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Schlüsselübergabe zur Johanniskirche in Kirchberg
von Hans Mayr

LeerJohanniskirche Kloster KirchbergWas taten wir denn, als wir - auf den Tag genau 300 Jahre nach der letzten Weihe, was alle Zeitungen als besonderen Gag vermerkten - am 18. und 19. Februar 1989 die Johanniskirche samt Nonnenempore wieder in gottesdienstlichen Gebrauch nahmen?

LeerZweifellos tat das Berneuchener Haus damit einen der größten Schritte in seiner 30jährigen Geschichte, nach dem Einzug ins wiederaufgebaute Konventgebäude gewiß den größten und den geistlich bedeutsamsten.

LeerIn dreißig Jahren war Haus um Haus des Klosterareals in unsere Nutzung genommen worden, die Hausgemeinde hatte sich ebenso wie die Zahl der Gästebetten auf das Vierfache vergrößert. Aber der Raum, in dem das Herz des Hauses schlug, war immer derselbe geblieben. Oder genauer: Die Nonnenempore, Ort von Eucharistie und Stundengebet, war immer enger, abgenutzter, zuletzt schäbig geworden. Die bergende Vertrautheit des kleinen Raumes drohte in eine Beengtheit umzuschlagen. Unvoreingenommene, sensible Gäste empfanden das Nebeneinander des schloßartigen Konventgebäudes und der armseligen Hauskapelle als nicht mehr angemessen.

LeerEin mutiger Beschluß der Gremien des Vereins Berneuchener Haus, die vom Staat vorgeschlagene große Lösung anzunehmen, hat uns nun eine Kirche beschert, welche hinter den übrigen Klostergebäuden nicht mehr zurückstehen muß. Weit über zwei Millionen haben die staatlichen Stellen aufgewendet, dazu Liebe, Interesse, Sachverstand, Engagement. Eine Kirche mit drei Räumen ist nun für uns da.

LeerKirche und Empore müssen wir wieder, die Winterkirche unter der Empore müssen wir neu „einbeten”. Der Auszug aus der Empore, das frischluft- und tageslichtlose Provisorium in der Kellerhalle, der Neuanfang in der Winterkirche neben weiterlaufenden Bauarbeiten - das alles hat der Hausgemeinde und den Gästen viel an seelischer Kraft und Bereitschaft zum Eingehen auf immer neue Situationen abverlangt.

LeerDoch hat der Festtag schon für vieles entschädigt. Mit fünf Gottesdiensten haben wir in einem Tageskreis die Gesamtkirche festlich betreten: Mittagsgebet am Samstag und Laudes am Sonntag in der Elisabethkapelle, Vesper am Vorabend und Eucharistie am Sonntag in der Kirche, die Complet auf der Empore. Reinhard Brandhorst als Zeremoniar hatte den ganzen Zyklus komponiert. Wieder einmal zeigte sich, wie variabel die uns vorgegebenen klassischen Formen der Stundengebete und der Messe sind.

LeerDomkapitular Msgr. Heinz Tiefenbacher von der Diözese Rottenburg-Stuttgart leitete die Vesper, zusammen mit der Hausgemeinde als Schola und beim Lucernarium. Die Kirche ist ein Simultaneum, die Römisch-Katholische Kirche hat in ihr dieselben Rechte wie die evangelischen Landeskirchen und nun auch alle Mitgliedskirchen der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen. Der Vertreter der Rottenburger Kirchenleitung freute sich, so ganz selbstverständlich mit uns eine Vesper halten zu können, die wir täglich halten und die ihm ebenso vertraut ist.

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LeerDie Feier der Eucharistie am Sonntag begann mit einer „Torliturgie” zwischen der Gemeinde, die drinnen wartete und den Liturgen, die vor der verschlossenen Tür in der Katharinenkapelle versammelt waren. Der schöne alte Schlüssel zum historischen Schloß war beim Festakt am Samstag von den Vertretern des Staats an Harald Erichsen übergeben worden. Nun konnte der geistliche Leiter die Tür aufschließen. Souverän und heiter leitete der Kurator unserer Bruderschaft, Bischof Ulrich Wilckens, die Feier. Wieder diente die Hausgemeinde als Schola (obwohl das Haus bis zum letzten Bett mit Übernachtungsgästen gefüllt war und über 150 ein Mittagessen erwarteten).

LeerUnser Bruder im Bischofsamt, Sigisbert Kraft, sang das Evangelium und sprach mit allen das Nicaenische Glaubensbekenntnis. Prälat Heinrich Leube von der Evangelischen Landeskirche in Württemberg hielt die Predigt. Der methodistische Superintendent Herbert Zeininger, den Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen vertretend, betete mit dem Kurator und dem Hausvater das Hochgebet. Bischof Vasilios von Aristi, griechisch-orthodoxe Metropolie, schloß ein Grußwort an und erteilte (unser orthodoxes Kreuz verwendend) mit den anderen Bischöfen den Segen. Ökumene einmal festlich begangen, die auch sonst den Alltag des Kirchbergs prägt! Ein klares gottesdienstliches Konzept läßt sich nach diesen Festgottesdiensten erkennen: Die drei Räume werden die ihnen gemäßen Aufgaben haben.

LeerKirche und Empore sind mit Fußbodenheizung so wohl temperiert, daß von der Osternacht an in ihnen regelmäßig Gottesdienst gehalten werden kann. Die festlich hohe, helle, nach Osten gerichtete Johanniskirche wird der Ort der Eucharistie sein. Die Nonnenempore mit den sich gegenüberliegenden Chorgestühlen kann ganz und ausschließlich dem Chorgebet dienen - wie es zur Zeit der Kirchberger Nonnen gewesen ist. Die Orgel soll bis zum Sommer bespielbar werden. Wenn es im Winter zu kalt wird, halten wir alle Gottesdienste in der Elisabethkapelle - gute geistliche Übung, dabei auf manches verzichten zu müssen -, bis man zu Ostern wieder in die Weite der hohen Kirchenräume hinaus und hinaufziehen darf.

LeerEin Raum mit Barockaltären ist der Berneuchener Spiritualität nicht unbedingt nahe. Die Bilder, die reiche goldene Verzierung, die kulissenartige Aufstellung wollen allzu problemlos den Himmel auf Erden erscheinen lassen. Festliche Barockmusik, Flöten und Cembalo bei der Vesper, doppelchöriges Blechbläserensemble von der Höhe herab, das paßte zum hochfestlichen Kirchweihanlaß. Der Alltag mit dem modernen Tischaltar, den wir vor die alten Kommunionschranken gestellt haben, wird anders aussehen. Es wird sich zeigen, wie die Berneuchener Bewegung, die durch ihre Vertreter und Vertreterinnen an den Gottesdiensten beteiligt war, die geistliche Aufgabe bewältigt, angesichts dieser Altäre zu beten. Die dargestellte Dominikuslegende ist Teil der Kirchengeschichte, eben der Ortsgeschichte - also von uns als Teil der Wolke der Zeugen aufzunehmen. Viel stärker aber werden für unsere Frömmigkeit Johannes der Täufer, Christus als Auferstandener (im Orgelprospekt) und das Vesperbild wirken.

LeerFrau Waltraut von Lamezan sprach im Festakt für den Berneuchener Dienst und auch für die Michaelsbruderschaft in Vertretung des erkrankten Ältesten. Sie brachte den Wunsch zum Ausdruck, das neue dreikammerige Herz des Kirchbergs möge das Berneuchener Haus und die ganze Berneuchener Familie durchpulsen. Ja: Dem Gottesdienst soll nichts vorgezogen werden. Wir sind dankbar, einen großen Rahmen dafür zu haben, der uns noch ungeahnte liturgische Möglichkeiten erschließen kann.

Quatember 1989, S. 95-97

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-04-23
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