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Wovon in der Bibel nicht die Rede ist
von Wilhelm Stählin

2. Die Bibel redet nicht von der Wiederkunft Christi

LeerDavon sollte in der Bibel nicht die Rede sein? Von dem endgültigen Kommen, das der Herr selbst verheißen hat, von dem, was als Hoffnungsbild über allen Blättern des Neuen Testamentes leuchtet, von dem Sieg am Ende der Tage, den der Seher der Offenbarung aus inbrünstiger Schau verkündet hat, - davon sollte nicht die Rede sein? Wer aber alle diese Stellen nachliest, wird es bestätigt finden, daß nicht von der „Wiederkunft” Christi geredet wird. Wer eifrig und ausdauernd sucht, wird finden, daß Christus im Johannes-(Evangelium seine Jünger getröstet hat, er werde wiederkommen, um sie zu sich zu holen, und daß außerdem an einer oder zwei Stellen der Ausdruck gebraucht ist, Christus werde wiederkommen am Ende der Tage. Aber sonst heißt nun wohl Christus der Herr „der da kommt”; aber gerade nicht „der da wiederkommt”. Warum lohnt es sich, auf diese kleine und scheinbar unwesentliche Verschiedenheit zu achten?

LeerEs gibt in der echten Geschichte kein „wieder”. Man kann nicht wiederholen, was einmal dahin gegangen ist. Der Tod ist gewiß kein letztes Ende ; aber wenn er ein Tor ist, so kann man doch durch dieses Tor nicht wiederkommen an den Ort des Lebens, aus dem man geschieden ist. Wiederkehr gibt es nur in dem furchtbaren und trostlosen „Kreis”-lauf von Werden und Vergehen. Der Mensch kehrt wieder zur Erde, davon er genommen ist (Pred.12, 7.), und Gottes Zorn ist es, der da spricht: kommt wieder, Menschenkinder!

LeerEben darum ist die „Ankunft” des Menschensohnes keine Wiederkunft. Käme er „wieder”, so käme er ja als Mensch, in irdischer Gestalt, um sein Erdenschicksal noch einmal zu vollbringen. Die „Wieder-geburt” ist nicht eine Wiederholung der leiblichen Geburt, sondern die Wandlung des Lebens durch ein Sterben hindurch in einen neuen Lebenszusammenhang hinein; so ist auch die Auferstehung Christi nicht eine Rückkehr ins irdische Dasein, sondern die Aufnahme in die Herrlichkeit seines Vaters. Er kommt als der Letzte und wird „diesem allen” ein Ende machen; aber er kommt nicht „wieder” in Armut und Niedrigkeit, seine Majestät verhüllend, sondern er kommt offenbar und unmißverständlich, „zu richten die Lebendigen und die Toten”.

LeerDie Bibel redet im Grunde nur von einem einzigen Kommen Christi. Das hebt an am ersten Tage der Weltschöpfung, da der Vater durch seine grundlose Liebe die Welt erschafft und allem, was er macht, das Bild des Sohnes als sein innerstes Geheimnis ein-bildet. Das Kommen des Sohnes geht fort in den Patriarchen und Propheten, die auf seinen Tag warten. Er kommt, da die Zeit erfüllt war, in der Gestalt menschlich irdischer Wirklichkeit, geboren aus dem Leibe einer menschlichen Mutter, und wohnt in unserer Mitte. „Er kam in sein Eigentum, und die Seinen nahmen ihn nicht auf.” Er kommt zu seinen Gläubigen in seinem lebendigen Wort und in der heimlichen Sprache des Geistes, und er kommt in die Mitte seiner Gemeinde, die versammelt ist um seinen gedeckten Tisch. Noch aber ist sein Kommen verborgen. Aber sein Kommen wird vollendet, und „wir wenden ihn sehen, wie er ist”.

LeerIrgendwo, an einem bestimmten Punkt in dieser großen Geschichte des kommenden Herrn leben wir. Wenn der Geist Gottes in uns lebendig ist, so gibt er uns Kunde von dem, der kommend ist (Joh. 16, 13), und richtet unseren Blick von der vergehenden Welt auf den Kommenden. Darum ist wirklich alles gesagt über den Sinn unseres Daseins in der Geschichte mit dem apostolischen Wunsch: Gnade sei mit Euch und Friede von dem, der da war und der da kommt.

Jahresbriefe des Berneuchener Kreises 1934/35, S. 78-79

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 16-02-03
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