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Johanniszeit / Laurentiuszeit
von Wilhelm Stählin

LeerDie Kirche Jesu Christi ist die Kirche der Heiligung. Sie ist es nicht nur in einer bestimmten Zeit des Jahres, sondern sie ist es immer und in jedem Augenblick. Wo Kirche ist, da werden Menschen durch den heiligen Geist Gottes geheiligt; die Heiligung des Lebens ist eines der Kennzeichen, an denen die Wirklichkeit der Kirche von allen möglichen religiösen Interessen, Schwärmereien und Rauschzuständen unterschieden werden kann. Die Kirche ist immer und überall eine Kirche der Heiligung; aber in der sommerlichen Zeit, da die Blüten sich wandeln zur Frucht, da der herrliche Rausch des Frühlings vergangen ist und von Feld und Baum die Ernte heimgeholt wird, besinnt sich auch die Kirche darauf, daß aus der Geburt des Heilandes, die unsre Weihnachtslieder besingen, aus dem Bild des Schmerzensmannes, den wir geleitet haben zu seinem Kreuz, aus dem Auferstehungssieg, den unsre Osterlieder verkünden, und aus der pfingstlichen Gabe des heiligen Geistes eine Frucht erwachsen soll in der Heiligung unsres Lebens.

LeerUnsere alten Gesangbücher haben eine lange Reihe von Liedern unter der Überschrift: Kampf der Heiligung. Das ist der Kampf, der uns verordnet ist, der Kampf, in dem wir mit Geduld laufen sollen. Ohne den bitteren Ernst dieses Kampfes bleibt alle fromme Innigkeit eine gefährliche Selbsttäuschung, alles tapfere Bekennen ein leeres Pathos, aller Eifer, die Kirche zu retten und zu bauen, ein unheiliger Eifer.

LeerDer Johannisbrief des vorigen Jahres war fast ganz gefüllt mit dem Bericht über Sorgen und Kämpfen um die Rettung und Erneuerung der Kirche. Die Not ist größer, unsre Sorge ist größer, unsre Verantwortung ist größer geworden. Es ist wirklich nicht so gemeint, als ob wir uns aus der Kampffront in die friedliche Etappe eines inneren Lebens zurückzögen, wenn dieser neue Johannisbrief sehr wenig von Kirchenpolitik, aber umso mehr und umso dringlicher von Heiligung redet. Es ist Gottes Sache, auch die bösen und dämonischen Menschen als Werkzeuge beim Bau seiner Kirche zu gebrauchen; aber es ist unsre Sache, unser Leben, unseren Leib und unsre Seele, unser Denken und unser Wollen, unser Bekennen und unser Beten heiligen zu lassen in der Zucht des heiligen Geistes. Denn Gott gebraucht wohl auch die sehr unheiligen Menschen, aber er will geheiligte Menschen, geheiligte Gemeinden, eine geheiligte Kirche. „Jaget nach der Heiligung, ohne welche kann niemand den Herrn sehen!”

LeerDiese Kirchenzeit steht unter dem Namen des Täufers Johannes; in seinem Wort „Er muß wachsen, ich aber muß abnehmen” schauen wir an das innerste Geheimnis der Heiligung. Und sie steht unter dem Namen des Diakonen und Märtyrers Laurentius: Daß (wie es in den Gebeten der Kirche heißt) die Flammen unsrer Leidenschaften ausgetilgt und unsre Herzen entzündet werden durch das Feuer der Liebe: Das ist Heiligung; das Sterben unseres „alten Adam”, unseres natürlichen und ungöttlichen Wesens, damit Christus in uns lebe und Gestalt gewinne.

LeerÜber beiden Namen steht als das Zeichen über diesen Heften das zwiefache Christuszeichen: Kreuz und Krone: Das große ernste Kreuz, das sehr sichtbar, sehr spürbar unser Leben beherrscht; unsre Heiligung ist ein Bekenntnis zu dieser Kreuzesgestalt unsres Lebens, ein tägliches „sich kreuzigen”. Aber darüber die Krone der verborgenen Herrlichkeit; das Zeichen des Sieges, der in Christus errungen ist und der nun als die Kraft der Auferstehung das Geheimnis aller Wandlung und aller Heiligung ist.

LeerIn der Heiligung wie in allen wahrhaft christlichen Lebensäußerungen verbinden sich Tod und Auferstehung, Kreuz und Krone. In der Heiligung nehmen wir ernstlich das Kreuz auf uns, und wir ringen als rechte Kämpfer um die Krone; ein geheiligtes Leben ist „mit Christo gestorben”, und es ist zugleich das eigentliche und allein glaubwürdige Zeugnis von Seinem Sieg und Leben.

Jahresbriefe des Berneuchener Kreises 1934, S. 89-90

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-11-09
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