I.
Für gewöhnlich versteht man unter Zeichenunterricht eine Unterweisung in der Kunst des Zeichnens, überhaupt graphischer Fertigkeit: es gibt aber noch eine andere Unterweisung, die man in besonderem Sinne auch Zeichen-Unterricht nennen könnte: das ist eine Einführung in die Wahrheiten des Glaubens, die sich (neben dem Wort) des Zeichens bedient, des Symbols, um damit, was sie zu sagen hat, schlichter und tiefer sagen zu können, als es auf begrifflichem Wege möglich ist.
Rudolf Koch hat uns in seiner „Folge von symbolischen Zeichen”, die er „Das Leben Jesu” nennt, ein Hilfsmittel für solchen Zeichen-Unterricht geschenkt, das uns bisher fast völlig fehlende Möglichkeiten der kirchlichen Unterweisung erschließt.
Um das letzte Ziel solcher Unterweisung ganz deutlich auszusprechen, nennen wir dies Büchlein ein Bilderbuch des Beters. Denn wenn wir im Gebet unser geistiges Auge auf die Welt des Glaubens richten, so schaut dies unser geistiges Auge die Glaubenswelt in Bildern, in denen sich uns Gottes Welt zuvor sinnlich sichtbar offenbart hat. Nun wird unsere Seele ja heute überschüttet von realistischen Darstellungen biblischer Begebenheiten und Personen in sämtlichen „Stilarten”; aber das ist gar nicht, was wir als Vorbereitung des Gebets, der Versenkung, des Lebens aus dem Glauben brauchen. Nicht die historische Begebenheit als solche muß in unsrer Seele leben, noch ihre spießerische Verniedlichung durch einen „christlichen Künstler”, sondern der tiefste Sinn all solchen Geschehens, wie er nur in den symbolkräftigen Andeutungen dieses Geschehens im Zeichen angeschaut werden kann.
Solche symbolische Zeichen sind wie Melodien: das gesprochene oder geschriebene Wort gehört dazu. Umgekehrt ergänzt das Zeichen die Worte aufs eindringlichste und mit der tiefsten Wirkung gerade auf den Menschen, der der Verstandeswirkung des Wortes relativ verschlossen ist, vor allem also auf das Kind. Zu den Zeichen Rudolf Kochs gehört in der Regel eine biblische Geschichte, wir bringen mit Nachstehendem eine Auswahl von ganz kurzen Sprüchen aus diesen Geschichten, die den Bibelkundigen ohne weiteres in die ganze Situation hineinversetzen. Die Sprüche sind also nicht einfach Kommentare zu dem, was das Zeichen darstellt, sondern sie bilden mit dem Zeichen zusammen auf dem Hintergrund der ganzen Geschichte eine Einheit, wie sie im Geist des betenden Menschen weiterleben kann. Die Worte verschwistern sich mit dem Zeichen, die Zeichen mit den Worten, daß eins mit dem andern für die Anschauung und das geistige Leben des besinnlichen und feiernden Menschen zusammengehört.
II.
Die Verwendung der symbolischen Zeichen im Unterricht oder durch die Mutter im Hause ist in verschiedener Weise möglich. Der billige Preis erlaubt es in vielen Fällen, jedem Kind das ganze Büchlein in die Hand zu geben. In anderen Fällen genügt ein Stück in der Hand des Unterweisenden: der Buchbinder kann durch einen Schnitt am inneren Rande des Buches dieses in einzelne Blätter auflösen, die, jedes für sich, vorgezeigt werden können. Es kommt nun alles darauf an, daß zur Erklärung der Bildzeichen nur das Allernotwendigste gesagt wird, besonders bei Kindern. Die ersten Bilder, die man den Kindern zeigt, sind ihnen eine Art Rebus; sobald sie die Art der Zeichen erfaßt haben, lesen sie ihre Bedeutung ab wie von einer Bilderschrift. Oft kann jede Einzeldeutung unterbleiben.
Wenn etwa das Zeichen der Versuchung Christi (Nr. 5, vgl. letzt. Jg. S. 114) gezeigt wird, nachdem die Geschichte erzählt worden ist, und ein Kind deutet das mit den Worten: „Der böse Feind zielt auf Sein Herz” (Beispiel aus dem Konfirmandenunterricht), dann erübrigt sich jede weitere Erörterung. Es gibt freilich kompliziertere Symbole, die an das Allegorische mancher Träume grenzen (Nr. 9, 15); aber gerade hier gilt es mehr, die Geschichte so zu erzählen, daß sie eine Vorbereitung aus das Bild ist, als das Bild selbst „auszudeuten”. Weder das Verständnis noch die Tiefenwirkung eines Bildes auf die Kinder gründet sich auf gedankliche Nachhilfen, beide beruhen vielmehr - die Kenntnis der Geschichte vorausgesetzt - in erster Linie auf der Gestaltung des Bildes selbst, in zweiter Linie darauf, daß dies in einem Augenblick innerer Sammlung geschaut und aufgenommen wird; in dritter Linie kommt dann regelmäßige Wiederholung des Anblicks oder Erinnerung in Frage (dies etwa auch durch Nachzeichnen aus dem Gedächtnis).
Zu einzelnen Zeichen sei noch Folgendes bemerkt: Nr. 1 ist nach einer Darstellung auf einem Wegkreuz im Spessart gezeichnet, die Blätter 16-21 nach jenem Stein in der Michaelskapelle in Fulda, der einst in der Zeit der ersten Bekehrung als Unterrichtsmittel bei unseren Altvordern gedient haben mag. Wir greifen diese Beispiele heraus um zu zeigen, daß es sich bei diesen Zeichen nicht um eine „moderne Neuerung” handelt, sondern um die ursprüngliche Form unseres Volkes (und aller Völker), heilige Wahrheit und heilige Geschichte zu schauen und zu gestalten. Das antike Element ist in dieser Reihe (im Gegensatz zu den großen Symboltafeln Kochs) stark zurückgedrängt; nur etwa der Tempel auf Blatt 3 ist nach einer alten Tonscherbe gezeichnet.
Bei diesem letztgenannten Bild, wie auch bei Nr. 14 und 22 bringen es Stoff und Darstellung mit sich, daß man in ganz behutsamen Worten den Beschauer an die Stelle Christi treten lassen darf (3: Unterstelltsein unter das Auge Gottes; 14: Helfen und sich helfen lassen; 22: den Satan unter unsere Füße treten); bei Blatt 24 ist dies Kindern gegenüber ausgeschlossen, auch bei Erwachsenen darf es nur mit Vorsicht geschehen. Sehr wesentlich ist bei Blatt 27, daß hier das schwarze Kreuz abgelöst wird vom weißen Kreuz: an die Stelle der Niedrigkeitserscheinung Christi tritt sein Erscheinen in Herrlichkeit und Macht.
III.
Wir bieten hier abschließend die Reihe der Bibelsprüche zu den einzelnen Zeichen.
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