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Miteinander Kirche sein?
Zu „Dominus Iesus”
von Sigisbert Kraft

LeerKurz nach der Veröffentlichung der Erklärung Dominus Iesus bemerkte ein evangelischer Michaelsbruder, er habe beim Lesen an den wichtigen Grundsatz seiner Bruderschaft gedacht: „Wir können nur an der Kirche bauen, wenn wir selber Kirche sind.” An der Kirche bauen - da denke er an Franz von Assisi im zerfallenen Kirchlein S. Damiano. In der Erklärung Dominus Iesus sei hingegen von einer Kirche die Rede, die wenig baufällig erscheint. Er müsse sich fragen: Wird mir als evangelischem Christen in dieser Erklärung nicht abgesprochen, daß ich „selber” Kirche bin?

LeerStimmen aus der Ökumene meinten beschwichtigend, es handle sich bei der Erklärung um einen inner-römisch-katholischen Vorgang, der sich im übrigen nur an Theologen richte und in dem lediglich der IV. Abschnitt von ökumenischen Abgrenzungen handle. Andere hielten schon vier Wochen nach der Veröffentlichung das Ganze für „Schnee von gestern”, der getrost vergessen werden könne. Der Mainzer Dogmatiker und Ökumeniker Theodor Schneider, bekannt als besonnener Theologe, reagierte schärfer und fragte, ob es sich um einen „Ökumenischen Amoklauf Kardinal Ratzingers” handle. (Anm. 1) Wieder andere äußerten, die Verlautbarung der Glaubenskongregation werde zu hoch gehängt und der Papst trete ihr womöglich gar nicht bei. Das dachten auch manche wache Beobachter der ökumenischen Szene.

LeerDie Begegnung Johannes Pauls II. im Haus der orthodoxen Patriarchen Diodorus I in Jerusalem am Fest der Verkündigung des Herrn, dem 25. März 2000, mit Vertretern aller dortigen christlichen Kirchen - Bischöfen und anderen Kirchenführern der römisch-katholischen und unierten Ostkirchen, der verschiedenen orthodoxen Patriarchaten, Anglikanern und Evangelischen - galt als wichtige Weisung für den Weg der Ökumene. Der Papst selbst sagte danach: „Zahlreiche Kirchen, Erben jahrhundertealter Traditionen, leben heute ihren Glauben im Heiligen Land. Die Verschiedenheit ist ein großer Reichtum, solange sie mit dem Geist der Gemeinschaft in voller Treue zum Glauben der Väter einhergeht. Das ökumenische Treffen, das im griechisch-orthodoxen Patriarchat von Jerusalem mit aufrichtig empfundener Teilnahme aller stattgefunden hat, war ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Einheit” (Anm. 2). Wie sollte der Papst nach wenigen Monaten einer anderen Position beitreten können? Doch Johannes Paul II. hat den Text „mit sicherem Wissen und kraft seiner apostolischen Autorität bestätigt und bekräftigt und die Veröffentlichung angeordnet”, wie es zum Abschluß der Erklärung ausdrücklich heißt. Es ist demnach die eindeutige Absicht des Papstes wie der Autoren, verbindliche Lehre autoritativ vorzutragen.


ANSPRUCH AUF HEILS-UNIVERSALITÄT

LeerDie Ausführungen über die Einzigartigkeit Jesu Christi und die Abwehr eines weltanschaulichen Pluralismus machen den größeren Teil des Dokumentes aus. Im IV. Teil, der bestimmend ist, wird jedoch diese Verkündigung der Einzigkeit und Heilsuniversalität Jesu Christi als Auftrag dargestellt, die von Christus gestiftete Kirche in vollem Umfang wahrgenommen werden kann. Sie ist die von Christus gestiftete Kirche im einzigen und vollen Sinn, sie allein kann unverfälscht und unverkürzt den Missionsauftrag an die Völker der Welt ausführen.

LeerZu Beginn der Erklärung wird das große Credo zitiert, das „die wesentlichen Inhalte des christlichen Glaubensbekenntnisses” enthalte. Überraschenderweise fehlt in dem vatikanischen Text das sonst in der lateinischen Kirche unaufgebbare „filioque” (der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht).Warum hat diese Rücksichtnahme auf die Orthodoxe Kirche nicht zu der Einsicht geführt, daß dieses Symbolon allen Christen gemeinsam ist? Aufgrund des gemeinsamen Bekenntnisses ist die Weitergabe des Glaubens und die Sorge um die „Unterscheidung des Christlichen” (Romano Guardini) allen Kirchen aufgetragen. Für die im IV. Teil der Erklärung getroffenen Unterscheidungen und Ausgrenzungen kann das Credo ohnehin nicht in Anspruch genommen werden.


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UMGANG MIT BIBELWORTEN

LeerDie Erklärung Dominus Iesus stützt sich auf zahlreiche Bibelstellen. Auswahl und Interpretation der Zitate lassen indes häufig die Erkenntnisse vermissen, die für die bibeltheologische Arbeit in den letzten fünfzig Jahren bestimmend und auch in römische Enzykliken und Erklärungen aufgenommen worden sind. Einzelne Sätze oder Satzteile werden in Dominus Iesus ohne Rücksicht auf Kontext und unmittelbare Aussage herangezogen, verschiedene Ebenen der biblischen Bücher egalisiert, Teilzitate mit Schlußfolgerungen weitergeführt, die so im Text nicht zu finden sind.

Dafür einige Beispiele:
  • Am Ende des 6. Abschnitts ist Joh 16, 13 invollständig zitiert und verändert ergänzt. Die Textstelle lautet: „Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit kommen wird, wird er euch in alle Wahrheit führen” (in anderen Übersetzungen: teilen, einweisen) Das griechische Wort „hodegeo” läßt nicht an verfügbare zuhandene Wahrheit denken. In Dominus Iesus steht, daß „der Heilige Geist, der Geist Christi, die Apostel und durch sie die Kirche aller Zeiten diese 'ganze Wahrheit' lehrt”.
  • Mit der Konzilskonstitution„Dei Verbum” werden die Sätze Joh 20, 31; 2 Tim 3, 16; 2 Petr 1, 19-21 als Grundlage für die Aussage angeführt, daß „die Bücher des Alten wie des Neuen Testaments ... Gott zum Urheber haben und als solche der Kirche übergeben sind” (8. Abschnitt). Kann das aus der Sicht der biblischen Kanonbildung undifferenziert gesagt werden? Können diese aus verschiedenen Kontexten entnommenen Zitate die Aussage stützen? Wenn unter Kirche nach der Erklärung nur die römisch-katholische Kirche zu verstehen ist, gehören dann die biblischen Bücher eigentlich nur ihr? Ist nicht das Alte Testament dem Gottesvolk des ersten Bundes übergeben und noch immer zuerst sein Eigentum? Verständlich, daß jüdische Gesprächspartner hier ihre Bedenken anmelden - auch dazu, daß sie in Dominus Iesus unterschiedslos zu den „nichtchristlichenReligionen” gerechnet werden. Joh 20, 31 läßt sich keineswegs als Begründung eines undifferenzierten und einlinigen Inspirationsverständnisses heranziehen.
  • Können verschiedene Bruchstücke wie Mt 11, 27; Joh 1, 12; 5, 25-26; 17, 2 zu dem gewichtigen Satz führen, die Sendung Jesu habe „das Ziel, der ganzen Menschheit und jedem Menschen die Offenbarung und das göttliche Leben zu schenken”? (5. Abschnitt)
  • Die in Röm 12,5 in 1 Kor, Eph und Kol gründende Aussage, daß wir durch die Taufe in den Leib Christi eingegliedert sind, wird - ohne die entsprechenden Stellen zu nennen - für die außerhalb der römisch-katholischen Kirche Getauften eingeschränkt. Es heißt, daß diese nur „in einer gewissen, wenn auch nicht vollständigen Gemeinschaft mit der Kirche stehen” (17. Abschnitt). Damit wird das biblische Bild verlassen oder gar ad absurdum geführt.
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WER GEHÖRT ZUR KIRCHE?

LeerDie Stellungnahme der Evangelischen Michaelsbruderschaft zur Erklärung Dominus Iesus vom 16.09.2000 meint, es sei „kaum vorstellbar, daß die römisch-katholische Kirche ihren Exklusivanspruch durchhalten kann”. Ähnliche Erwartungen werden in der Bewegung „Wir sind Kirche” laut. Wer auf eine Veränderung der gegenwärtigen römisch-katholischen Kirchenstruktur wartet, darf jedoch nicht übersehen, daß es sich bei dem in Dominus Iesus und in anderen Vorgängen zutage tretende Selbstverständnis um nicht revidierbare Texte handelt, (Anm. 3) zu nennen ist hier auch die Zurechtweisung der deutschen Bischöfe in der Frage der Schwangerschaftsberatung mit Schein. Auf dem I. Vatikanischen Konzil wurden die Lehrsätze von der Unfehlbarkeit des Papstes in Glaubenslehren und Fragen der Sitte (siehe Schwangerenberatung) und von seinem alleinigen Jurisdiktionsprimat den Sätzen des Credo gleichgestellt! Ebenso wie das Dokument In tuendam fidem vom 30.6.1998, die Neufassung der Professio fidei und die Nota über die Verwendung des Begriffs „Schwesterkirchen” vom 30.6.2000 bedeutet Dominus Iesus eine klare Konsequenz aus den Papstdogmen von 1870. Können diese zurückgenommen werden?

LeerZum vollen Kirche-Sein gehört die Annahme der „katholischen Lehre vom Primat ..., den der Bischof von Rom nach Gottes Willen objektiv innehat und über die ganze Kirche ausübt” (17. Abschnitt). Daher nennt die Erklärung die „Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, die nicht in voller Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stehen” (16. Abschnitt) Teilkirchen oder nur kirchenähnliche Gemeinschaften. Ihr Selbstverständnis und ihr geschichtlicher Weg bleiben außer Betracht. Kann ihnen die Katholizität abgesprochen werden, die sie im Credo bekennen? Hat nicht die Orthodoxe Kirche - anders als Rom - das Eucharistiegebet und die Struktur der frühen Kirche bewahrt? Die Frage, wodurch Spaltungen in der Kirche ausgelöst worden sind, wird nicht gestellt. Martin Luther wollte ebensowenig wie die alt-katholische Bewegung nach 1870 eine neue Kirche gründen. Die römischen Exkommunikationen haben hier wie dort auch in anderen Fällen die Kirchwerdung erst ausgelöst.

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LeerDer Begriff „Teilkirche” wird in der Erklärung nicht, wie sonst in ökumenischen Gesprächen, für die einzelnen local churches verwendet, die zusammen die eine Kirche bilden, meint vielmehr, daß diese Kirchen „zwar nicht in vollkommener Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stehen, aber durch engste Bande wie die apostolische Sukzession und die gültige Eucharistie mit ihr verbunden bleiben” (17. Abschnitt). Hier ist wohl zuerst oder ausschließlich an die Orthodoxe Kirche gedacht. Gegenüber den alt-katholischen Kirchen der Utrechter Union, deren Weihen und Eucharistie von Rom anerkannt wurden, zeigt sich der Vatikan und mit ihm eine Reihe von Diözesanbischöfen in letzter Zeit reserviert. Wurden doch in westeuropäischen alt-katholischen Bistümern seit einigen Jahren Frauen zu Priesterinnen geweiht. Die Unmöglichkeit der Frauenordination zählt in In tuendam fidem und im neuen Treueid zu den unaufgebbaren Glaubensgrundsätzen.

LeerDie weltweite Anglikanische Kirchengemeinschaft und die lutherischen Kirchen in Nordeuropa, die an der Sukzession des Amtes festhalten, werden nicht zu den Teilkirchen gerechnet. Wie die definitive Ablehnung der Frauenordination gilt sogar die Behauptung, die anglikanischen Weihen seien ungültig, als irreversible Entscheidung Roms. Die Kardinäle Willebrands und Cassidy hatten als Vorsitzende des römischen Rates für die Einheit die Arbeit der Anglican-Roman-Catholic-International-Commission (AR-CIC) zu den ergiebigsten Dialogen gezählt.

LeerDagegen werden die von allen Kirchen verantworteten Konvergenzerklärungen über Taufe, Eucharistie und Amt der Kommission für Glaube und Kirchenverfassung des Ökumenischen Rates der Kirchen (Lima 1982) in Dominus Iesus mit keinem Wort erwähnt, obwohl daran offizielle Vertreter der römisch-katholischen Kirche als Vollmitglieder beteiligt waren. Sie gelten als weitestreichende ökumenische Verlautbarungen. Die ökumenischen VErhandlungen und die zahlreichen Dokumente wachsender Übereinstimmung seit dem 2. Vaticanum sind offensichtlich für die Glaubenskongregation gegenstandslos.


SUKZESSION, AMT, PRIMAT

LeerIn der Erklärung der Glaubenskongregation heißt es ausdrücklich: „Die Gläubigen sind angehalten zu bekennen, daß es eine geschichtliche, in der apostolischen Sukzession verwurzelte Kontinuität zwischen der von Christus gestifteten und der katholischen Kirche gibt” (16. Abschnitt). Es wurde schon erwähnt, daß für die Definition von „Teilkirchen” apostolische Sukzession und gültige Eucharistie maßgebend sind. „Gültige Eucharistie” setzt demnach „gültige” Weihen voraus. Demnach gelten Amt und Abendmahl der „kirchlichen Gemeinschaften” als ungültig!

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LeerIn der Stellungnahme der Evangelischen Michaelsbruderschaft heißt es, „die Wiederherstellung der apostolischen Sukzession (in evangelischen Kirchen) ... würde nicht allein die römisch-katholische Kirche von den Zweifeln an der Gültigkeit von Amt und Eucharistie befreien, sondern auch ein Zeichen der Rückkehr zur ungeteilten Kirche in ihrer Geschichte sein”. Doch zuvor ist die Klärung unerläßlich, was unter apostolischer Sukzession zu verstehen sei. (Anm. 4) Das Sukzessionsverständnis, das der vatikanischen Erklärung zu Grunde liegt, geht von einer ununterbrochenen Kette von Handauflegungen seit den Tagen der Apostel aus, die in Jesu Auftrag beim letzten Abendmahl gründet und zugleich mit dem Hirtenauftrag an Petrus und die römischen Bischöfe als seine jeweiligen Nachfolger verbunden wird. Von diesem Auftrag wird die „katholische Lehre vom Primat” abgeleitet, „den der Bischof von Rom nach Gottes Willen objektiv innehat und über die ganze Kirche ausübt” (16. Abschnitt). Wie sind in diese - oft magisch mißverstandene - Kette von Handauflegungen - schon Paulus und der Herrenbruder Jakobus einzubringen, die nicht beim Abschiedsmahl Jesu zugegen waren und bei denen von einer Handauflegung durch andere Apostel keine Rede ist? Auch Anglikaner und Alt-Katholiken halten an der apostolischen Sukzession und am dreifachen Amt fest und sehen darin eine unverzichtbare Voraussetzung für die „full communion” mit anderen Kirchen der Ökumene. Doch verstehen sie Apostolische Sukzession als getreue Weitergabe der Lehre der Apostel, wie sie in der Schrift und in der Glaubensüberzeugung der frühen Kirche zu finden ist.

Leerin der Frage der personalen Sukzession sprechen sie vom historischen Amt. Hat sich doch die Ämterstruktur der Kirche erst entwickelt, ehe sie allgemein rezipiert worden ist. Der Vorgang ist mit dem der Kanonbildung des Neuen Testaments vergleichbar.

LeerNicht wenige neuere römisch-katholische Exegeten (wie A. Vögtle, N. Brox, 0. Knoch, A. Weiser, H. Schürmann, G. Lohfink) sind sich einige, daß in der apostolischen Zeit, auch in den Pastoralbriefen, noch nicht von einem „reflektierten Sukzessionsprinzip” (A.Vögtle) gesprochen werden kann. Vögtle sagt sogar, wenn in der Frühzeit „Frauen als Haushaltsvorstand in ihrem Haus eine kleine Gemeinde beherbergten, läßt sich die Folgerung nicht leicht abweisen, daß sie diese auch leiteten und der Herrenmahlsfeier vorstanden.” (Anm. 5)


LeerZentralistische Primatsansprüche wurden in der alten Kirche nicht anerkannt. Oberstes Organ der Gesamtkirche waren die allgemeinen Konzilien, deren Einberufung nicht durch die römischen Bischöfe erfolgte und deren Beschlüsse sie nicht zu bestätigen hatten. Die ersten Bischöfe von Rom, die Primatsansprüche stellten, waren Damasus I. (+ 384), Siricus (+ 399), Innocenz I. (+ 417) und Bonifaz I. (+ 422). Erst Leo I. (+ 461) vertritt die Auffassung, daß die Bischöfe ihre kirchliche Vollmacht durch den Papst erhalten. Dies wurde im 1. Vaticanum 1870 ausdrücklich übernommen. So bleibt „für die Bischöfe schlechterdings keine andere Stellung und Autorität, als die, welche päpstlichen Kommissären oder Bevollmächtigten zukommt, übrig... Damit ist denn, wie jeder Kenner der Geschichte und der Väter zugeben wird, der altkirchliche Episkopat in seinem innersten Wesen aufgelöst, und ein apostolisches Institut, dem nach dem Urteile der Kirchenväter die höchste Bedeutung und Autorität in der Kirche zukommt, zu einem wesenlosen Schatten verflüchtigt. Denn zwei Bischöfe in demselben Sprengel, einen, der zugleich Papst ist, und einem, der bloß Bischof ist, wird doch niemand für denkbar halten, und ein päpstlicher Vikar oder Diözesan-Kommissär ist eben kein Bischof, kein Nachfolger der Apostel.” (Anm. 6)

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LeerDieser Entwicklung haben die Kirchen des Ostens widerstanden. So ist es nur verständlich, wenn Orthodoxe nach der Erklärung Dominus Iesus fragen, weshalb sie als Teilkirchen angesehen werden und wer sich eigentlich von wem weg entwickelt und getrennt habe. In diesem Zusammenhang wurde auch an die Wandererzählung von einer uralten Frau erinnert, die erstmals im Leben aus ihrem Gebirgstal herauskam, Menschen ohne Kröpfe sah und feststellte: Denen fehlt doch etwas!

LeerGroßes Befremden hat in der Orthodoxen Kirche eine „entschärfte Version” der Erklärung Dominus Iesus ausgelöst, die zu den orthodox/römisch-katholischen Gesprächen aus Anlaß des Andreasfestes (30. November 2000) dem Patriarchen von Konstantinopel in französischer Sprache vorgelegt wurde. Umstrittene Passagen sind darin geglättet oder weggelassen. (Anm. 7) Wie ist das überhaupt möglich, nachdem der Sekretär der Glaubenskongregation, Erzbischof Bertone noch im September 2000 der Erklärung Dominus Iesus einen unfehlbaren Status zugemessen hatte? Ging der Vatikan davon aus, daß in der Orthodoxie die Erklärung zuvor noch nicht bekannt war? Die Orthodoxe Kirche ist „zunehmend irritiert”. daß die mit Rom unierten Ostkirchen nach wie vor als Modell der Einheit zwischen römisch-katholischer und orthodoxer Kirche angesehen werden.


KIRCHENBEGRIFF

LeerDas 2. Vatikanische Konzil hatte lange um eine zentrale ekklesiologische Äußerung gerungen: In der Vorlage war gestanden: „Die einzige Kirche Christi, die wir als die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche bekennen, ist (est) die (römisch)-katholische Kirche”. Aus dem „est” wurde schließlich „subsisit in - ist verwirklicht in ...” Aloys Grillmeier S.J., der später als Priester und Emeritus, schon von schwerer Krankheit gezeichnet, von Johannes Paul II. für sein Lebenswerk mit der Kardinalwürde geehrt wurde, schreibt im offiziellen Konzilskommmentar dazu: „Es wird auch nicht mehr ein absolutes, exklusives Identitätsurteil ausgesprochen, etwa in dem Sinne: Die Kirche Christi 'ist' die katholische Kirche.” Grillmeier spricht ausdrücklich von der „Kirchlichkeit der nichtkatholischen Kirchen und Gemeinschaften”, die „von der Idee der Sakramentalität (Einheit von Zeichen und Bezeichneten) her zu klären ist.” (Anm. 8) Das war nach dem Konzil die einmütige Interpretation und öffnete die Türen zu zahlreichen ökumenischen Dialogen in den letzten 40 Jahren. Die Erklärung Dominus Iesus wandelt diese Aussagen geradewegs ins Gegenteil und interpretiert „subsistit” als Klarstellung, „daß nur eine 'Subsistenz' der wahren Kirche besteht, während es außerhalb ihres sichtbaren Gefüges nur Elemente des wahren Kircheseins gibt” (Fußnote 56). Die Konzilaussage wird damit zugunsten der nicht angenommenen Vorlage definiert.

LeerHubert Bour stellt fest: „Communio und nicht unio ist das Ziel der Ökumene. Und jetzt belehrt uns die Glaubenskongregation, daß das „subsistit” keinen Plural verträgt und daß die Kirche Christi 'nur und ausschließlich in der römisch-katholischen Kirche verwirklicht ist. Wer das ernst nimmt, muß sich vom Einheitsmodell einer versöhnten Verschiedenheit verabschieden, und zwar zugunsten einer längst überholten Rückkehrökumene im Sinne Pius XI. und Pius XII.” (Anm. 9)


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REFORM?

LeerKann der Widerspruch gegen die vatikanischen Erklärungen der jüngsten Zeit, können Reformbegehren nur innerhalb der römisch-katholischen Kirche wirkungsvoll angemeldet werden? Gegen die Meinung, Veränderungen können allein von innen kommen, spricht vor allem, daß nicht wenige, die solche Veränderungen „von innen” angemahnt und betrieben haben, zum Schweigen gebracht wurden. Die Fälle von Lehrentzug (und in Einzelfällen Exkommunikation) für wagemutige Theologen oder gar die Enthebung vom Bischofsstuhl sind zur Genüge bekannt. Erst im November 2000 hat der Salzburger Erzbischof Geog Eder in einem Hirtenwort von den 'reißenden Wölfen' gesprochen, die in die Herde eingedrungen sind. An den Liturgiewissenschaftler Franz Nikolasch schrieb er: „Ich gebe gerne zu, daß ich mit den 'reißenden Wölfen' Sie und andere Kollegen auf den deutschen und österreichischen Fakultäten meine.... Daß sich manche davon mit Schafsfellen bekleiden, macht sie nur gefährlicher”. Am Nikolaustag 2000 wurde im Osservatore Romano das Ergebnis eines Lehrverfahrens gegen den Innsbrucker Liturgiewissenschaftler Reinhard Messner veröffentlicht, dem u.a. vorgeworfen wird, er bewerte die Schrift höher als die Tradition und scheine die katholische Lehre vom Weihepriestertum im Frage zu stellen.

LeerSo ist es unerläßlich, daß sich auch viele aus den zu Unrecht als Teilkirchen oder zu kirchenähnlichen Gemeinschaften degradierten Kirchen zu Wort melden ohne falsche Rücksichtnahme, aber auch ohne selbstberuhigendes Wunschdenken. Selbsttäuschungen helfen weder dem eigenen Glaubensleben noch der Ökumene. Die Bereitwilligkeit und der Mut, dem Petrus ins Angesicht zu widerstehen (vgl. Gal 2,11), sind gefordert. Der Widerspruch darf sich freilich nicht im emotionalen Protest erschöpfen, er muß vielmehr begründetes „testari pro” sein. Dazu gehört für alle Kirchen die Entschlossenheit, sich nach dem Bild der alten Kirche zu reformieren. „Keine Kirche kann einfach so bleiben wie sie ist, alle werden sich bekehren und ändern müssen. Erst die dazu erforderliche menschliche Demut und ekklesiologische Bescheidenheit machen uns ökumenefähig.” (Anm. 10) Es ist überaus erfreulich, daß Bischof Walter Kasper, bei einem Besuch in seiner alten Diözese kurz nach der Bekanntgabe seiner Kardinalserhebung, in die gleiche Richtung gewiesen hat wie sein langjähriger Ökumenereferent Hubert Bour. Die angestrebte Einheit der Kirchen, so sagte Kasper, könne nicht durch „Rückkehr” erreicht werden. Ökumene sei ein Prozeß des „Austauschs der Gaben, die jede Kirche habe”. Dieser Prozeß müsse zu einer Bereicherung aller führen, nicht zur Verminderung oder zu Abstrichen an der Wahrheit des Evangeliums. Wenn er dann aber hinzufügt, von den aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen müsse nicht mehr an Anerkennung des Petrusamtes verlangt werden als im ersten Jahrtausend der noch weithin ungeteilten Christenheit gelebt worden sei, so entstehen neue Fragen. Sind damit der Konsens und die Praxis gemeint, wie sie vor dem Ende des 4. Jahrhunderts gegeben waren? Wie läßt sich diese Position mit der in Dominus Iesus beschriebenen „katholischen Lehre vom Primat” vereinbaren, die auf Dogmen von 1870 beruht? Wenn es sich hier um Glaubenssätze handelt, können sie dann für einen Teil der Christenheit abgeschwächt werden, während sie für einen anderen in voller Geltung stehen?

LeerIn dem Brief, den Papst Johannes Paul II. am 23. Februar 2001, einen Tag nach dem Konsistorium, an die deutschen Kardinäle geschrieben hat, heißt es: „Ich vertraue darauf daß Sie auf dem festen Grund dieser Erklärung (Anm. d. Verf.: Dominus Iesus) den ökumenischen Dialog fördern und entsprechend ihrem Auftrag zu leiten wissen.” Damit wird noch einmal deutlich, daß die Erklärung als unumstößlich gilt und nicht nur als inner-römisch-katholisches Dokument gedeutet werden kann.

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Anmerkungen

 1 In: Ruhrwort, Kirchenzeitung des Bistums Essen
 2 Das Band. Rundbrief des Basilianer-Salvatorianerordens im Libanon und des griechisch-katholischen Patriarchats in Jerusalem, Meitingen, Weihnachten 2000, 9.
 3 vgl. dazu auch: Herbert Haag. Nur wer sich ändert, bleibt sich treu. Für eine neue Verfassung der katholischen Kirche, Freiburg-Basel-Wien 2000.
 4 Bedauerlicherweise sind die Porvoo-Texte (Full Communion zwischen den anglikanischen Kirchen in England und Irland und den nordischen und baltischen lutherischen Kirchen) und die entsprechenden Verhandlungen zwischen der Episcopal-Church und den Lutheranern in den USA hierzulande kaum zur Kenntnis genommen worden. Hier wird auch deutlich, daß derartige Vereinbarungen die „Gültigkeit” der bisherigen Ämter und der Sakramentsfeiern nicht in Abrede stellen.
 5 Anton Vögtle, Die Dynamik des Anfangs, Leben und Fragen der jungen Kirche, Freiburg-Basel-Wien 1988, 148.
 6 Ignaz von Döllinger, Briefe und Erklärungen über die Vatikanischen Dekrete 1869-1887, München 1890, 30.
 7 KNA - ÖKI 51, 12.12.2000, 2
 8 LThK Ergänzungsband 1, Freiburg-Basel-Wien 1966, 175.
 9 Grußwort des Ökumenereferenten der Diözese Rottenburg-Stuttgart an die Synode des Katholischen Bistums der Alt-Katholiken in Deutschland, 30. September 2000.
10 ebd.

Dr. Sigisbert Kraft (∗1927 † 2006), war Bischof der altkatholischen Kirche und Mitglied der Evangelischen Michaelsbruderschaft.

Website der Altkatholischen Kirche Deutschlands www.alt-katholisch.de

Quatember 2001, S. 113-121

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-08-15
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