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Die Bereitung der Gaben in der Eucharistischen Feier
von Hans Mayr

Ein schüchterner Dank an Karl Bernhard Ritter

LeerIm Jahre 1961, genau auf halbem Wege des bisherigen Gangs der Michaelsbruderschaft durch die Geschichte, ist bei Stauda in Kassel erschienen »Die Eucharistische Feier - Die Liturgie der evangelischen Messe und des Predigtgottesdienstes« von Karl Bernhard Ritter, vom Verfasser der Marburger Universität gewidmet als Dank für die Verleihung der Ehrendoktorwürde. Obwohl nur »in Verbindung mit der Evangelischen Michaelsbruderschaft« herausgegeben, ist dieses Buch praktisch zur Normalagende der Berneuchener Bewegung geworden, viele halten nur eine nach diesem Wortlaut gehaltene Messe für eine »richtige« Messe. Es ist ein prächtiges Buch, es wurde schon die schönste deutsche Privatagende genannt. So viele schon aus ihm hörten, so wenige hatten es schon in der Hand: 1940 Gramm schwer, 30 x 21 x 4 cm.

LeerDas Buch ist die Frucht der liturgischen Erneuerung zwischen den Weltkriegen. Diese in ökumenischer Gemeinschaft geschehene Bewegung hat am stärksten durch die Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils gewirkt. Ritter nimmt viele Übereinkünfte der ökumenischen Gespräche in den siebziger Jahren vorweg. Unsere Dankbarkeit für dieses epochemachende Werk muß sich darin bewähren, daß wir es lebendig bewahren, seine Reichtümer ausschöpfen und es selbst erneuernd weiterführen, wo wir in der zweiten Hälfte der Geschichte der Bruderschaft bescheidene weitere Erkenntnisse gewonnen haben.

LeerDa es vermessen wäre, das Werk als Ganzes einer Durchsicht unterziehen zu wollen, nenne ich als Beispiel die Bereitung der Gaben für die Mahlfeier.

LeerWenn der »Wortteil« der Messe mit der Predigt geschlossen ist, beginnt der »Mahlteil« (die Liturgen gehen zum Altar) mit Friedensgruß, Fürbitte und dem »Vor-gang«, den Ritter »Opfergang« nennt. Nach der Aufforderung durch den Diakon: »Opfert Gott Dank, wohlzutun und mitzuteilen vergesset nicht...« werden die Geldgaben der Gemeinde eingesammelt, Ritter nennt sie »das Opfer«. Der Diakon spricht ein Dankgebet, der Priester kann die Hände waschen. Und dann heißt es in der Rubrik (der Regieanweisung, schön in roter Farbe gedruckt): »Diakon und Subdiakon (Ministranten) bringen die Hostiendose und die Weinkanne zum Altar, am besten von einem auf der Epistelseite des Chores stehenden kleinen Tisch oder aus der Sakristei. Der Priester, der inzwischen die Abendmahlsgeräte enthüllt hat, füllt (mit ihrer Hilfe) den Kelch mit Wein und legt auf die Patene so viele Hostien, wie voraussichtlich benötigt werden...«

LeerEs folgt das - vielen bekannte - Gebet: »Herr Gott, himmlischer Vater, aus der Fülle Deiner Gaben bringen wir dieses Brot und diesen Wein ...« Daran werden das Glaubensbekenntnis als »Lobopfer« angeschlossen und das Eucharistische Gebet (Hochgebet) als Höhepunkt.

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LeerIm allgemeinen war und ist eine Zurüstung von Brot und Wein in einem evangelischen Abendmahlsgottesdienst keine ausdrückliche liturgische Handlung. Meist hat der Mesner/Küster vor Beginn des Gottesdienstes (würdig, aber ohne liturgische Form) Kelch und Kanne, Hostiendose (Pyxis) und Hostienteller (Patene) bereitgestellt, vielleicht auch schon den Wein in den Kelch gegossen und die Hostien auf den Teller gelegt. Wenn also der »Sakramentsteil« der Feier beginnt, sind Brot und Wein schon da, die eucharistischen Gaben sind »von vornherein« vorhanden. Der Pfarrer kann bestenfalls die Hostien aus der Pyxis (Büchse) nehmen und den Wein einschenken. Diese sehr zurückhaltende Handlung, ja gar eine bewußte Nicht-Handlung, spricht natürlich ihre Zeichensprache: »Wenn wir zum Tisch des Herrn treten, kommen wir mit leeren Händen, haben Gott nichts zu bringen, sind ganz und völlig die Empfangenden.«

LeerEvangelische Gottesdienstordnung ist an dieser Stelle zurückhaltend geworden, aus Erfahrungen der Reformationszeit mit dem mittelalterlichen Opfercharakter der Messe. Alles, was an ein vom Menschen dargebrachtes Opfer erinnern oder solchem Mißverständnis Vorschub leisten könnte, ist zurückgetreten oder ganz entfallen. Denn der Sünder empfängt, allein aus Gnade, die Vergebung, Leben und Seligkeit.

LeerRitter gibt den Anstoß, ein (bewußt entferntes oder unbewußt vernachlässigtes) Stück der Abendmahlsliturgie als keinesfalls unevangelisch zu verstehen, es wiederzugewinnen und lebendig zu machen. Wir dürfen heute, dankbar bei ihm anknüpfend, noch etwas weiter gehen.

Geschichtliche Entwicklung

LeerDie Zurüstung und Bereitung der Gaben hat ihre Wurzel im Gottesdienst zur Zeit des Neuen Testaments, in den wiederum jüdische Elemente eingegangen sind. Wir dürfen uns den urchristlichen Gottesdienst »in den Häusern« als eine Mahlfeier vorstellen, in der Gemeinschaftsmahl (Agape oder Liebesmahl) und sakramentales Mahl verbunden waren. Das Leben der Gemeinde scheint sich vor allem bei diesen Mahlzeiten abgespielt zu haben. Die Gemeindeglieder brachten dazu die Speisen und Getränke mit, von denen dann auch die Armen der Gemeinde (z. B. die Witwen) essen konnten, und die erhielten, was mehr war. Hier hatten die Diakone ihre ureigene Aufgabe. Aus diesen Naturalgaben wurden auch Brot und Wein für das Herrenmahl genommen, man vergleiche Apostelgeschichte 2,44 ff. und 4,32 sowie 1. Korinther 11,17-22. Um 150 schreibt so Justinus Martyr in seiner 1. Apologie (67,6).

LeerDiese »ideale« Verbindung von karitativem Brudermahl und liturgischem Abendmahl löste sich bald auf, wegen mancherlei praktischer Schwierigkeiten, wie sie z. B. in der korinthischen Gemeinde eklatant sind. (1. Korinther 11,20 ff.)

LeerDoch blieb der Brauch bestehen, die Gaben für die Bedürftigen gleichzeitig mit den Abendmahlselementen in der Meßfeier herzubringen. Eine weitere Auseinanderentwicklung setzt ein, als die Naturalwirtschaft zurücktritt oder ganz aufhört. Jetzt gehen die Gemeinden dazu über, für die Gemeindearmen und den Unterhalt des Klerus Geldspenden abzugeben. Die Einsammlung dieser »Kollekte« (= Sammlung) hat zum Teil bis heute die Form eines Opfergangs, also einer Art Prozession der Gemeinde zu den Altarschranken, z. B. in Totenmessen.

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LeerWo, nun mehr symbolisch, weiterhin Naturalgaben gebracht werden, gibt es zwei Entwicklungslinien. Im Osten und in Gallien setzte sich die Form durch, daß die Gläubigen diese Gaben in den nordöstlichen Seitenraum der Kirche brachten, wo sie auf einem Tisch (Prothesis) niedergelegt und von den Liturgen in einem liturgischen Akt (Proskomidie) bereitet werden. Ursprünglich als einfacher Ritus vom Diakon vollzogen, entwickelte sich daraus eine hochfeierliche Handlung: Wer je an einem orthodoxen Gottesdienst teilgenommen hat, konnte den »Großen Einzug« nicht übersehen, in dem die Gaben von der Prothesis durch die Gemeinde zum Altar getragen werden. Anders im Westen, in Nordafrika und später in Rom: Da ziehen die Gläubigen selbst in Prozession zu den Altarschranken, wo Bischof bzw. Priester das Brot, die Diakone den Wein entgegennehmen, das für das Abendmahl Nötige auswählen und das übrige zur späteren wohltätigen Verteilung in den Querschiffen der Kirche niederlegen. Das Herbeitragen konnte in Stille geschehen oder unter Gesang von Lied, Psalm oder Antiphon, sei es durch die Gemeinde, sei es von einem Chor. In der Orthodoxie erklingt der große Cherubinische Hymnus, das Dreimal Heilig zum Empfang des Königs des Alls.

LeerMit Sicherheit können wir annehmen, daß bei den urchristlichen Hausgottesdiensten Elemente der entsprechenden jüdischen Gottesdienste übernommen wurden. Besonders das jüdische Tischgebet (die Lobsprüche der Berachot) dürfen wir schon bei Jesus, erst recht in der jungen Gemeinde, voraussetzen. »Gelobt seist du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der du die Frucht des Weinstocks erschaffen«, sagt der jüdische Hausvater im Kiddusch für den Sabbatabend, er trinkt vom Wein im »Segensbecher« und reicht ihn den Tischgenossen. Und so lautet der Segensspruch zu den Sabbatbroten: »Gelobt seist du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der du Brot aus der Erde hervorbringst« Solche Beracha ist zweifellos für Paulus und seine Korinther vertrauter Vollzug beim Mahl des Herrn. Er setzt ihn bei seiner Argumentation als selbstverständlich voraus: 1. Korinther 10,16 und 17. Weil es  e i n  Brot ist, sind die vielen ein Leib, sie teilen ja  e i n  Brot. Die Apostellehre (griech. Didache), in der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts geschrieben, enthält das eucharistische Dankgebet, in dem es heißt: »Du, allmächtiger Herrscher, hast alles erschaffen um deines Namens willen, hast Speise und Trank gegeben den Menschen zum Genuß, damit sie dir danken«, und führt den paulinischen Gedanken der Einheit in der genannten Korintherstelle beim Brotbrechen weiter:

Leer»Wie dies Brot, das wir brechen, auf den Bergen zerstreut war und zusammengebracht eins wurde, so möge deine Gemeinde von den Enden der Erde zusammengebracht werden in dein Reich.«

LeerIm Lauf der Kirchengeschichte entstehen eine Fülle von »Gabengebeten«. Sie legen das Schwergewicht auf verschiedene Aussagen. Die orthodoxe Chrysostomosliturgie macht in der Proskomidie vor allem das »Schlachten« des Opfers zum Thema und vollzieht es mit der »Lanze«. Im weiteren Verlauf tritt die Bitte um den Geist der Gnade in den Vordergrund, der auf Gemeinde und Gaben herabkommen möge, und das Ziel ist das Bekenntnis in der Anaphora: »Wir bringen dir das Deinige von dem Deinigen!«

LeerIn der westlichen Tradition beherrscht im Mittelalter der Opfergedanke auch die Gabengebete: Gott möge die makellose Opfergabe gnädig annehmen, die der Priester nun darbringt für die eigenen Sünden und die der Gemeinde, der Lebenden und der Toten. So wird das Bringen der Gaben zum »Sich-einkaufen in die Verdienste Christi, die in der Messe zugewendet werden« (Jungmann). Zu Recht hat die Reformation dies deutlich abgelehnt, und heutige katholische Theologie tut es auch.

Theologische Grundüberlegung

LeerDer natürliche Mensch hat Gott kein Opfer darzubringen, mit dem er Gott versöhnen oder sonstwie auf ihn einwirken könnte. Das Kreuzesopfer Christi ist allgenugsam, es genügt für alles. Der christliche Gottesdienst führt den Wortgottesdienst der Synagoge fort, auch den Gebetsgottesdienst im Tempel und das Mahl im Haus. Er bricht radikal mit einem Opfergottesdienst, bei dem einem Gott Gaben dargebracht werden, indem man sie vernichtet, etwa das Tier verbrennt oder den Trank ausgießt. Brot und Wein werden gebracht, um von der Gemeinde verzehrt zu werden. Der Christ kommt, als Getaufter eingeladen, zum Mahl seines Herrn. Er kommt, mit allem, was er ist und hat. In allem kommt er als Empfangender - das tritt im Höhepunkt der Feier, der Kommunion, am deutlichsten heraus. Er bringt seine Armut mit, damit er reich gemacht werde. Aber er bringt auch seinen Dank mit. Er bringt, was er kann und was ihm fehlt. »Nichts kann ich vor Gott ja bringen«, singen wir ebenso wie »Ich bringe, was ich kann, ach nimm es gnädig an! Es ist doch herzlich gut gemeint.« (EKG 259,6 und 363,3)

LeerFeiert unsere Jugend Feste, so bringt jeder etwas mit, und man verzehrt gemeinsam. Jeder freut sich, wenn sein Mitbringsel den anderen schmeckt. Jeder Mensch möchte zu einer gemeinsamen Feier etwas beitragen, beisteuern, sich einbringen, um dabeizusein. Wer zu einer Geburtstagsfeier eine Flasche Wein mitbringt, beabsichtigt damit nicht zu bezahlen, was nachher aufgetischt wird.

LeerWenn also die Gemeinde Brot und Wein bringt, dann bringt sie kein Opfer dar, sondern trägt schlicht herzu, was man braucht. Sie bringt es aus der Fülle der Gaben Gottes, aus den Gaben der Schöpfung, als Dank für Empfangenes. Nie bringt sie eigenmächtig etwas Eigenes. Sondern stets gibt sie Gott das Seinige zurück. Was könnten wir Gott geben, das uns nicht von ihm gegeben wäre? Das lateinische offerre heißt und hieß nie »opfern«, das wäre etwa sacrificium facere. Sondern das deutsche Wort »opfern« ist von operari abzuleiten. Offerre aber heißt bestenfalls: zum Opfer herbeitragen, am einfachsten und richtigsten aber heißt es schlicht: herzutragen, beibringen. »Offertorium« sollten wir also nie mit Opfer übersetzen, auch Opfergang und Opferlied sollte tunlichst vermieden werden. Die Geldsammlung sollte nie mit dem so gewichtigen Wort Opfer belegt werden, sie ist einfach Kollekte, Sammlung von Gaben. (Daß eine Geldgabe auch einmal zu einem wahrhaften Opfer werden kann, wie das Scherflein der Witwe, steht auf einem anderen Blatt.)

LeerDie Gaben werden »zugerüstet« oder »bereitet«, am besten spricht man vom Grundvorgang: Sie werden »gebracht« - nicht einmal »dargebracht«.

LeerVerwendet man doch das Wort Opfer, dann nur im uneigentlichen Sinn. Wir dürfen vom Opfer der Christen sprechen, wenn wir die offrande spirituelle des fidêles (Taizé) meinen. Die Kirche »opfert« ihren Glauben, ihr Gebet, ihr ganzes Sein und Wesen, damit Gott es heilige. Sie bringt das Opfer des Lobes, das Bekenntnis des Glaubens. Und in dieser Reihe auch das Dankopfer und bringt es im Bringen der Gaben zum Ausdruck. In all diesem Tun bekennt sie ihre Armut und Unfähigkeit, sie tut dies alles nur von Christus, in ihm und durch ihn. In seinem Gottesdienst gibt der Christ seinen Leib, d. h. sich selbst Gott als lebendiges Opfer hin. (Römer 12,1)

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LeerWill nun der Christ sich selbst als Leib bringen, dann muß dies in der Liturgie auch in leibhafter Weise geschehen, praktisch, konkret - eben z. B. mit sichtbaren, verwendbaren Gaben. Gaben, die dem Lebensunterhalt dienen oder Not lindern, können am deutlichsten ausdrücken, daß zum Gottesdienst neben der Gemeinschaft und der Verkündigung auch der Dienst, die Diakonie gehört. Die Liebe gehört uns wie der Glaube! Die Diakonie, eine der drei grundlegenden Lebensformen der Kirche, muß auch symbolischen Ausdruck in der Liturgie haben. Mit einer Geste, einer »Ausdruckshandlung«, muß deutlich gemacht werden: Zum Christsein gehört es, daß jeder von seinen »Lebensmitteln« etwas abgibt, daß jeder auf etwas verzichtet, was er selbst gut brauchen könnte, daß er reichlich gibt, daß er teilt, schenkt, zum Ganzen etwas beiträgt.

LeerWenn die Diakonie der Kirche dergestalt in der Abendmahlsfeier verankert wird, kann dies dazu beitragen, sie als geistliche Aufgabe zu tun - nicht nur als soziale Aktivität. Die Kirche tut in vielfacher Weise den Dienst der Liebe als Dienst an der Welt. Er ist also Teil ihres Gottes-dienstes. Deshalb ist es naheliegend und einsichtig, daß der Diakon oder die Diakonin (auch Diakonisse) bei Kollekteneinsammlung und Gabenbereitung einen Schwerpunkt des liturgischen Dienstes hat. Wenn der Diakon entgegennimmt, was aus der Gemeinde gegeben und gebraucht wird, dann geschieht - zeichenhaft, symbolisch -, was im Alltag wieder zu geschehen hat.

LeerSelbsthingabe, Diakonie - das ist noch nicht alles. »Solidarität mit der Schöpfung« können wir mit modernen Worten etwas Weiteres nennen. Wenn wir Gaben aus der Schöpfung zum Altar bringen, bekennen wir uns als Teil dieser Schöpfung. Gott hat uns die Schöpfung anvertraut, damit wir ihn loben mit allen seinen Geschöpfen. Wir bringen Gaben aus der »alten« oder »ersten« Schöpfung, um in ihrer Wandlung hernach den »Anbruch der neuen Schöpfung« zu erfahren und zu preisen. So kann die Eucharistie ein großes Lobopfer genannt werden, durch das die Kirche für die ganze Schöpfung spricht, die Kirche leiht sozusagen der stummen, ihrer Erlösung seufzend harrenden Kreatur ihre Stimme. (Römer 8,19 ff.)

LeerGeschöpfe sind wir mit allen anderen Geschöpfen. Baum und Blume, Spatz und Adler loben Gott mit Rauschen oder Pfeifen, wir tun es mit der menschlichen Sprache, die Gott uns über die anderen hinaus gegeben hat.

Leer»Mit Freude und Danksagung bringen wir herzu, was du uns zuerst gegeben hast, unser Selbst, unsere Zeit und unseren Besitz, Zeichen deiner gnädigen Liebe.« - »Mit ihnen bringen wir uns selbst zu deinem Dienst und geben unser Leben hin für die Sorge und die Erlösung all dessen, was du gemacht hast« - so heißt es im Gabengebet der lutherischen Kirche Nordamerikas.

LeerUnd was sagt die Gabeneinbringung zu unserem Verständnis von Kirche? Einmal wird bei ihr am deutlichsten, wer eigentlich die Liturgie feiert: Nicht ein Klerus oder Priesterstand für das Volk, sondern die Gemeinde als Volk Gottes feiert das Mahl. Weil sie gegliederte Gemeinde ist, führen jeweils einige etwas für alle stellvertretend aus. Das Bringen der Gaben ist deutlich eine Aufgabe aus der Gemeinde heraus. Und was aus der Gemeinde zusammengetragen wird, das bindet uns auch als Gemeinde zusammen und ist die Voraussetzung für die Einheit der Kirchen in der weltweiten Kirche. Der eine Leib Christi ist die vorgegebene Realität, sie ist stets von neuem zu bewahren und zu gewinnen: Ein Brot ist's, so sind wir viele ein Leib...!

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LeerSchließlich: Wenn wir ausdrücken wollen, daß wir mit den Gaben uns selbst mit unserem ganzen Wesen bringen, dann können wir die beiden Seiten unseres Lebensgefühls mit je einem der beiden Elemente verbinden.

LeerMit dem Brot bringen wir die uns anvertraute Erde, unsere Kraft und den Willen, den Alltag zu gestalten. Das »Grundnahrungsmittel« Brot erinnert an Verzicht und Pflicht, auch an Last und tägliche Sorge. Wir bringen aber nicht »Brot und Wasser« wie den Gefangenen, sondern Brot und Wein. Mit dem Wein, »gereift unter den Strahlen der Sonne, durchglüht von ihrem Feuer« (wie Ritter sagt), verbinden wir die Sehnsucht nach dem himmlischen Hochzeitsmahl, die Hochzeitsfreude der Erlösten. Das Glück, ja den »Überschwang« im Geist verbinden wir mit dem Wein, auch übermächtigen Kummer und die Hoffnung auf das kommende Reich.

LeerWir wissen: Diese Gaben sind vergänglich, wie unsere ganze Welt. Wie ich, der ich Staub bin und zum Staube zurückkehre. Aber mit der Feuer der Eucharistie beginnt doch schon die neue Welt. Die neue Schöpfung wird feiernd vorweggenommen. Wir dürfen - andeutungsweise - schon schauen, was dann und endlich einmal sein wird. Was wir bringen, wird verwandelt werden. Neu gibt Gott es uns wieder: als Brot des Lebens und als Trank des Heils.

Zur Gestaltung der Feier

LeerDas Herzubringen der Gaben spricht für den, der Augen für solche Zeichenhandlungen hat, so deutlich, daß es ohne begleitende Worte geschehen kann. Aber für viele müssen deutende Worte dazukommen, die Mißverständnis auszuschließen versuchen und rechtes Verständnis erwecken können.

LeerIm Gesamtablauf der Liturgie muß die Handlung so deutlich herausgestellt werden, daß jeder Mitfeiernde spüren kann: Ich trage etwas bei, ich komme vor. Deshalb sollten wir in jedem Fall derjenigen oben genannten Tradition folgen, bei der nicht die am Altar Dienenden, sondern andere Vertreter der Gemeinde das Herzutragen übernehmen. Deshalb sollten sie auch nicht aus einem nicht einsehbaren Raum, etwa der Sakristei, kommen, sondern z. B. vom Eingang der Kirche her, jedenfalls mitten durch die Gemeinde hindurch. Die Verbindung mit der Geldsammlung liegt natürlich nahe - die Reihenfolge könnte freilich mit guten Gründen anders sein als bei Ritter. Die katholische Sitte, daß beim Eintritt in die Kirche jeder, der später zu kommunizieren gedenkt, mit einer Zange oder gar mit der Hand eine Oblate aus der Pyxis in die Patene legt, ist dort umstritten und sollte bei uns nicht begonnen werden. Sie schafft mehr Probleme, z. B. hygienische, als sie löst. Eine ihr beigelegte Symbolik erscheint mir künstlich, das pedantische Zählen verdunkelt eher die Symbolkraft.

LeerSchön ist in jedem Fall, daß das Herzutragen ein weiteres Element der Bewegung in den Gottesdienst bringt. Die Gabenprozession entspricht dem späteren Gang zum Empfang der eucharistischen Speise. Sie kann durchaus schweigend geschehn. Denn der Blick etwa ins Gesangbuch lenkt ja auch vom Eindruck des Geschehenden ab. Doch wollen wir dabei Freude zum Ausdruck bringen, weil wir Gaben bringen »wie man sich freut in der Ernte«, weil wir kommen »mit Freuden und bringen unsere Garben« (Jeremia 9,2; Psalm 126,6), dann ist Musik oder Gesang dabei wohl am Platze. Hat man Chor oder Schola, mag dieser Teil der Gemeinde stellvertretend singen - sonst mit guten Gründen auch alle.

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LeerIn Kirchberg singen wir in der schlichten Werktagsmesse oft das Gabenlied aus den Gemeinsamen Kirchenliedern: Dank sei dir, Vater, für das ewge Leben. (Nr. 85) Es faßt am schönsten verschiedene Gedanken der Gabenbereitung zusammen. Während des Gesangs bringt ein Jüngerer oder eine Jüngere aus der Hausgemeinde Kanne und Pyxis zum Altar. In der festlicheren Sonntags-Eucharistie sammeln zunächst die am Altar dienenden Diakone die Geldgaben ein und sprechen ein Dankgebet, danach sprechen zwei Jüngere aus der Hausgemeinde im Rücken der Gemeinde den Beginn des Gabengebets und tragen dann Kanne und Pyxis durch die Gemeinde zum Altar, wo die Liturgen sie entgegennehmen. Auf dem Rückweg werden die Geldgaben mitgenommen, sie sollen nicht auf dem Altar liegenblieben. Und es soll deutlich die Reihenfolge sein: zuerst die Gaben der Schöpfung, die wir von Gott empfangen, dann der Dank, ausgedrückt durch unser Geld. Geldsammlung und Herzutragen der Gaben verbinden wir mit je einer Strophe aus einem Gesangbuchlied: zum Beispiel zur Geldsammlung »Lasset uns singen, dem Schöpfer bringen Güter und Gaben, was wir nur haben...« und dann zur Gabenprozession: »Willst du mir geben, womit mein Leben ich kann ernähren ...« (EKG 346,3 und 10) Erstaunliche Entdeckungen an passenden Liedern des Gesangbuchs kann man dabei machen, oft ist es nötig, eine spätere Strophe zuerst zu singen -weil die Gesangbuchlieder meist zuerst von Gottes guter Gabe und dann von unserem Dankopfer singen.

LeerAus ökumenischen Gründen legt es sich nahe, das Bereitungsgebet der »Lima-Liturgie« zu verwenden. Dieses verbindet die Gedanken der oben genannten Beracha und aus der Didache: den Dank an den Schöpfer für Brot und Wein und die Bitte um die Versammlung der weltweiten Kirche. Ritter hat letzteres mit der Bitte »Maranatha« ins Hochgebet genommen. Während katholische Mentalität eher harmlos von der »Frucht der Erde und der menschlichen Arbeit« spricht (also die dankbare Mitwirkung des Menschen an Gottes Weltgestaltung zum Ausdruck bringt), möchte ich als Evangelischer lieber realistischer und im Anschluß an biblische Sprache (1. Mose 1; 3,17 f.) von der »Frucht des Ackers und der menschlichen Mühe« sprechen, also auch die Domen und Diesteln, den Schweiß des Angesichts und die Vergänglichkeit des irdischen Menschen mit anklingen lassen. Die Fröhlichkeit beim Wein hat dann besseres Gegenüber. Das Schönste und für evangelische Gemeinde Naheliegendste ist, daß bei der Gelegenheit der Gabenbereitung das »allgemeine Priestertum aller Getauften« in einer von vielen miteinander gestalteten Mahlfeier sichtbar wird. An den meisten Sonntagen werden die Gaben von solchen aus der Gemeinde herzugetragen, die für diesen Dienst vorbestimmt und eingeübt sind. An besonderen Festtagen, besonders am Pfingstfest oder wenn viele Kinder anwesend sind, wird man die Gabenprozession gerne festlicher ausgestalten.

LeerDer Einwand ist nicht ganz von der Hand zu weisen, daß aus diesem Teil der Liturgie auch eine selbstgerechte und damit gottlose heilige Handlung von Menschen werden könnte, die sich selbst verwirklichen wollen. Darum wird die Predigt sicherzustellen versuchen, daß das Bringen in der Haltung des Bittenden geschieht: Herr, nimm die Gaben an, von uns Unwürdigen, die von deiner gnädigen Annahme leben. Doch wird dies allein schon dadurch deutlich, daß das Herbeibringen nur ein Schritt im Gesamtablauf der großen Danksagung ist, welche die Eucharistische Feier darstellt.

Leer»Nimm an, was wir bringen«, bitten wir, »denn davon leben wir, daß du uns aufnimmst.«

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LeerGerne bete ich Ritter Gabengebet mit einer kleinen verdeutlichenden Abwandlung: »Siehe nicht an unsere Sünde/sondern schaue auf das, was deine Kirche glaubt: Das Opfer deines Sohnes/und nimm uns gnädig auf«.
Gepriesen seist du, Gott, Herr des Alls.
Du bist der Geber dieses Brotes,
Frucht des Ackers und menschlicher Mühe.
Laß es uns werden zum Brot des Lebens.
Gepriesen sei Gott, jetzt und auf ewig!

Gepriesen seist du, Gott, Herr des Alls.
Du bist der Geber dieses Weines,
am Weinstock gewachsen, von Menschen bereitet.
Laß ihn uns werden zum Wein des himmlischen Reiches.
Gepriesen sei Gott, jetzt und auf ewig!

Wie die Körner, einst ausgestreut auf den Feldern,
und die Beeren, einst zerstreut in den Weinbergen,
jetzt zusammengebracht sind auf diesem Tisch
in diesem Brot und Wein,
so laß, Herr, deine ganze Kirche bald zusammengebracht
werden von den Enden der Erde in dein Reich.

Maranatha. - Komm, Herr Jesus!
Quatember 1990, S.213-222

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-11-21
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