwundungen ausheilten, in seiner Wohnung einen Adventsabend bereitete, der uns mitten im Kriege etwas vom „Frieden auf Erden” verspüren ließ.

Quatember 1988, S. 109-110

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-03-14
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