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von Ludwig Heitmann |
Es ist verständlich, daß die Kirche die Gestalt Luzifers nur mit Scheu und Zurückhaltung im Bilde dargestellt hat. Nur selten erscheint er in seiner ganzen Furchtbarkeit als der angreifende Feind; meistens erscheint er am Rande als der Geworfene und Besiegte oder als der hinterhältig Lauernde. Je weiter er in der Phantasie des Volks in das Licht des Tages gerät, desto mehr entartet er zum Spottbilde. Luzifer ist keine echte Gestalt des Lebens, die das volle Sonnenlicht erträgt. Denn er hat das reine Licht Gottes geraubt; darum erscheint er entweder als Ungestalt oder er bleibt am Rande des Lebens, nur hier und da plötzlich aus der Finsternis, die sein Element ist, auftauchend. Das echte Licht entlarvt ihn als Lügner und Betrüger. Darum ist Luzifer kein Gegenstand sinnender Betrachtung. Es liegt eine ernste Wahrheit in dem Sprichwort, daß „man den Teufel nicht an die Wand malen soll.” Der Erzengel Michael steht ihm mit dem Flammenschwert gegenüber, um ihn in dem Augenblick, in dem er aus der Finsternis auftaucht, mit den Waffen des Lichts zurückzuscheuchen. Die Haltung ihm gegenüber ist die Wachsamkeit, die ihn gar nicht erst zur Gestalt werden läßt. Es gibt Gestalten der Welt, an die man sich nicht verlieren darf. Jeder, der sehend geworden ist für die Dämonien der Welt, weiß das. Es gibt Vergnügungsstätten, Sportveranstaltungen, Großstadtplätze, zerfetzte Landschaftsbilder, Arbeitsstätten und Zimmereinrichtungen, ja selbst kirchliche Feiern, die dämoniegeladen sind. Jedem Menschen ist eine Schutzanlage mitgegeben, durch die er sich unbewußt gegen viele Bilder abriegelt Namentlich bei Kindern ist das oft erstaunlich zu beobachten. Der Mensch meidet gewisse Stätten aus instinktiver Abneigung, oder er flüchtet nach der Arbeit dorthin, wo er wieder in die Ruhelage kommt. Aber es ist keine Frage mehr, daß die Gestalt der Welt heute weithin dem Trugbilde Luzifers erlegen ist. Sein Scheinglanz hat die Welt erobert und ihr inneres Auge, mit dem sie das Licht Gottes schauen soll, zerstört. Sie ist blind geworden gegen das reine Licht Christi. Wo Christus heute in die Welt tritt, kommt er zuerst als der Blindenheiler; er macht die Entstellung der Schöpfung sichtbar und öffnet leise das Auge für das wahre Licht, er weckt die Wachsamkeit gegen die Ungestalt Luzifers. Es ist wichtig, daß wir die grundlegende Bedeutung der Erleuchtung über das Geschehen und die Gestalt der Welt in unserm Lebenskampf gegen den Versucher wieder ganz klar erkennen. Die eigentlichen Waffen gegen den Todfeind des Lebens sind die „Waffen des Lichts”. Das ist viel wörtlicher zu verstehen, als man gemeinhin denkt. Die rechte Schau der Front zwischen Licht und Finsternis ist schlechthin entscheidend. Eine der merkwürdigsten Erscheinungen ans dem Endkampf des Weltkrieges war der Kampf gegen die nächtlichen Flieger, deren Auftreten für das seelische Erleben des Frontsoldaten zum Unheimlichsten des Krieges überhaupt gehört. Als die durchschlagendste Waffe gegen sie erwies sich der Scheinwerfer, und zwar nicht nur wegen seiner blendenden und unsicher machenden Wirkung auf den Flugzeugführer, sondern vor allem wegen der seelischen Wirkung des „Sichentdecktwissens”. Vor dem Scheinwerfer half nur die Flucht in die Nacht. Ein lauernder Mensch, der Böses im Schilde führt, ist von dem Augenblick an entwaffnet, in dem er sich durch eine leiseste Andeutung im Gespräch entdeckt weiß. Der „Vater der Lüge” fürchtet nichts mehr als den stillen Glanz der durchleuchtenden Wahrheit Christi. Es ist kein gutes Zeichen für unsere Zeit, daß sie glaubt, so vieles sorgsam abriegeln zu müssen. Aber es ist das erste Anzeichen der bereits gewitterten sieghaften Macht des Lichtes Christi. Eine der erstaunlichsten Grunderfahrungen, die das Christentum in die Welt gebracht hat, ist die, daß die innere Macht eines Menschen in demselben Maße wächst, als er sich in unerbittlicher Aufrichtigkeit unter die Wahrheit Gottes stellt. Sie, die ihn vernichtet, gibt ihm im Verborgenen doch eine für Menschen unerklärliche Macht über die Umwelt. Weil wir uns mit einem konventionellen Panzer verbergender Formen umgeben und die echte Beichte verloren haben, darum sind wir Heutigen so machtlos und furchterfüllt gegenüber den Manschen und den Dingen. Die Grundmacht der Welt ist die Wahrheit; die Ohnmacht der Welt offenbart sich immer in ihrer Sucht, zu verschleiern und zu scheinen. Christi Kreuz hat die Wahrheit über die Welt enthüllt und die Lüge Luzifers entlarvt. Darum liegt in der scheinbaren Ohnmacht dieses Sterbens der Sieg über die Welt. Von dieser grundlegenden Wahrheit unsers Glaubens aus ergeben sich wichtige Konsequenzen für unsern Kampfesweg durch die Welt. Daraus ergibt sich aber weiter, daß der Entscheidungskampf in der Verborgenheit der Gemeinde Christi und in der Tiefe des menschlichen Herzens grundlegend durchgeführt wird. Vollzieht sich hier die Wandlung der Osternacht, so ist das Entscheidende gewonnen. Freilich bleibt das ganze Menschenleben ein Kampf gegen die Tiefenmächte der Welt, gegen das lastende Schwergewicht der Sinnlichkeit und gegen die Eitelkeit des menschlichen Herzens - der Weg des Lebens bleibt immer in der Passion und im Fasten -, aber der entscheidende Sinn dieses Kampfes ist das Warten auf die Erleuchtung, auf die rechte Schau der wahren Gegensätze. Wir überwinden die versucherischen Mächte des Lebens niemals durch Willensanstrengungen - sie haben allerdings eine wichtige vorbereitende Bedeutung -, sondern entscheidend nur durch die aufleuchtende Wahrheit Christi. Nur vom Licht des Ostens, vom Altar Christi herkommend, können wir die Macht der Finsternis wirklich bannen. Der Schlachtruf Michaels, des sieghaften Kämpfers gegen die Macht der Finsternis, hat darum eine doppelte Bedeutung. „Wer ist wie Gott!” ist der hohe Lobpreis des Herzens, das ganz hingenommen ist vom Glänze Gottes, der in Christus aufgestrahlt ist. Nur wer in der anbetenden Schau dieses Lichtes steht, ist mächtig über den Versucher, dem er nun den Schlachtruf in dem drohend fragenden und sieghaft niederzwingenden Sinne entgegenwerfen kann: „Wer ist wie Gott?” Nur aus der anbetenden Demut erwächst die sieghafte Kraft des Gehorsams, die den Versucher bändigt. Jahresbriefe des Berneuchener Kreises 1934, S. 154-157 |
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