Symbol   Quatember

Startseite
Inhalt
Inhalt 2000
Autoren
Themen
Stichworte


Liturgie - eine fremde Welt?
von Heinz Grosch

LeerSigisberg Kraft/Erentrud Kraft: Grundkurs Liturgie (= Hefte für Gemeindearbeit und Theologie Nr. 11 ) - Willibrord-Buchhandlung Bonn 1998, 89 Seiten, 12,50 DM.
LeerSigisbert Kraft/Erentrud Kraft: Lobpreis von Generation zu Generation - Liturgische Sprache heute (= Rothenfelser Schriften 9). Burg Rothenfels 1999, 60 Seiten.


LeerIst Liturgie „für viele, auch für Christen, eine fremde Welt” geworden? Sind es „mühsam und unlebendig ablaufende Gottesdienste”, die diese Fremdheit erzeugen? Gibt es vielleicht so etwas wie eine „Überfütterung” durch fromme Sprache, die es verhindert, daß sich Menschen „angesprochen fühlen”? Der Grundkurs Liturgie gibt solchen Fragen Raum und beantwortet sie in sechs Teilen unter verschiedenen Aspekten: Der Einführung („Liturgie - was ist das?”) folgen Kapitel zu grundlegenden Themen des gottesdienstlichen Feierns, zur Eucharistie, zur Bedeutung des Sakramentalen, zu Ort, Zeit und Gestalt des Gottesdienstes und zur Geschichte. Vier Texte aus der frühen Christenheit und aus der liturgischen Arbeit der allkatholischen Kirche, ein kleines Verzeichnis liturgischer Fachbegriffe und Literaturhinweise schließen das Heft ab.

LeerSigisbert Kraft ist der frühere altkatholische Bischof in Deutschland, und das Heft ist zunächst einmal gedacht für die Arbeit in altkatholischen Gemeinden, aber die in allen Kirchen sich ausbreitenden Unsicherheiten, Fragen und Vorbehalte hinsichtlich des Gottesdienstes wie andererseits die innere Weite des Grundkurses legen es nahe, diese verständlich geschriebene und zugleich kompetente Einführung in die christliche Liturgie auch für die theologische Weiterbildung in evangelischen oder römisch-katholischen Kirchgemeinderäten und gottesdienstlich engagierten Gemeindekreisen zu empfehlen. Hilfreich dürften dabei nicht zuletzt die Denkanstöße und Gesprächsanregungen sein, die den Schluß eines jeden Abschnitts bilden. Daß die Lektüre des Heftes für Laien u n d Theologen Gewinn bringt, sei am Rande vermerkt. (Bestellungen sind übrigens direkt an die Willibrord-Buchhandlung in 53115 Bonn, Gregor-Mendel-Str. 28, zu richten).

LeerReflexionen, wie sie in dieser Hinführung zu sachgemäßer und menschengerechter Liturgie angeboten werden, schließen allerdings zwingend ein die Frage nach der Sprache im Gottesdienst. Martin Walsers grimmige Bemerkung in seinem Roman Halbzeit (1960!) müßte zu denken geben - heute mehr als damals. Eine der Romanfiguren notiert da im Tagebuch: „Mit Lissa in der Kirche. Konnte nicht beten ... Mein Leben ist in der Gebetssprache nicht mehr unterzubringen ... ich habe Gott mit diesen Formeln geerbt, aber jetzt verliere ich ihn durch diese Formeln.” Hier setzt das - gewiß mehr für Theologen gedachte - Heft 9 der Rothenfelser Schriften an. Zwei Vorträge von S. und E. Kraft (gehalten bei der Januartagung1998 auf Burg Rothenfels), ein Werkstattbericht und einige Materialien aus der Tagung beleuchten die Rahmenbedingungen liturgischer Erneuerung in der Gegenwart - zwischen der Erstarrung des gottesdienstlichen Redens zur toten, für heilig gehaltenen Sprache j4) und dem Abgleiten in Kitsch und Phrase (3). Positiv gewendet: Wie können wir h e u t e und h i e r mit Gott und von Gott sprechen (6), ohne die Rückbindung an das Glaubenszeugnis und die Glaubenspraxis früherer Generationen aufzugeben (7)?

Linie

LeerErentrud Kraft („Sprache im Fluß - inklusive Sprache - Gottesanrede”, S. 15-27) vertieft diesen Ansatz auf spannende Weise, indem sie zugleich Luthers Forderung, „den Leuten aufs Maul zu schauen”, und Petuchowskis Einsicht ernstnimmt, daß zu Gott (und also wohl auch von Gott) nicht anders als poetisch geredet werden kann. Vielleicht darf hier, auch im Sinne der beiden Autoren, auf Veröffentlichungen hingewiesen werden, in denen der skizzierte Weg gebahnt wurde und wird. Ich denke an die von Alfred Schilling unmittelbar nach dem Vaticanum II zugänglich gemachten „Fürbitten und Kanongebete der holländischen Kirche” (mit zwei besonders hilfreichen eucharistischen Gebeten von Hans Günter Saul im Anhang des vor 30 Jahren erschienenen Buches), an Anton Rotzetters Gott, der mich atmen läßt. Gebete des Lebens (1985/1994) und an das Gottesdienstbuch von Christian Zippert (3. Auflage 1995). Für E. Kraft hängt mit diesem Thema nicht nur die Frage nach den Namen Gottes, sondern auch die Forderung nach „gerechter Sprache” im Umgang der Gemeindeglieder miteinander und mit anderen Menschen zusammen, denn Sprache des Glaubens ist eben allemal auch Sprache des Lebens - des Miteinander-Lebens. Ein Wort der amerikanischen Liturgiewissenschafilerin Gail Ramshaw (zitiert aao S. 24) läßt mich darum nicht los: „Liturgische Sprache ist die traditionelle und doch inkulturierte Sprache der versammelten Gemeinde, der Schatz der Kirche an Metaphern, die dargeboten werden, um Gott zu ehren und den Leib Christi zu bereichern. Die Vergangenheit fragt uns in der Gegenwart, ob wir biblisch und orthodox (auf rechte Weise glaubend) sind, und die Zukunft bittet uns, menschliches Elend mit dem Erbarmen Gottes zu lindern. Unsere liturgische Sprache muß diese ... Probleme ... ansprechen. Es ist klar, daß unsere Arbeit an Agenden und Gesangbüchem nie beendet ist.

Quatember 2000, S. 48-49
© Heinz Grosch, Aichwald

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-08-13
Haftungsausschluss
TOP