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von Jörg Erb |
[Vorbemerkung: Die von Jörg Erb beklagte Verharmlosung und Sinnentleerung des Weihnachtsfestes nahm im Nationalsozialismus erheblich zu. Dieser Artikel und die in den Fußnoten genannten Lieder und Texte waren auch Gegenbewegung gegen die von nationalsozialistischer Ideologie geprägten neuheidnischen Julfeiern („Heute hat alles Entscheidungs- und Bekenntnischarakter, was wir tun oder lassen” schreibt Jörg Erb.) Vergl. Irmgard Benzing-Vogt - Vom Kind in der Krippe zum Kind in der Wiege - Das Weihnachtslied der NS-Zeit] Ich kanns nicht hindern. Erinnerungen werden wach und lassen sich nicht verdrängen, und sie haben auch Recht und Heimstatt, wo ich die Weihnachtsfeier im Familienkreise bedenke; denn so wenig wir solche Erinnerungen mitnehmen sollen zur Christmette und zum jauchzenden Gottesdienst in der Frühe des Weihnachtsmorgens, da es durch Herzen und Kirchen und alle Welt klingen soll: Im Anfang war das Wort - das Licht scheinet in der Finsternis - Gelobet seist Du, Jesus Christ - so sehr haben Erinnerungen Rast und Raum bei Christbaum, Krippe und Kindern. Wo Kinder noch nicht verlernt haben, dem Vater aufs Knie zu klettern, wie sollte da ein Vaterherz, wenn der Jubel sich gelegt hat und alle in die Lichter des Christbaums schauen, zu seinen Kindern gewandt nicht auch einmal beginnen: Als ich noch so ein Junge war ... Da ziehen die Gestalten der Väter und Ahnfrauen herauf, und ihr frommes Wesen und ihre deutsche Art will Kind und Kindeskinder segnen. Die Weihnachtstube wird zur Vorhalle der Kirche, da Volk und Kirche sich grüßen und segnen, und unsere Feier wird im tiefsten Grunde zu einem Bekenntnis, das Will Vesper für uns in die köstlichen Worte faßt: Wie meine Väter von altersherHeute hat alles Entscheidungs- und Bekenntnischarakter, was wir tun oder lassen. Wenn wir unsere Kinder beten lehren, lehren wir sie nicht mehr etwas Selbstverständliches, sondern haben uns für den Glauben der Väter entschieden und zu Christus bekannt. Wenn wir bis heute das Tischgebet gelassen und noch nicht wieder aufgenommen haben, so stehen wir auf der Seite des Antichristes. Solchen Bekenntnischarakter hat auch die Weihnachtsfeier, sie in ganz besonderem Maße. Es ist aber noch nicht viel gewonnen, wenn wir nun wieder im Kreis der Familie die Weihnachten begehen; es kommt darauf an, ob wir spielen oder feiern wollen, ob wir einen Jahrmarktstrubel veranstalten oder ein Fest begehen wollen. Auch bei gutem Willen bleiben wir oft im Äußerlichen und in äußerlichen Geschäften und in einer falschen Geschäftigkeit stecken; und wo auch guter Wille vorhanden ist, da fehlt es heute schon oft an der Fähigkeit, ein christliches Familienfest vorzubereiten und zu feiern. Darum versuchen wir hier zu raten, so gut wirs vermögen. Das Schönste an der Freude ist die Vorfreude, und fast möchte man sagen, das Schönste am Fest ist die Vorbereitung. Der ganze Advent ist Vorbereitung und Weg zum Fest; äußere Geschäfte und innere Bereitung sind da schwer zu trennen. Es ist die zeit im Jahr, da der Himmel über uns offener zu sein scheint als zu andern Zeiten, da unsere Seele stärker als sonst sich zum Lichte emporstreckt. Ich bin nie so gerne ans Werk des Fütterns gegangen als in den Vorweihnachtstagen. Da habe ich den Kühen und Kälbern meine Sprüche mit allem Fleiß aufgesagt und alle Weihnachtslieder habe ich ihnen vorgesungen, die ich nur kannte; und sie habens gerne hören mögen, als ob in ihnen eine Rückerinnerung vorhanden wäre an jene Weihnacht. Und dazwischen lag ich wohl auch im Heu und auf dem Stroh vor ihnen wie ein Hirte, und durch mein Herz läuteten die Worte des Weihnachtsevangeliums und die Worte des weissagenden Propheten, und das alles stand hell und klar vor meinen Sinnen und erfüllte sie ganz. Nicht anders kanns den Hirten auf den Feldern Bethlehems zu Mute gewesen sein. So muß es sein. Allabendlich gilts im Familienkreis zu singen, vornehmlich die Lieder zum heiligen Advent, darnach, etwas leise und verstohlen vorwegnehmend, die Krippen- und Hirtenlieder. (2) Und es gehört mit dazu, daß aus der Bibel die Worte der Propheten gelesen werden, auch wenn die Kleinsten es noch nicht „verstehen”. (3) Die Lichter am Adventskranz erhellen die Worte geheimnisvoll. Die Allerkleinsten zählen die Tage bis zum Fest und öffnen am Adventshäuschen ein Lädelein nach dem andern. (4) Die Kinder lernen ein weihnachtlich Abendgebet, die „Himmelstür” (5) gibt Hinweis und Hilfe. Die Kinder haben schon viel erlauscht vom Krippenspiel (6) der Großen und versuchen immer wieder, ein Bruchstück zu spielen. Es ist möglich, daß die Hirtenszene zustande kommt und unterm Weihnachtsbaum gespielt werden kann. Die Mutter sieht darauf, daß die Kinder eine ihrer Kraft angemessene Arbeit in die Hände bekommen, denn es gilt Freude zu bereiten durch Gaben der Liebe. Geben ist seliger als Nehmen. Wir wollen Sorge tragen, daß unsere Kinder die Seligkeit des Schenkens empfinden und frei werden vom Heischen und selbstsüchtigen Verlangen. Ich habe immer die Sorge, ob unsere Kinder nicht zu viel geschenkt erhalten. Ich denke daran, daß ich wohl viermal dasselbe Rößlein zu Weihnachten geschenkt erhalten habe, nur wars einmal ein Schimmel, dann ein Räpplein oder Füchslein, und doch war ich glücklich und zufrieden, und meine Freude war völlig. Es ist gut, wenn der Weg zum Fest die Sinne hinlenkt auf das wahre Christgeschenk, das der Welt zuteil wird. Unser Fest wird nur soweit wahre Feier, als das Himmelslicht, das in der Finsternis scheint, auch in unsere Hütte einkehrt. Wo im Advent fleißig gesungen wird, da ist das Fest gut vorbereitet. Früher haben sich die Kinder an einem Vortragstück für Weihnachten abgemüht, bei dem die Mühe in keinem Verhältnis zum Ertrag stand. Heute gibt es Büchlein mit Weihnachtsmusik für Blockflöten (7) und Weihnachtslieder im Klaviersatz, (8) darüber hinaus Vorspiele und Variationen über Weihnachtslieder, (9) da braucht man nur zuzugreifen. Lied und Spielmusik sind Weg und Hinweis zur Wurzel des Weihnachtsfestes. Und dann Christbaum und Krippe. Der Christbaum stellt uns vor Augen, wie in die dunkle Welt das Licht einbricht und ihr einen neuen Schein gibt. Der Christbaum hat Blüten und Früchte. Alle Lichtworte der Schrift werden lebendig. Darum sind die Lichter der vornehmste Schmuck des Baumes. Da soll man nicht sparen. Noch heute schmerzt mich in der Erinnerung der Augenblick, wenn die Kerzen gelöscht wurden und wir wieder im Schein der Erdöllampe standen. Da war alle Seligkeit dahin, kalt und nackt kam mir alles vor. Ich habe die Augen geschlossen, um mir Zeit zu verschaffen, mich an den Wechsel zu gewöhnen. Ich habe nie die Sparsamkeit der Eltern verstanden, die die Kerzen immer löschten, bevor sie halb heruntergebrannt waren. Kinder fassen wohl unmittelbarer als die Erwachsenen den Hinweis des lebendigen Lichtes auf, und es bedarf keiner Begründung, warum am Christbaum Kerzen brennen müssen. (Elektrische „Beleuchtungskörper” sind vom Übel.) Ja, man spare an den Kerzen nicht, die besten sind gerade gut genug. Äpfel sind die Früchte des Baumes; denn auch das ist ein Weihnachtswort: „Ich bin das Brot des Lebens.” - Ich wohne auf dem Berg und weiß nicht, was alles in den großen Städten heuer als Christbaumschmuck angeboten wird. Aber das weiß hoffentlich ein jeder: Flugzeuge und Zeppeline, Tanks oder Autos, das alles gehört nicht an den Baum, weils wegführt vom Ursprung des Festes. Je mehr der Christbaum entweiht, seines Sinnes beraubt und anderm Geist dienstbar gemacht wird, um so mehr müssen wir uns der Krippe zuwenden, die eine Umdeutung nicht zuläßt. Und wenn nun alles soweit ist, da rate ich, daß man sich eine Ordnung mache für den Abend, daß keine Zwischenfälle unsern guten Willen über den Haufen werfen. Am Heiligen Abend gegen 5 Uhr findet bei uns die Bescherungsfeier der Kleinkinderschule statt. Das ist zwar kein reiner Ohrenschmaus, und von unsern Kindern ist leider keins mehr dabei; aber wir wollen doch alle miteinander hingehen. Der K i r c h g a n g gibt Abstand von den Geschäften und gibt Sammlung und Ruhe. Das Abendessen ist bald bereitet, es gibt nichts Besonderes, aber doch etwas, was die Kinder gerne essen: Wahrscheinlich hat die Mutter einen Auflauf in den Ofen geschoben und stellt nun noch Obst dazu auf den Tisch. Wer mag auch viel essen bei der großen Erwartung und Freude! Nur daß alle sich in Zucht nehmen, die Kinder und die Eltern, daß nicht doch noch irgendwo geschimpft werden muß. Man darf sich nicht verdrießen lassen an diesem Tag, komme, was mag. Darnach zündet der Vater die Kerzen an. Der Gabentisch ist zugedeckt, daß der Blick nicht abgelenkt wird. Zuerst redet der Baum und sein Licht und die Krippe zu uns. Darnach singen wir, was alle können: Lobt Gott ihr Christen allzugleichDie Kinder treten vor und sagen ihren Spruch auf, den sie gelernt haben: Das Volk, das im Finstern wandelt ...Dann schlägt der Vater die Bibel auf bei Lukas im zweiten Kapitel (da sind in unserer Bibel dicke Wachstropfen auf den Blättern) und liest die Weihnachtsgeschichte. Die Kinder dürfen, wenn der Engel zu den Hirten kommt, singen: „Was soll das bedeuten..”, oder: „Inmitten der Nacht ..”. Wenn wir die Weihnachtsgeschichte gehört haben, singen wir, zur Krippe gewandt „Kommt und laßt uns Christum ehren ...” Darnach mag der Vater sprechen: „Wie Gott uns beschenkt hat, indem er seinen Sohn gesandt hat in die Welt, so wollen auch wir einander erfreuen durch Gaben der Liebe.” Die Kinder bringen den Eltern ihre Gaben dar, und die Mutter nimmt das Tuch vom Gabentisch. Nun hat die helle Freude ihr Recht. Sind die Kinder schon groß, dann mag sich der Vater zuvor eine Weihnachtsgeschichte zurechtlegen, die er unter Umständen darbieten kann. Besser noch, wenn sich Stimmen und Instrumente vereinen in einer weihnachtlichen Hausmusik. Ehe die Lichter ganz verlöschen, und wir die Weihnachtsstube verlassen, singen wir zum Beschluß miteinander Es ist ein Ros entsprungen ... Wo Weihnachten in dieser Art gefeiert wird, da stirbt die Feier nicht aus, auch nicht, wenn die Kinder groß geworden sind und zum Heiligen Abend im Elternhaus einkehren. Dann freuen sie sich darauf, und wissen, wie alles sein wird, und wissen, wie sie selber in ihrem Herzen sein müssen, wenn sie wahrhaft einkehren und heimkehren wollen ins Vaterhaus. Dann wird die Feier nicht sentimental und nicht steif und kalt, dann braucht man sich weder hinter den Wein noch zu den Zigaretten flüchten, dann kann man immer wieder miteinander singen und spielen. Da haben sich vielleicht die Kinder heimlich verabredet und spielen nach heimlicher Generalprobe die schönste Weihnachtsmusik (13) den überraschen Eltern vor, und das wäre ein wahres Weihnachtsgeschenk. Da habe ich nun ganz vergessen, daß sich ja euer Onkel Soundso und die Tante Ebenso zum Heiligen Abend angesagt haben. Das sind ja ganz andere Leute. Der Onkel raucht immer Zigaretten, und die Tante muß immer reden. Wie soll man da feiern? Nun, nach wem haben wir uns zu richten, und wem haben wir zu dienen? Die Antwort ist einfach. Darum nimmt Vater den Onkel auf die Seite und die Mutter flüstert der Tante das Nötige ins Ohr (oder auch umgekehrt, wenns zweckdienlicher ist). Kurz und gut: So wollen wir Weihnachten feiern, so ists unser Brauch. Ihr seid unsre Gäste. Der Gast fügt sich gerne in die Sitte des Hauses. Ja gewiß, vielleicht fügt er sich williger, als ihr glaubt. Darum, so bleibts dabei, wir wissen warum. Und so wünsch ich euch denn ein frohes, gesegnetes Fest. Anmerkungen:
Jahresbriefe des Berneuchener Kreises 1936, S. 20-27 |
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