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Durch die Ereignisse dieser Wochen gehören plötzlich tausende von Menschen zusammen, die sich nie gekannt haben, aber nun erfahren dürfen, daß sie auf einem Wege sind, weil sie es - ein jeder an seinem Ort - gewagt haben, sich dafür einzusetzen, daß unsre Kirche eine kämpfende Kirche werde. Der Kampf, in dem wir uns da stehen finden, ist seinem Wesen nach nicht der Kampf von Parteien. Wir haben von vornherein abgelehnt, uns gegen irgend jemand abzugrenzen. Nicht Frontbildung im Parteisinn ist unsre Aufgabe, sondern Kirchenbildung. Wo Menschen spüren lassen, daß sie um Kirche wissen, da mögen sie kirchenpolitisch stehen, wie sie wollen, wir gehören im Grunde mit ihnen zusammen und können uns der Zusammenarbeit mit ihnen nicht versagen. Nur wo Parteizugehörigkeit zur Bedingung für die Teilnahme an der Erneuerung des kirchlichen Lebens gemacht wird, da sagen wir unbedingt Nein. Wenn es sich heute schon im Wirtschaftsleben durchsetzt, daß Parteizugehörigkeit nicht entscheidend ist, wieviel mehr im kirchlichen Leben. Wie es für den Staat galt und gilt, sich aus dem Wesen des deutschen Volkstums heraus zu erneuern, so gilt es für die Kirche, sich zu erneuern aus dem Evangelium. Das einzig Entscheidende ist darum, wie wir selbst ernst machen in unserm Leben mit der Erneuerung aus dem Evangelium. Wir wollen das gar nicht gering schätzen, was in treuer Pflichterfüllung von Amtswegen in Kirchenvertretungen und Behörden um des Evangeliums willen getan wird. Aber der Entscheidungskampf wird da geschlagen, wo der einzelne darum ringt, selbst Kirche, Glied der betenden und kämpfenden Kirche zu werden. So sind wir alle in dieser Stunde gerufen, unter Gottes Wort eine Ordnung christlicher Gemeinschaft und opferwilligen Dienstes in unser Leben hineintragen zu lassen. Wer mit uns durch das gemeinsame Leben dieser Wochen verbunden ist, den laden wir ein, teilzunehmen an einer Ordnung des Lebens, durch die wir Kirche sein können in aller Schwachheit unsres persönlichen Daseins, in aller Ungeklärtheit des kirchlichen Lebens rings um uns her, ebenso in der Einsamkeit eines verlorenen Postens wie in der Unruhe und Zerrissenheit des Lebens in der Masse. Wir sind überzeugt, daß der Weg zur Kirche nicht da gefunden wird, wo man, wenn auch mit Eifer und Sachkenntnis, kirchliche, biblische, allgemein religiöse Fragen erörtert, sei es in mündlichem Gespräch oder gar nur auf dem Papier. Dagegen haben wir in diesen Jahren erfahren dürfen, daß es auch in einer verweltlichten Kirche ein In-der-Kirche-Stehen gibt, das heißt, gliedhaft eingeordnet zu leben in gemeinsamer Ausrichtung auf den, der unserem Leben allein Sinn und Inhalt gibt. Solche Ausrichtung ist uns da geschenkt worden, wo wir uns verbunden haben in einer Ordnung des geistlichen Lebens, die den einzelnen vor falscher Erbaulichkeit bewahrt und dafür sorgt, daß einer dem andern brüderlicher Helfer auf seinem Wege wird. So ist es auch in den vergangenen schweren Wochen dieser feste brüderliche Zusammenhang eines gemeinsamen Stehens vor Gott gewesen, der uns die Kraft gegeben hat, ein Wort zu sagen, das von vielen als Wegweisung empfunden worden ist. Darum glauben wir auch sagen zu dürfen: wer unseren Weg mitgehen will, der nehme fürs tägliche Leben solche Bindung selbst auf sich. Wem es wichtig ist, darüber hinaus in gleicher Gebetsordnung mit den andern verbunden zu sein, der lege zugrunde das „Gebet der Tageszeiten” und die „Gebete für das Jahr der Kirche”. Ganz besonders am Ende der Woche, am Sonn-Abend soll solches Gebet alle verbinden, die um die Erneuerung der Kirche ringen. Brüderliche Verbindung mit denen, die auf dem gleichen Wege sind. Es bedeutet etwas, zu wissen, daß auch andere denselben Weg gehen, auch wenn man einander nicht kennt. Wir sind dankbar, wenn wir erfahren dürfen, wo solche Menschen sind, einerlei, in welcher Lebensstellung der einzelne ist, und ob er sich bisher als „kirchlicher” Mensch gefühlt hat oder nicht. Wer darüber hinaus persönliche Verbindung mit Weggenossen sucht, dem sind wir gerne behilflich. Wo und wann es möglich ist, gemeinsame Feiern etwa in Abendgottesdiensten und zwar nach derselben Ordnung, die für täglich vorgeschlagen wird. Ferner Zusammenkünfte zu Vorträgen und darüber hinaus zu Freizeiten, in denen wir vor allem gottesdienstliche Gemeinschaft, dann Vertiefung in Bibel, Katechismus und Gesangbuch und alle Ordnungen der Kirche suchen. Den Blick offen halten für alle Zeichen werdender Kirche in unserer Umwelt. Wir denken da vor allem an die Singbewegung, die vom Volkslied aus zum Choral gekommen ist und auf diesem Wege sucht nach den letzten entscheidenden Lebensgehalten; die kirchenmusikalische Erneuerung, die im Gemeindegesang, Chorgesang und Orgelspiel die Verkündigung der Wahrheit Gottes sucht statt künstlerischen Geltungsstrebens; die Erneuerung der christlichen Kunst aus handwerklichem Geist, wir nennen Namen wie Rudolf Koch und Werk-Stätten wie Kloster Marienberg bei Helmstedt; die neue Strömung in der Heidenmission, die mit allem Zivilisationsindividualismus bricht und den völkischen Gedanken gerade in der Missionierung fremder Völker zugrunde legt; Männer wie Bruno Gutmann und Christian Keyßer zeigen uns hier eine Welt, die auch für die Lösung der Aufgaben des heimischen Kirchenlebens große Wichtigkeit hat. Wie wir hier aus unserer nächsten Nachbarschaft Beispiele nennen, so wird jeder aus seinem Kreis hoffnungsvolle Anzeichen werdender Kirche anführen können. Treues Aushalten in der bestehenden Kirche, auch wenn wir unter vielem, was in ihr geschieht, leiden. Solange man als einzelner darinnen steht, ist es vielleicht eine sehr harte Sache; man muß sich mit anderen in Bibellesung, Gebet und Kampf verbunden wissen. Wenn man es uns anspürt, daß wir der Kirche dienen wollen, wird man uns auch die Mitwirkung nicht versagen können. Persönliche Opfer an Geld und Zeit. Ohne solche Opfer gibt es kein kirchliches Leben. Aufgaben werden von Fall zu Fall auftreten. Wer den hier vorgeschlagenen Weg nicht nur theoretisch erwägt, sondern praktisch einzuschlagen bereit ist, melde sich über die Schriftleitung. (Aus der 6. Folge der „Kämpfenden Kirche”) Jahresbriefe des Berneuchener Kreises 1932/33, S. 159-162 |
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