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von Ludwig Heitmann |
In der alten Kirche war lange Zeit hindurch, wenigstens solange die Erwachsenentaufe der vorherrschende Brauch war, die Taufe fest mit der Osterzeit verbunden: die Fastenzeit war der Vorbereitung gewidmet, die Osternacht, die Frühe des Ostermorgens war der festliegende Tauftermin. Auch die Woche nach Ostern stand noch unter dem Zeichen der Taufe: die Täuflinge trugen noch in den täglichen Gottesdiensten ihre weißen Taufgewänder, und wenn sie diese am Sonntag Quasimodogeniti ablegten - der Name „Weißer Sonntag” kommt also von den abgelegten Taufkleidern - dann betete der Bischof: „Möge die unsichtbare Reinheit Christi allzeit in deiner Seele sein, möge sie dieselbe nie verlieren.” Die Taufe ist also fest in das Leben der Gemeinde und in den Gang des Kirchenjahrs eingebettet. Wir haben diesen Zusammenhang verloren. Das Loslösen des Einzellebens und der familiären Gemeinschaft vom Leben der Gemeinde hat auch die Taufe immer mehr zu einem privaten Handeln werden lassen. Hinzukommt, daß auch die Kindertaufe ganz andere Gedanken in den Vordergrund rücken mußte, die die beherrschenden Gedanken der altchristlichen Taufe wenn nicht verdrängt, so doch verdunkelt haben. Der Dank für das neugeschenkte Leben, der Hinweis auf die zuvorkommende Gnade Gottes, die schon das Kind unter die ewige Verheißung stellt, ja auch Erziehungsgedanken drängten sich vor; der Gedanke an Tod und Auferstehung Christi als die große Wandlung, von der auch unser Leben ergriffen wird, konnte zwar in der Verkündigung noch mitschwingen, verblaßte aber mehr und mehr vor den neuen Sinn- Beziehungen, wie die Taufe sie nunmehr gewonnen hatte. Damit ist aber die Taufhandlung in die Gefahr gekommen, ihren eigentlichen Sinn im Bewußtsein der Menschen völlig zu verlieren. So ist sie denn auch in unsern Gemeinden oft nur noch eine Art Begrüßungsfeier für das Kind. Auch wenn es gelingt, die Taufe wieder ganz an das Gotteshaus zu binden, ist noch nicht das Entscheidende getan. Am wenigsten vermag Belehrung der Taufe die grundlegende Bedeutung für das Christenleben zurückzugeben. Wo aber das Kirchenjahr in den Sitten einer Gemeinde wieder lebendig wird, da ist eine Voraussetzung geschaffen, daß auch die Taufe neu verstanden und ernstgenommen werden kann. Osterfest und Christus-Taufe leben von der einen Botschaft „Christ ist erstanden”. Darum können sie beide am besten da vor der Sinnentleerung bewahrt werden, wo sie miteinander verbunden und aufeinander bezogen werden. Man weist wohl darauf hin, daß wir doch die Konfirmation als eine „Bestätigung der Taufe” noch haben. Ganz abgesehen von der Frage, ob das Lebensalter der Konfirmation für eine Bestätigung der Taufe das richtige ist: gerade die Einmaligkeit dieser Bestätigung ist das Unzulängliche daran. Und wie oft bedeutet diese Bestätigung in Wirklichkeit endgültige Erledigung! Das in der Taufgnade Bleiben reicht ja da, wo die Wirklichkeit christlichen Lebens gelebt wird, viel weiter und findet seinen Abschluß für dieses Erdenleben erst in der Verkündigung der Auferstehungshoffnung über dem Grabe. Nun kann freilich im Zeitalter der Kindertaufe die allgemeine Sitte der österlichen Taufzeit nicht zurückgeholt werden, wenngleich wir allen Grund haben, gegenüber der weitverbreiteten Sitte der „Weihnachtstaufe” der Taufe unter der Osterbotschaft wieder ihren ersten Rang zurückzuerobern. Aber es sollte keine Sonntagstaufe ohne eine Erinnerung an den „Auferstehungstag des Herrn” sein, auf den die ewige Verheißung der Taufgnade zurückweist: „Ihr seid nun allzumal Kinder des Lichts und Kinder des Tages”. Unsere Taufliturgie muß sehr viel gründlicher, als es gemeinhin geschieht, die Erfahrung von Römer 6 in den Mittelpunkt stellen. Und sie muß sehr viel kräftiger und anschaulicher als bisher hinweisen auf die Bedeutung des Wassers als des leibhaftigen Elementes der Taufhandlung. Daß die Taufe innerhalb der Gemeinde im sonntäglichen Gottesdienst begangen werde, das begegnet heute noch großen und zum Teil unüberwindlichen Schwierigkeiten, zumal in der Großstadt. Um so wichtiger ist es, daß die Gemeinde im festen Gang des Kirchenjahres an die Taufgnade erinnert werde. Die Berneuchener Ordnung des Kirchenjahrs widmet diesem Taufgedächtnis den 6. Sonntag nach Trinitatis im Anschluß an die alte Epistel des Tages, weil diese Zeit nach dem Johannistage der „Kirche der Heiligung” gewidmet ist, die nach Luthers Worten in der Taufe das Urbild ihrer täglichen Erneuerung und Reinigung hat. Aber auch die österliche Zeit, die klassische Zeit des Taufgedächtnisses, muß ihre Beziehung wiedergewinnen zu der Grundtatsache des Christenlebens, zum Wahrheitsgehalt und zur Lebensbedeutung der Taufe. Aber auch die Zeit nach Ostern, die Freudenzeit, gehört ganz der neuen Schöpfung in Christus und damit dem Taufgedächtnis. In unsrer Gemeinde wird während dieser Zeit der „Sonntag der Neukonfirmierten” begangen. Er führt die junge, vor Ostern konfirmierte Schar noch einmal geschlossen in die versammelte Gemeinde. Bei dieser Gelegenheit zieht die Jugend die ganze Gemeinde in ihr Taufgedächtnis hinein. Ob diese Feier nun am ersten oder am zweiten Sonntag nach Ostern gehalten wird - beide Tage geben dieser Beziehung Raum. Auch der Trinitatissonntag sollte niemals des Tauf- Gedächtnisses entbehren. Gewiß, das alles sind nur Anfänge einer wiederkehrenden Besinnung auf die Taufe und ihre Bedeutung im Leben der Gemeinde. Aber nur in der immer wiederkehrenden Sitte der Gemeinde entfalten die grundlegenden Tatsachen des Christenlebens ihre Kraft, das ganze Dasein zu umspannen, zu durchdringen und zu tragen. Jahresbriefe des Berneuchener Kreises 1931/32, S. 75-77 |
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