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Auf dem Weg zu sichtbarer Einheit
eine anglikanisch-evangelische Feststellung

von Hans-Dietrich Paus

LeerIn einem gemeinsamen Abendgebet mit der anglikanischen Gemeinde in Hameln und den Teilnehmern der VELKD-Generalsynode am 17. Oktober 1989 sollte das Ziel der Gespräche der Kirche von England mit den evangelischen Kirchen in Deutschland und der DDR deutlich sichtbar werden: die gemeinsame Feier des Gottesdienstes. Die dazugehörige offizielle 'Feststellung' zwischen den Kirchen geht da noch weiter: Die Einladung zur gegenseitigen Teilnahme am Herrenmahl ist ausgesprochen. Dies ist ein Schritt auf dem Weg, die Einheit der Kirchen auch sichtbar zu machen, wie es der anglikanische Bischof David Tustin (Grimsby) vor der Synode betonte.

LeerDie eigentliche Bedeutung der vorgelegten 'Feststellung', die vor allem das Übereinstimmende betont, wird zunächst in unserer kirchlichen Landschaft kaum spürbar sein, weil einfach zu wenig Kontakte mit den anglikanischen (vor allem Militär-)Gemeinden in Deutschland bestehen. Allerdings werden die wachsenden Beziehungen innerhalb der Europäischen Gemeinschaft zu immer mehr Begegnungen, auch durch Städtepartnerschaften, führen. Hinter dem Dokument steht jedenfalls die ökumenische Motivation, den "Willen und das Gebet unseres Herrn für die Einheit seiner Kirche" (Bischof Tustin) zu erfüllen, aber auch der Wunsch nach Versöhnung von Engländern und Deutschen in Christus.

LeerDas von Delegierten der Evangelischen Kirchen in der Bundesrepublik und der DDR sowie der Kirche von England im März 1988 verabschiedete Dokument stellt in seinen wichtigsten Aussagen fest:

1. Die Kirchen erkennen sich gegenseitig als Kirchen an;
2. die Sakramente der Taufe und des Herrenmahls werden recht verwaltet;
3. die ordinierten Ämter werden gegenseitig als von Gott gegeben anerkannt;
4. die kollegiale und geistliche Aufsicht in ihrer bischöflichen und nichtbischöflichen Form wird als Zeichen der Einheit der Kirche ausgeübt.

LeerAllerdings wird auch das (noch) Trennende benannt: das historisch gewachsene Bischofsamt, das in der anglikanischen Kirche in der Tradition der apostolischen Nachfolge gründet. Damit ist auch nicht die volle Austauschbarkeit der Pfarrer möglich. Zur Frage der Frauenordination schweigt das Dokument. Wie also, muß man da fragen, verhält sich die Kirche von England, wenn nun im Rahmen der eucharistischen Gastfreundschaft eine ordinierte Pfarrerin einen Abendmahlsgottesdienst in London leiten will. Nimmt man das Dokument beim Wort, dann muß dies möglich sein, auch wenn die Diskussion zur Frauenordination in der Kirche von England noch nicht entschieden ist.

LeerTypisch für anglikanisches Denken ist der Sinn für sichtbare, praktische Schritte. Da kommt mancher Lutheraner sicher nicht so schnell mit, weil er mit 'sichtbarer Einheit' eine 'Einheitlichkeit' als Ergebnis menschlichen Tuns unterstellt, während man doch eher der Vorstellung der 'Einheit in Vielfalt' anhängt. Am Rande der Synode wurden denn auch Vorbehalte und Ängste artikuliert, als solle man in eine eigentlich fremde Tradition hineingenommen werden. Das zeigt, daß noch viel an Vorbehalten und Nichtwissen der anderen Kirche gegenüber abgebaut und aufgearbeitet werden muß.

LeerAllein schon wegen der ökumenischen Bedeutung ist dieses Dokument wichtig, das nun von den einzelnen Kirchen angenommen werden muß. Das wird ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Einigung der Kirchen sein. Dabei müssen sich Kirchen und Gemeinden in der Tat fragen, ob sie eine engere Beziehung zur englischen Kirche wirklich haben wollen. Bedeutsam wird dann spätestens werden, wie mit der Beauftragung zur Leitung von Abendmahlsgottesdiensten, genauer mit der Ordination, umgegangen werden soll. Wenn die 'gemeinsame Feststellung' praktisch wird, müßten alle, die Abendmahlsgottesdienste leiten (z.B. Prädikanten, Vikare und Vikarinnen), dazu ordiniert werden, möglicherweise auf Zeit oder an den Ort gebunden.

LeerSchließlich, die 'Feststellungen' mit Leben zu erfüllen, heißt ja doch auch, einen Beitrag als Christen eines gemeinsamen Europa für die Entwicklung dieses Kontinents zu leisten. Da müssen Kirchen und Christen zusammenstehen - und sich dafür ihrer Gemeinsamkeiten auch immer wieder vergewissern. Und das eben in der gemeinsamen Feier des Gottesdienstes.

Quatember 1989, S. 229-230

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-04-23
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