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Ein ökumenischer Rück- und Vorausblick von Beda Müller OSB |
EINLEITUNG ALTE BRÄUCHE NEUENTDECKUNG DES ORDENSLEBENS ABKEHR VON DER THEORIE ENTDECKUNG DER MEDITATION DIE WIEDERENTDECKUNG DES FASTENS ÖKUMENISCHE WÜNSCHE EINLEITUNG Teilnehmer der Gespräche waren nach meiner Erinnerung Wilhelm Stählin, der durch die Gründung des »Stählin-Jäger-Kreises« ökumenisch hervorgetreten war, der damalige Älteste der Bruderschaft, Karl Bernhard Ritter, ein Liturg von hohen Graden, und Hans-Karl von Haebler, damaliger Schriftleiter von QUATEMBER. Von katholischer Seite waren beim ersten Mal Otto Karrer, der ökumenische Vorkämpfer aus Luzern, Abt Laurentius Klein OSB und ich anwesend. Vertreter der Orthodoxie war Erzpriester Sergius Heitz aus Düsseldorf. Gastgeber war Dekan Rohleder, der Hausvater von Kirchberg, der mit seiner ruhigen, schwäbischen Bedächtigkeit etwas Väterliches einbrachte. In den folgenden Jahren - ich wurde mehrfach zu diesen Zusammenkünften eingeladen - kamen hinzu der spätere Älteste Pastor Hage aus Altenberg, Oberkirchenrat Kemper von der ökumenischen Zentrale in Frankfurt, Reinhard Mumm, Hans Dombois und ein Michaelsbruder aus dem Elsass, dessen Name mir entfallen ist. Unsicher bin ich auch hinsichtlich der Teilnehmer von Niederaltaich, Abt Emmanuel Heufelder, P. Thomas Sartory und P. Dr. Gerhard Voss. Ich war damals wohl der jüngste in dieser erlauchten Runde, sperrte Augen und Ohren auf, um aus den Erfahrungen der Älteren zu lernen. Ganz besonders war ich angetan vom geistlichen Leben des Hauses. Viermal täglich traf sich die Hausgemeinde in der Kapelle zum Tagzeitengebet sowie ein- bis zweimal in der Woche zur Feier der Evangelischen Messe, einer Errungenschaft der Michaelsbruderschaft. Das Gotteslob in Kirchberg wurde getragen von der ganzen Hausgemeinschaft. Sekretärin und Köchin, Hausmeister und junge Leute, die hier ihr diakonisches Jahr (später ihren Zivildienst) absolvierten, standen im Chorgestühl des ehemaligen Klosters und leiteten mit ihrem Gesang und Gebet diese Gottesdienste. Hausgäste und Tagungsteilnehmer nahmen selbstverständlich teil. Den Neulingen wurde immer wieder eine kleine Einführung und Einübung in die Gesänge geboten. Ich empfand diese Weise des Zusammenwirkens sinnvoller als die bei uns in Neresheim gewohnte. Bei uns erschweren die räumlichen Gegebenheiten, der große Abstand zwischen den Besucherbänken und dem Mönchschor, sowie die lateinische Sprache ein solch gemeinsames Gotteslob. Unsere zahlreichen weltlichen Mitarbeiter im Hospiz, der Landwirtschaft und den Werkstätten nehmen kaum einmal an unseren Gottesdiensten teil. Hier in Kirchberg sah ich eine bessere Lösung und habe meinen Mitbrüdern davon berichtet. Auch eine Schale mit geweihtem Wasser fand ich eines Tages vor dem Eingang zur Kapelle. Auch dieser Brauch ist als Erinnerung und Tauferneuerung sinnvoll, ich habe allerdings beobachtet, daß von dieser Möglichkeit kaum Gebrauch gemacht wurde. Beim Mittagsgebet wird die Kurzbiographie eines Heiligen oder Christuszeugen vorgelesen, eine Neufassung unseres Martyrologiums, das durch die Liturgiereform bei uns leider ganz abgeschafft wurde. Mit der Regel des geistlichen Lebens von Stählin hatte ich mich schon früher befaßt, hocherfreut, daß so etwas nun auch im evangelischen Raum möglich geworden war. Seitdem Luther seine Kampfschrift gegen die Mönchsgelübde geschrieben und geheiratet hatte, war das Ordensleben im Protestantismus so gut wie ganz verschwunden. Luther meinte, die Bindung durch ein Gelübde widerstreite der Freiheit eines Christenmenschen. Er hatte offenbar nicht verstanden, daß die Mönchsprofeß eine Erneuerung und Konkretisierung des Taufgelöbnisses sein will, mit dem wir uns ja auch an Christus binden. Auch die Bindung durch das Eheversprechen steht ja der christlichen Freiheit nicht entgegen. Unser Vater Benedikt sagt in seiner Regel »durch Bindung zur Freiheit«. Friedrich Weber sagt in seinem Lehrgedicht Dreizehnlinden im Blick auf die Mönche: »Freiheit ist der Zweck des Zwanges. Wie man eine Rebe bindet, daß sie - statt im Staub zu kriechen - frei sich in die Lüfte windet«. In der Regel des geistlichen Lebens las ich: »Die Mitglieder der Michaelsbruderschaft wollen auf diese Weise aus einem unverbindlichen und daher kraftlosen Christentum heraus und suchen Halt durch das Hineinwachsen in eine tragende Gemeinschaft. Durch die äußere Ordnung soll die innere Ordnung ihres geistlichen Lebens gefördert werden. In der allgemeinen Zerfahrenheit des heutigen Lebens mit seiner zermürbenden Sorge (1946!) und seinen doch so unfruchtbaren Leerlauf wollen sie durch Bindung in einen höheren Raum der Ordnung vorstoßen«. Damit wurde mir selbst geholfen, meine Berufung besser zu verstehen und zu bejahen. Hier wurden alte Wahrheiten in einer neuen Sprache verkündet. Hier lernte ich Familien kennen, die in (teilweiser) Gütergemeinschaft leben und ordensähnliche Formen auch für die Familien erprobten. Zum Birgittenjubiläum reiste ich mit einem Mitbruder nach Schweden, wo wir bei den evangelischen Marientöchtern einquartiert wurden. Auch die »lutherischen Benediktiner« lernten wir dort kennen. Diese evangelischen Gemeinschaften nennen sich meist Kommunitäten. Man spürte noch das Bestreben, sich auch in der Terminologie von den katholischen Klöstern zu unterscheiden. Erst jüngst wurde die Scheu überwunden durch das Gethsemane-Kloster in Riechenberg bei Goslar. Neuerdings gibt es auf den evangelischen Kirchentagen einen »klösterlichen« Bereich. Das »Kloster« scheint geradezu eine anziehende Kraft zu entwickeln. Beim Ökumenischen Pfingsttreffen in Augsburg 1971 haben die evangelischen Kommunitäten und Bruderschaften zusammen mit katholischen Ordensleuten gemeinsame Stundengebetsgottesdienste vorbereitet und gefeiert. Diese Kontakte haben dann zu regelmäßigen Zusammenkünften der evangelischen Kommunitäten geführt, zu denen jeweils auch einige Benediktiner geladen wurden als Vertreter der katholischen Orden. Mehrere Jahre hindurch fanden diese Treffen unter Leitung von Reinhard Mumm im Kloster Kirchberg statt, bis dann der Wunsch ausgesprochen wurde, auch an anderen Orten zusammenzukommen um das dortige Leben einer Kommunität kennenzulernen. Die Michaelsbruderschaft wollte es nicht beim Theoretisieren bewenden lassen. Die abstrakte Theologie hatte ja immer wieder zu neuen »Ansätzen«, Richtungen und Parteiungen geführt. Die Bruderschaft legte Wert auf den konkreten Vollzug geistlichen Lebens im Alltag. Dazu sollte nicht nur die Regel des geistlichen Lebens helfen, sondern auch der Zusammenschluß zu einer verbindlichen Gemeinschaft, mit mehrjähriger Probezeit, feierlicher Verpflichtung im Gottesdienst und Bereitschaft zur correctio fraterna. Jedem Bruder sollte ein Helfer zugeordnet sein zur persönlichen Seelsorge. Die Verantwortung für die »Welt« versuchte die Michaelsbruderschaft wahrzunehmen durch das Ringen um Klärung der Zeitprobleme. Anfangs war es die Auseinandersetzung mit der Anthroposophie und Tiefenpsychologie, mit dem Nationalsozialismus, mit der Una-Sancta. Dann ging es aber auch um das Verhältnis von Arzt und Seelsorger, von Theologie und Naturwissenschaft, von Kirche und Politik, von Kirche und Kunst. Daneben liefen ständig Bemühungen um die Gestalt der Liturgie, das Tagzeitengebet und den gregorianischen Gesang. Meines Wissens wurde hier die Formulierung Leiturgia-Martyria-Diakonia als Aufgabe der Bruderschaft geprägt, die dann über diese hinaus als sinnvolle Form kirchlichen Lebens bedeutsam wurde. Auf diese Weise gelang es der Michaelsbruderschaft, die Polarisierungen, die verstärkt seit der »Kulturrevolution« von 1968 in der evangelischen Kirche (später auch in der katholischen) auftraten, weitgehend zu überwinden. Ich meine die Parteiungen in Progressive und Konservative, Evangelikale und Liberale, politisch und biblisch orientierte. Die gemeinsame Mitte im Gottesdienst und geistlichen Leben verhinderte ein solches Auseinanderdriften und ermöglichte es, daß unterschiedliche Standpunkte als komplementäre Aspekte verstanden werden konnten. So wuchs der Michaelsbruderschaft zu, auch über ihre eigenen Reihen hinaus vermittelnd und versöhnend zu wirken. Besonders wichtig und hilfreich wurde die Schweigemeditation, das Ruhegebet, das von der japanischen Zen-Meditation inspiriert wurde. Doch haben wir dann entdeckt, daß es auch in der christlichen Tradition diese Methode gibt, von den Hesychasten des frühen Mönchtums über Die Wolke des Nichtwissens des Mittelalters bis zum Quietismus des 17./18. Jahrhunderts in Frankreich. Von dort hat der evangelische Mystiker Gerhard Tersteegen diesen Weg kennengelernt. Sein Lied Gott ist gegenwärtig ist uns wertvoll geworden. Da heißt es schon in der ersten Strophe »Gott ist in der Mitten, alles in uns schweige«. Und in der sechsten Strophe: »Du durchdringest alles, laß dein schönstes Lichte, Herr berühren mein Gesichte. Wie die zarten Blumen willig sich entfalten und der Sonne stillehalten, laß mich so, still und froh, Deine Strahlen fassen und Dich wirken lassen!« Ich möchte an unsere evangelischen Brüder und Schwestern die Frage richten: Liegt hier nicht eine Nähe zur Rechtfertigungslehre von Martin Luther vor? Er hatte ja in seinem »Turmerlebnis« die Entdeckung gemacht, daß die Rechtfertigung (wir Katholiken sprechen meist von Erlösung) nicht das Ergebnis unserer Anstrengungen, Verdienste und guten Werke ist, sondern ein Geschenk von IHM. Das ist übrigens eine genuin katholische Lehre, die im späten Mittelalter infolge der Überwucherung mit Heiligenverehrung, Reliquienkult, Wallfahrten, Ablässen und Anhäufung von Messen verdunkelt worden war. Luther hat die Hauptsache wieder zur Hauptsache gemacht und die Erlösungstat Christi wieder in die Mitte gestellt. Daß diese Schweigemeditation keine Methode für Selbsterlösung ist, habe ich meinem Lehrer, Graf Dürckheim, einmal an einer Kerze demonstriert. Die Kerze ist zwar zum Brennen geschaffen, aber sie kann sich nicht selbst entzünden. Dazu muß ein Eingriff von außen erfolgen. So ist es auch bei uns Menschen. Wir können uns nicht selbst erlösen, oder - um das Modewort zu gebrauchen - selbst verwirklichen. Auch hier muß ein Eingriff von außen, nämlich aus der göttlichen Dimension, erfolgen. Die Praxis der Meditation hat eine eminent wichtige Bedeutung für die Ökumene. Im gemeinsamen Schweigen in der Gegenwart Gottes kommen wir einander näher als in vielen theologischen Erörterungen und Diskussionen. Das kann ich aus der Erfahrung einer fast 30jährigen Kursarbeit bezeugen. über 20 evangelische Pfarrkonvente durfte ich in diese Praxis einführen. Die Teilnahme von Katholiken an den Kirchberger Veranstaltungen wird vermutlich erschwert durch die noch nicht erreichte Abendmahlsgemeinschaft. Bei der Feier der Evangelischen Messe in Kirchberg gerät der Katholik in einen Konflikt. Einerseits möchte er gerne am Empfang der Eucharistie teilnehmen. Andererseits hat er Bedenken wegen der noch nicht erreichten Einigung in der Amtsfrage. Könnte da nicht der Weg beschritten werden, den skandinavische Lutheraner beim Besuch des Papstes in ihren Ländern vor etlichen Jahren gefunden haben? Bei der Austeilung der Kommunion traten sie mit ihren katholischen (Ehe) Partnern vor und legten, während diese kommunizierten, eine Hand auf deren Schulter. Andere nichtkatholische Teilnehmer traten vor, legten ihre gefalteten Hände auf den Mund und erbaten so den Segen mit der Hostie. Auf diese Weite bekundeten sie einerseits ihr Verlangen nach der eucharistischen Gabe, andererseits aber auch ihre Respektierung der noch nicht gegebenen Abendmahlsgemeinschaft. Könnte den katholischen Besuchern in Kirchberg nicht in dieser Weise eine Teilnahme angeboten werden? In Neresheim hat sich bei den internen Eucharistiefeiern folgender Brauch bewährt. Da bei unseren Kursen viele evangelische Christen teilnehmen und auch solche, die aus der Kirche ausgetreten oder nicht getauft sind, wird hinsichtlich der Teilnahme an der Kommunion gesagt, daß diejenigen, die an die reale Präsenz des Herrn in Brot und Wein glauben, willkommen sind. Es ist dies eine Gewissenssache (wenngleich keine reine Privatsache). Für diejenigen, die aus irgendeinem Grund nicht zur Kommunion gehen (z.B. auch Katholiken, die geschieden und wiederverheiratet sind), wird nach der Austeilung der Kommunion etwas Wein oder Brot gesegnet und angeboten. Dieser Brauch wurde von der Ostkirche angeregt, wo ja am Schluß der Göttlichen Liturgie allen gesegnetes Brot ausgeteilt wird, die sogenannten Eulogien. Es dürfte dies ein Rest des frühchristlichen Agapemahles sein, das sich an die Eucharistiefeier anschloß. Auf diese Weise haben wir alle Teilnehmer zufriedenstellen können unter voller Respektierung der Gewissen. Mit diesem Beitrag möchte ich die Verbundenheit zwischen Kirchberg und Neresheim bekräftigen. Wird in Kirchberg am Donnerstag noch die Ökumene-Kerze angezündet? Ich habe vor vielen Jahren die Anregung dazu gegeben, die wir in Neresheim von Niederaltaich übernommen haben. Bei uns brennt diese Kerze donnerstags den ganzen Tag über vor dem Hochaltar und erinnert uns an das Gebet Jesu am Gründonnerstag: »Vater gib, daß alle, die an mich glauben, eins seien ... damit die Welt glaube, daß du mich gesandt hast!« © Pater Beda Müller OSB Quatember 1998, S. 68-77 |
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