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Meditation in Bethel
von Johann-Friedrich Moes

LeerBethel bei Bielefeld ist in mancher Hinsicht eine besondere Stadt: Es ist nicht nur die „Stadt der Barmherzigkeit” mit Einrichtungen für Anfallkranke und Krankenanstalten, mit Schulen aller Art und Ausbildungsstätten für soziale Berufe; es ist auch ein Quellort geistlichen Lebens. Dieses war einst ausschließlich geprägt von der erwecklichen Frömmigkeit des Ravensberger Landes. Inzwischen hat es sich geöffnet für die verschiedenen Strömungen der Meditationsbewegung der letzten Jahre. Zeichen hierfür ist das „Haus der Stille”, den Teilnehmern der „Westdeutschen Fastenwochen” und den Angehörigen von Michaelsbruderschaft und Berneuchener Dienst in Westfalen bestens vertraut. Hier werden seit 1974 alle zwei Jahre Tagungen für Leiter von Meditationen gehalten - zu Pfingsten: denn Meditation will uns bereiten, den Geist Gottes zu empfangen.

LeerInitiator dieser Tagungen ist Professor Dr. Gerhard Ruhbach, Inhaber des Lehrstuhls für Kirchengeschichte an der Kirchlichen Hochschule Bethel, theologisch und praktisch engagiert auf dem Gebiet der Spiritualität: Unter seiner Anleitung versammelt sich eine große Zahl von Studenten, in einer Art „Bruderschaft auf Zeit” verbunden, zur täglichen Feier der Eucharistie. Sein Mitarbeiter ist P. Dr. Josef Sudbrack SJ, Schriftleiter der Zeitschrift „Geist und Leben” und durch eine ausgedehnte Vortragstätigkeit weithin bekannt. Daran ist deutlich: Diese Tagungen sind ökumenisch, neben die evangelischen und römisch-katholischen Teilnehmer aus dem deutschen Bereich treten Niederländer, Anglikaner und Orthodoxe. Stets waren auch Teilnehmer aus der DDR beteiligt (Karin Johne, Paul Toaspern, Gottfried Wolf).

LeerAm Anfang stand der Streit der „großen alten Männer” Friso Melzer, Klaus Thomas, Wilhelm Thomas (Stifter der Ev. Michaelsbruderschaft und Begründer der Einkehrtage „bei St. Michael” in Hildesheim) gegen eine neue, von der Begegnung mit dem Osten geprägte Art der Meditation, wie sie von Jüngeren wie Willi Massa („Exercitium Humanum”, jetzt in Neumühle/Saar), aber auch etwa von Hermann Schwemer („Östliche Meditation und westliche religiöse Erneuerung”, Stauda 1975) vertreten wurden. Die „großen Alten” der katholischen Tradition, z. B. J. B. Lotz und Klemens Tilmann, zeigten sich eher bereit und in der Lage, die - scheinbare - Kluft zu überbrücken. Über die ersten beiden Gespräche 1974 und 1976 ist je ein Berichtsband erschienen (Gerhard Ruhbach: Meditation -Versuche, Wege, Erfahrungen, Vandenhoeck & Ruprecht/Pustet, Göttingen/Regensburg, 1975, und: Glaube, Erfahrung, Meditation, Kösel, München 1977.)

LeerLängst hat sich der Charakter der Tage geändert. Unter den Teilnehmern ist ein Kern derer, die immer wieder zusammenkommen, gewachsen. Der erste Abend dient regelmäßig dem Austausch über neue Begegnungen und Erfahrungen, und auch zwischendurch ist immer wieder Zeit dazu. Grundlage der Gemeinschaft ist auch hier die gemeinsame Feier des Gottesdienstes. Die Themen sind stärker der Praxis zugewandt: „Geistliche Führung”, „Von der Bedeutung der Symbole”, „Meditation und Wort - Musik - Leib”, „Meditation und Gottesdienst - Sakrament - Gebet”, „Selbsterfahrung - Naturerfahrung - Gotteserfahrung”.

LeerEs geht nicht um viele breit angelegte Referate, sondern um Berichte, die ein Gespräch einleiten. Natürlich wird im Gespräch gefragt, auch hart gefragt, zurückgefragt nach theologischer Begründung. Natürlich gibt es Ergänzungen - und vielleicht auch polare Ergänzungen - zum Bericht des anderen. Aber es geht eben nicht um Theorie, sondern um die kritisch begleitete Praxis von Einkehr und Meditation. So ist auch der Übung immer wieder Raum gegeben, der körperlichen Vorübung wie der eigentlichen Meditation in ihren verschiedenen Formen. So ist jede dieser Zusammenkünfte eine Bereicherung für alle, die zusammenkommen.

Quatember 1988, S. 227

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-04-12
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