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Die Urspring-Schule von Wilhelm Thomas |
Im Frühjahr 1930 besuchte ich das Landschulheim in ... und sah dort einen der Lehrer und Erzieher des Hauses mit seiner Frau über dem Urtext des Neuen Testamentes sitzen, einen Mann, der an zwei bekannten Schulen dieser Art zwei Jahrzehnte seines Lebens erfolgreich gewirkt hatte. Eine solche Begegnung ließ aufhorchen. Man wunderte sich garnicht, wenn man hörte, Dr. Bernhard Hell - so hieß der Mann - wolle seine bisherige Stellung aufgeben und in seiner Heimat Schwaben ein Landschulheim begründen, das im Unterschied zu den bisherigen Landschulheimen letztlich nicht durch die Persönlichkeit des Leiters allein in seiner Gesamthaltung bestimmt sein sollte, sondern durch einen bewußt evangelischen Willen, und das hieß vor allem: durch eine Beugung unter überpersönliche Maßstäbe. Ursprünglich war als Name gedacht: „Evangelische Schulgemeinde”; der Name sollte ein Programm sein. Aber um den Irrtum auszuschließen, als stehe hinter der Schule eine große sie haltende Gemeinde, von der sie nun auch abhängig wäre, wurde darauf verzichtet. Schon zu Ostern des gleichen Jahres wurde in dem früheren Benediktinerinnenkloster Urspring mit 4 Schülern und 7 Lehrern die Schule eröffnet, und schon im selben Sommer konnte der Berneuchener Kreis die Ferienmonate der Schule mit Freizeitwochen belegen, über deren Verlauf im „Mitteilungsblatt” (dem Vorläufer dieser „Jahresbriefe”) berichtet worden ist (Nr. 22 S. 10). Damit war der Anfang gemacht zu einer Symbiose, die, wie jede echte Symbiose, für beide Teile ihr Gutes hat Zwar sind an sich beide Werke völlig unabhängig von einander. Dr. Hell und der Kreis seiner Mitarbeiter arbeiten im eigenen Hause in eigener Verantwortung. Und wenn „die Berneuchener” erscheinen, dann sind von der Schule meist nur noch ein paar Feriengäste zu sehen. Die kleine Neuschöpfung der Urspringschule hat sich zum Staunen derer, die ihr mit Unglauben gegenüberstanden, schrittweise, aber sicher und über Erwarten schnell vorwärtsentwickelt. Heute birgt sie schon in fünf „Kameradschaften” 38 Schüler und Schülerinnen. Man wird in Urspring bis zur Reife der Oberrealschule, des Realgymnasiums und des humanistischen Gymnasiums vorbereitet, und zwar u. U. von der Grundschule auf. Einen fesselnden Einblick erhält man durch die laufenden Trimesterberichte, die man von der Schulleitung gerne zugesandt erhält. Da liest man von den Ausflügen und Werkgemeinschaften, vom Ausbau der Einrichtung durch Arbeit der Schüler, von Stiftungen verständnisvoller Freunde, von den Feiern der Schulgemeinde u. a. m. Was hier vielleicht (Fastenzeit 1932) noch hervorgehoben zu werden verdient, das ist, daß es die ganze Art der Entstehung der Schule mitten in dieser Notzeit mit sich gebracht hat, daß sie gegenüber ähnlichen Heimen aus früheren Zeiten etwas Schlichtes, Herbes an sich hat, gerade so wie es der Jugend bekömmlich ist und im Grunde wohltut. Im Vergleich freilich zu Internaten etwa aus dem vorigen Jahrhundert ist die Einrichtung technisch und künstlerisch wirklich auf der Höhe. Man wundert sich nicht, daß so mancher Feriengast Schüler wird. Wirtschaftlich kann die Schulleitung trotz aller Zeitnöte in einzelnen Fällen erfreulicherweise Vergünstigungen gewähren. Die Träger der Urspringschule wissen selbst, daß, was sie geschaffen haben, nur ein erster Anfang ist. Aber wer es zu schätzen weiß, wenn sich irgendwo neues Leben ohne das Prokrustesbett zentralistischer Verwaltungsvorschriften auf eine feste, geprägte Form hin entwickelt, der wird mit Freude und großer Erwartung beobachten, was hier für deutsche, evangelische Jugend geschieht, und wird dem Werke die Teilnahme aller wünschen, die seine Bedeutung würdigen können. Jahresbriefe des Berneuchener Kreises 1931/32, S. 52-53 |
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