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Zur Frauenordination
von Beda Müller OSB

LeerLiebe Michaelsbrüder und Freunde der Ökumene, verehrte Schwestern und Brüder! Nach einigem Zögern wegen meines Alters und des schlechten Gehörs habe ich mich doch entschlossen, zu Ihnen zu kommen und wenigstens heute bei Ihnen zu sein. Das Thema „Frauenordination” halte ich für wichtig. Es dürfle eine schwer zu überwindende Hürde auf unserem ökumenischen Weg sein. Ich möchte mich zu Wort melden, weil ich seit über 30 Jahren mit dieser Frage befaßt bin und zwar nicht so sehr theoretisch, sondern durch die praktische Zusammenarbeit mit Frauen im kirchlichen Dienst. An erster Stelle möchte ich die Dekanin Marianne Koch nennen, (die vermutlich hier anwesend ist.) Mit ihr war ich jahrelang in der ACK zusammen. Vierundzwanzig Sitzungen mit ihr galten dem Versuch einer ökumenischen Kommission unserer beiden Landeskirchen, der Bitte von konfessionsverschiedenen Ehepaaren um einen Weg zur Gemeinschaft im Herrenmahl zu entsprechen. Meines Wissens war Frau Koch die erste Frau, die hier in Kirchberg bei einem Gottesdienst gepredigt hat, auf meine Anregung hin! Dann habe ich 10 Jahre in Neresheim mit Pfarrerinnen zusammengearbeitet vor allem mit Lydia Präger und ihrem Berufstätigenwerk, sowie mit ihren beiden Nachfolgerinnen und mit Waltraud Müller bei zahlreichen ökumenischen Einkehrtagen.

LeerIch habe sehr gute Predigten von Pfarrerinnen und katholischen Ordensfrauen im Rahmen unserer Tagungen gehört, wodurch ich gewonnen wurde für ein verkündigungsamt der Frau, zumal dieses keimhaft im NT vorhanden ist (z. B. Joh 20, 1.7f. und 4,29). Vor allem habe ich die Fähigkeit der Frauen schätzen gelernt, sich auf einzelne Menschen einzulassen, sie zu verstehen und mütterlich-schwesterlich zu begleiten. Meine These lautet daher: Die Frau ist mehr personorentiert, der Mann dagegen mehr sachorientiert. Beide Begabungen ergänzen einander vorzüglich, wie Vater und Mutter in der Familie. Daher sehe ich die Aufgaben der Frau in der Kirche vor allem in der Einzelseelsorge, die in der modernen Massengesellschaft immer wichtiger wird. Das wird auch deutlch in der wachsenden Zahl von Beratungsstellen, die meist von Frauen besetzt sind. Natürlich sollen die Frauen auch noch in der Arbeit mit Gruppen verschiedensten Art tätig werden.

LeerHier möchte ich das Votum einer württembergischen Pfarrerin anführen, die mir schrieb: „Daneben beschäftigt mich die Frage nach dem rechten Verständnis des Amtes, zu der ich bei uns einfach keine klare Antwort finden kann. Diese Problematik wurde in den Jahren noch größer als wir Theologinnen in unserer Kirche durch Gesetz den männlichen Pfarrem gleichgestellt wurden. Ich war noch im Sinn des Theologinnengesetzes eingesegnet worden, das der Frau ein Amt „sui generis” zudachte, also Seelsorge, Wortverkündigung, Unterricht, Frauen- und Jugendarbeit umfaßte, keine Sakramentsverwaltung und Kasualien. Ich fand und finde dieses Amt „sui generis” durchaus in Ordnung. Die Gleichberechtigung halte ich nicht für gut, zumal sie als „Recht” gefordert wurde. Die Emanzipation der Frau wird leider oft nicht als Selbstfindung und Selbstverwirklichung ihres eigenen Wesens gesucht, nicht als Partnerschafts-Ergänzung zum männlichen Handeln und Wesen gesehen. Bis jetzt konnte ich meinen Weg weitergehen, wenn auch mit Mühe und immer neuen Konflikten... Das eigentliche Problem sitzt tiefer, geht über dieses Persönliche hinaus. Wie kann ich ohne Wissen um das Amt (Amt hier nicht nur als Beauftragung und Verpflichtung durch die Gemeinde ) dieses wahrnehmen, ohne das tragende und stärkende Erleben der sakramentalen Realität, dem Geheimnis der Gnade, aus dem heraus Sie im katholischen Raum der Kirche leben und wirken? ... Und doch: Hier bin ich aufgewachsen und habe meinen ganz besonderen Dienst, der mir ja nicht nur Kummer bereitet ... ”

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LeerZu diesem Gedanken paßt, was mir kürzlich die Priorin der Benediktinerinnenabtei Engelthal schrieb. Ich hatte sie um ihre Meinung zu unserer Frage gebeten. Sie stimmte meiner Sicht zu und berichtete von einem Erlebnis, das sie kürzlich gehabt hatte: Eine evangelische Pastorin hatte an einem Meditationskurs teilgenommen und kam nach dem Gottesdienst an Allerheiligen weinend aus der Kirche. „Was ist los ? Ich habe erlebt, daß ich Kirche bin und der Priester am Altar Christus.” Sie gehört zum Vorstand eines Diakonissenmutterhauses in Flensburg und ist Krankenhauspfarrerin in Rendsburg. Sie hat daraufhin einen Pfarrer für die Sakramentsverwaltung berufen. Die evangelische Kommunität Casteller Ring hat sich ebenso entschieden, wie ich überhaupt beobachte, daß die geistlichen Gemeinschaften es überwiegend ebenso halten.

LeerBekannt ist, daß die lutherische Kirche in Lettland, die schon vor über 40 Jahren die Frauenordination eingeführt hatte, diese wieder zurücknehmen mußte, weil dadurch die Zusammenarbeit mit den Orthodoxen behindert wurde. Daß es auch bei den Anglikanern zu Konflikten und Spaltungen wegen dieser Frage gekommen ist, dürfte ebenfalls bekannt sein. Auch die „Notsynode” in Hannover aus Anlaß der kürzlichen Einsetzung von Bischöfin Käßmann sei erwähnt. Hier sei die Zwischenfrage erlaubt: Was geschähe wohl, wenn in unserer Kirche die Frauenordination eingeführt würde? Es käme zu einer Spaltung, der gegenüber die Lefèvbre-Gruppe ein Kinderspiel wäre!

LeerIch plädiere für ein kirchliches Amt der Frau „sui generis”. Ob man dies „Diakonat” nennt oder einen besseren Namen findet, ist zweitrangig. Zu dieser Einstellung hat mir erneut ein Buch verholfen, das wir in den letzten Wochen in unserem Konvent bei Tisch gelesen haben: „Zur kirchlichen Rechtsstellung der Äbtissin von Herford im europäischen Vergieich”, eine überaus fleißige Arbeit, die von der päpstlichen Universität Gregoriana in Rom als Dissertation angenommen wurde. In einer über ein Jahrtausend dauernden, schon vor der karolingischen Zeit beginnenden und bis ins 19.Jahrhundert reichenden Entwicklung haben verschiedene Äbtissinnen eine quasi-beschöfliche Jurisdiktion ausgeübt. Mit Akribie werden 28 Fälle nachgewiesen: In Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und England. Die Äbtissinnen waren exempt, d, h. direkt dem Papst unterstellt. Sie haben Pfarrer berufen und abgesetzt, haben Bischöfe zu Pontifikalhandlungen eingeladen, haben Sanktionen verhängt u.a.m. Auch die ausgedehnte Diskussion unter den Theologen wird dokumentiert. Ganz deutlich tritt die Unterscheidung zwischen Leitungsamt und Weiheamt hervor. Eine Äbtissin in Spanien, die ihren Nonnen die Beichte hörte und sie absolvierte, wird von Papst Innovenz III, getadelt, während derselbe Papst die leitende Position dieser Frauen anerkannt und geschützt hat. Dieses Zeugnis der Geschichte ist vor allem deshalb von Bedeutung, weil hier sichtbar wird, daß die Weihegewalt den Männern vorbehalten wurde - nicht aus Geringschätzung der Frau, nicht aus zeitbedingten, soziologischen oder psychologischen Gründen, sondern aus ganz anderen Ursachen, die im schöpfungsgemäßen Unterschied zwischen Mann und Frau und dessen Tranzparenz für die Realität „Christus-Kirche” zu suchen sind.

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LeerWenn katholische Theologieprofessoren von Tübingen eine ganze Nummer ihrer Quartalschrift (1993/3) dem Thema „Frauenordination” widmen und, wie es heißt, „nach übereinstimmender Meinung führender katholischer Theologen” für die Frauenordination votieren - ähnlich die neue Nummer der internationalen Zeitschrift Concilium, so kann ich das Votum führender katholischer Frauen dagegenhalten: Es sind Gertrud von le Fort in ihrem Buch Die ewige Frau, Edith Stein, Ida Friederike Görres, Christa Meves, Hanna Barbara Gerl-Falkowitz, Mutter Teresa und Chiara Lubich und Johanna Gräfin von Westphalen. Chiara Lubich ist die Gründerin und Leiterin der Fokoiare, inzwischen eine Weltbewegung, der auch Priester, Ordensleute und sogar Bischöfe angehören. Neuerdings ist ein Buch erschienen mit dem Titel Frauen in der Kirche, herausgegeben von dem Münchener Dogmatiker Gerhard Ludwig Müller. Es vereinigt Beiträge verschiedener Autoren, die von diversen Standpunkten aus Stellung nehmen. Eine Äußerung von Hans Urs von Balthasar will ich zitieren: „Es müßte der Frau ein Hochgefühl geben, zu wissen, daß zunächst in der Jungfrau-Mutter Maria der bevorzugte Ort ist, wo Gott in der Weit aufgenommen werden kann und will. Zwischen der erstmaligen Menschwerdung des Wortes Gottes in Maria und seiner immer neuen Ankunft in der empfangenden Kirche besteht eine innere Kontinuität.”

LeerHinweisen möchte ich auf die bildlichen Darstellungen des Pfingstgeschehens. Fast alle Künstler haben in die Mitte nicht Petrus plaziert, sondem Maria. Darin hat sich das Glaubensbewußtsein der Christen niedergeschlagen: Maria bildet die Mitte der Kirche! Der Mann vertritt die Kirche nach außen in den sakramentalen Ämtern. Die Innenseite der Kirche wird repräsentiert durch Maria, die Frau. Und auf diese innere Dimension kommt es letztlich an. Am Ende zählen nicht Amt und Würden, sondern - die Liebe! Daran haben auch wir Männer uns zu orientieren. Es geht um ein Priestertum eigener Art, das dem Amtspriestertum in keiner Weise nachsteht, sondern ihm sogar übergeordnet ist: Das königliche Priestertum, zu dem das ganze Volk Gottes berufen ist.

LeerFür unsere Frage ist letztlich entscheidend: Hat Jesus die Frauenordination gewollt? Aus dem NT ergibt sich, daß er sich über die restriktiven Gepflogenheiten im Umgang mit Frauen souverän hinweggesetzt hat. Umso auffallender ist, daß er zur Stiftung des Abendmahls keine Frauen eingeladen hat. Das fällt besonders deswegen ins Gewicht, weil er als Rahmen für diese Feier das Paschamahl gewählt hat, an dem die Frauen ja beteiligt waren. Die Christenheit in Ost und West hat darin eine Absicht erblickt und sich 2000 Jahre daran gehalten. Es können auch nicht zeit- und umweltbedingte Gründe ins Feld geführt werden, da es in Nachbarvölkern sehr wohl Priesterinnen gab. War es richtig, daß die evangelischen Kirchen ohne Rücksicht auf die orthodoxe und katholische Christenheit der Forderung der Frauen nach Gleichstellung mit den Männern nachgegeben haben? Zum Schluß votiere ich noch einmal für eine feierliche Weihe der Frauen im kirchlichen Dienst. Sie sollte möglichst durch einen Bischof vorgenommen werden, um damit die ureigenen Gaben der Frauen zu würdigen. Kürzlich hat der Hl. Vater drei Frauen zu Schutzpatroninnen Europas ausgerufen, die hl. Brigitta von Schweden, die hl. Katharina von Siena und die hl. Karmelitin Edith Stein. Drei männliche Heilige sind schon Patrone Europas, der hl. Benedikt und die beiden Slavenapostel Cyrill und Methodius. Das christliche Europa soll nach der Vorstellung des Papstes nicht nur mit den „beiden Lungen” in Ost und West atmen, sondern auch unter der Leitung und Fürsorge von Vätern und Müttern wachsen und gedeihen.

LeerVorgetragen anläßlich des Kirchberger Gesprächs zur Krise der Ökumene „Warum wir die anderen brauchen” in Kloster Kirchberg am 17. Oktober 1999

Quatember 2000, S. 100-104

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-08-13
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