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von Walter Stökl |
Der Mensch unserer Tage wendet sich aus der reinen Geistigkeit hin zu den Urkräften des Lebens. Die unheimlichen und gewaltigen Mächte der Schöpfung, die der Mensch zu überwinden trachtet und denen er doch ausgeliefert ist, ziehen ihn neu in ihren Bannkreis. Die mütterlichen Kräfte der Erde, die unheimlichen Tiefen des Wassers, die wild bewegte Luft im Brausen des Sturmwindes, das lodernde Feuer der zehrenden Flamme werden neu erfahren und geschaut in ihrer Mächtigkeit und Wirklichkeit. Und wenn die Forderung nach Rückkehr zum Boden erhoben wird, dann ist eben dieser „Boden” nicht nur der Ackerboden, sondern dann ist damit gemeint Rückkehr zu den Grundelementen der Schöpfung. Sie sind dieselben wie sie schon die Weisen des Altertums gefunden haben: Erde, Wasser, Luft und Feuer! Die Frontsoldaten im Schützengraben, die wandernde Jugend im Zeltlager sind der Erde näher gekommen. Die Abhängigkeit alles Lebens vom Mutterschoß der Erde, die den Samen aufnimmt und im Verborgenem reifen läßt und die Frucht hervorbringt, wird lebendig erkannt. Das junge Geschlecht unserer Tage, das neue Freude gewonnen hat an seinem Leib und an allen Kräften des Körpers, vertraut sich gerne der Macht der Elemente an. Es vertraut sich dem Wasser an im Schwimmen und der Luft im Segelflug. Gläubig steht die Jugend um das lodernde Feuer der Opferflamme am Gedenktag der Gefallenen und beim Sonnwendfeuer und ziehen die Scharen mit brennenden Fackeln durch die Straßen um einen Tag völkischer Freude zu begehen. Die Jugend unseres Volkes schläft auf der Erde, tummelt sich im Wasser, steigt empor in die Luft und steht um das Feuer! Das Geheimnis der Urelemente des geschöpflichen Lebens ist ihr wieder lebendig geworden. Das führt uns auch dazu, nach den vier Elementen in der Bibel zu fragen. Jede Zeit hat Recht und Pflicht an die Schrift die neuen Fragen heran zu bringen, die in ihr aufbrechen. Vergeblich wird man freilich in den unzähligen biblischen Nachschlagewerken und Erklärungsbüchern etwas über Sinn und Bedeutung der vier Elemente suchen. Diese „heidnische Betrachtung” der Schrift liegt einer theoretisch abstrakten Betrachtung fern, die nicht so sehr die göttliche Wirklichkeit in der Gleichnissprache der Bibel zu schauen sucht, sondern eher versucht ist in abstrakter Begriffsbildung ein theoretisches Lehrgebäude aus einzelnen Schriftstellen aufzubauen. In der Bibel nun erweist sich sehr deutlich die Zwiespältigkeit aller Schöpfung seit Adams Fall. Auch die vier Elemente sind darum Sinnbilder der zerstörenden und verderbenden Mächte und zugleich werden dieselben zu Trägern des Heils. Das göttliche Handeln in Gericht und Gnade geschieht auch durch das Walten der vier Elemente und wird anschaulich an dem eigentlichen Sinn von Erde, Wasser, Luft und Feuer. Wie die Erde so ist auch das Wasser zum Tode ober zum Leben. „Der Geist Gottes schwebte über den Wassern”, hier ist das Wasser noch die chaotische Urtiefe, aus der heraus der Geist Gottes die geordnete Welt, den Kosmos, gestaltet. In der Sintflut vernichtet die verderbende Macht des Wassers alles Leben, das dem Gericht Gottes verfallen ist. Beim Durchzug durch das rote Meer werden die Israeliten durch besondere göttliche Führung davor bewahrt, wie die Ägypter von den Fluten des Wassers verschlungen zu werden. Wunderbarer Weise wird Mose „der aus dem Wasser gezogene” - gerettet als Kindlein ans den Fluten des Nils. Wenn die Psalmen reden wollen von großer todbringender Not, singen sie: „es gingen die Wasser allzuhoch über unsere Seele”. Hiob weiß von den Toten, die sich ängsten tief unten in den Wassern, und Jona bringt Tag und Nacht zu in den Tiefen des Wassers, wunderbar wird er gerettet vor dem sicheren Tod in den Fluten des Meeres. Nach der Offenbarung Johannis sucht die Schlange, der böse Drachen, das Weib, die Kirche, zu vernichten, indem sie „nach dem Weibe aus ihrem Munde ein Wasser schoß wie einen Strahl, daß er sie ersäufe.” Aber in einem Gebet der Taufliturgie heißt es: „Du hast dem Wasser Gewalt gegeben, zu töten oder neues Leben zu erwecken”. So kennt auch das Märchen nicht nur ein Todeswasser, in dem der Mensch ertrinkt, sondern auch das Wasser des Lebens. Wer es findet, kann zum Leben zurück rufen, indem er mit dem Wasser begießt, was von einem bösen Zauber gebannt ist. Luther nennt das Wasser in der Taufe ein „gnadenreich Wasser des Lebens”. Schon beim Zug durch die Wüste wird das verdurstende Volk getränkt mit dem Wasser, das Mose ans dem Fels geschlagen auf göttliches Geheiß. Das Gottesvolk des Neuen Testamentes hat den Fels auf Christus gedeutet, der schon in der Wüste das Volk mit dem lebendigen Wasser erquickte. Die Psalmen singen von den frischen Wassern, zu denen uns der Herr führt, und von Gottes Brünnlein, die Wassers die Fülle haben, die Propheten weissagen von dem Wasser, das die Durstigen tränken wird, und uns von aller Unreinheit reinigt, wenn es über uns ausgegossen wird. Nicht anders beim dritten Element, bei der Luft, besonders der lebendig bewegten Luft, dem Windhauch. In den Büchern Mosis wird die „giftige Luft” unter die Gerichtsplagen gezählt. Im Epheserbrief redet der Apostel Paulus von „dem Fürsten, der in der Luft herrscht”. Aber der Herr ist es auch nach Amos, der „die Winde schafft”. Ja, er selbst kommt auf den Fittichen des Windes (2. Sam. 22, 11). Gott offenbart sich dem Elia auf dem Berge Horeb nicht im lauten Sturmwind, sondern im stillen sanften Sausen. Er macht die Winde zu seinen Engeln und entführt durch die Luft den Propheten Hesekiel wie den Evangelisten Philippus. Der Heide empfindet ein natürliches Grauen vor dem „wilden Heere der Luft”, vor dem „wilden Jäger” und all den unheimlichen Mächten der bewegten Luft. Aber der Herr herrscht auch über die Geister in der Luft. Er bedroht den Wind und dieser muß ihm gehorsam sein. Er bezeichnet den Wind als Sinnbild des Geistes: „Der Wind bläst, wo er will, und du hörst sein Sausen wohl. Aber du weißt nicht, von wannen er kommt und wohin er fährt. Also ist ein jeglicher, der aus dem Geist geboren ist.” Die Apostelgeschichte beschreibt das Kommen des heiligen Geistes als das Brausen eines gewaltigen Windes, der den ganzen Raum erfüllt. Das Wehen des Sturmwindes, der nach der Bergpredigt die Wohnstätte des Menschen zerstört und sein Leben bedroht, ist zugleich Sinnbild und Zeichen des heiligen Geistes, der wie ein Sturmwind die Herzen der Jünger überfällt und mit seinem Wehen erfüllt. Darum betet die Kirche im großen Fürbittgebet der österlichen Freudenzeit, darum, daß die „dürren Felder des Todes rauschen mögen vom Hauch der Auferstehung”. Und schließlich das Feuer! Im Feuerregen, der Sodom und Gomorrha zerstört, zeigt es seine todbringende Gewalt. Das Feuer, das auf die Erde fällt und alles verbrennt, gehört zu den 10 Plagen Ägyptens. Gott als Richter ist wie ein zerstörend Feuer, vor dessen Gewalt sich nichts retten kann. Im Feuer wird verbrannt das goldene Kalb, das die Menschen anbeten. Der Herr selbst redet mit dem Menschen im Feuer. Das Feuer „geht an durch Seinen Zorn und brennt bis in die unterste Hölle.” Der zuckenden Flamme, unbeständig und unfaßbar, die im Flammenkörper der Sonne zum ungeheueren Feuerball wird, kann nichts widerstehen. Gefräßig verzehrt sie alles und ihre Hitze dörrt alles aus, was in ihre Nähe kommt. Aber dieselbe Flamme ist ein Zeichen des leuchtenden und wärmenden Gottesgeistes, der der Menschen Herz zu neuem Leben entflammt. So zeigen uns die vier Elemente in der Bibel, das sie Träger zerstörender Gewalten sind und daß der Ewige sie gebraucht um seine Zorngerichte zu vollziehen. Aber durch Christi Blut, das die Erde tränkt und durch Christi Auferstehung, die das Grab der Erde sprengt, sind die dunklen Mächte überwunden, sie müssen Ihm gehorchen und dienen als Zeichen Seines Segens und Seiner Herrlichkeit: Die Erde, die Frucht trägt, das Wasser, das Leben spendet, der göttliche Hauch des heiligen Geistes und die Feuerflammen des Pfingstfestes. Durch Ihn bekommt alle Schöpfung einen neuen Sinn, wir ahnen etwas davon, daß in Ihm auch erhört und erlöst ist „das ängstliche Harren der Kreatur”. In Ihm werden die Früchte der Erde empfangen als heilige Speise beim heiligen Mahl, wird das Wasser zum Sakrament des Lebens, und Wind und Feuer zu Sinnbildern des heiligen Geistes. Darin empfangen wir eine Vorahnung des neuen Himmels und der neuen Erde, wenn das Alte wird vergangen und alles neu geworden sein. Wenn von der Schöpfung der Fluch genommen wird, werden auch die Urmächte der vier Elemente erlöst ans ihrer Zwiespältigkeit und ihrer Verhaftung an böse Gewalten. Wo Er herrscht, muß auch die Kreatur dienen der Verherrlichung Seines Namens. Jahresbriefe des Berneuchener Kreises 1934/35, S. 103-108 |
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